Burgstaller: Felsbilder und «Inschriften im Toten Gebirge liehen, vielfach stark abgewitterten Liniengefüge, die ihre Entsprechungen zum Teil in den von den Kindern für ihre frühlingshaften Hüpfspiele auf den Boden gezeichneten Feldern haben, deren erstaunliche historische Tiefe Jan de Vries erst kürzlich nachgewiesen hat*^. Ebenso dürften in diese Gruppe auch die Bärenschädel auf Felsen V zu setzen sein, für die auch die Dreizahl kaum ohne Belang ist. Die Ausstattung des unteren Bärenhauptes mit einem Dorn oder Spieß, auf dem der Unterkiefer aufsitzt, läßt die Andeutung einer rituellen Behandlung des Schädels, möglicherweise anläßlich einer eigenen Bestattungszeremonie, erkennen. Feierliche Bestattungen von Bären sind in Oberösterreich, offenbar einer alten Tradition folgend, bis ins 18. Jahrhundert bezeugt*®, doch ist der ganzen Fundlage nach nicht anzunehmen, daß diese Bildgruppe jungen Datums ist. Denn die Darstellung separater Bärenschädel ist in der prähistorischen Kunst keineswegs vereinzelt. Allein aus dem west französischen (paläolithischen) Fundgebiet sind nicht weniger als 25 Darstellungen von Bärenschädeln bekannt*®. Fast regelmäßig bleibt der Kopf gegen den fehlenden Leib zu ohne Abschluß und blickt das Haupt, wie auf den oberösterreichischen Bildern, nach links. Alle Autoren, die sich bisher über die Bedeutung dieser Bärenhäupter geäußert haben, vertraten die Meinung, daß es keinem Zufall entspringe, daß gerade das Haupt des Bären, der bekanntlich in den Glaubensvorstellungen eine große Rolle spielt, in so bevorzugter Anzahl wiedergegeben wurde und daß die Bilder ein Beweis für eine rituelle oder kultische Behandlung der Bärenschädel durch die steinzeitliche Bevölkerung sei. Ihr Zweck könne eine Opferung des Bärenhauptes (an ein höchstes göttliches Wesen) oder eine magische Handlung zur Erzielung mystischer Wiedergeburt des getöteten Tieres oder, wofür ebenfalls ausreichende Andeutungen in Begleitfunden vorliegen, ein Ritus der Fruchtbarkeitsmagie sein. Hinsichtlich des eigenartigen Doms am Unterkiefer des unteren Bärenschädels auf Felsen V ist kaum anzunehmen, daß der Zeichner damit etwa andeuten wollte, daß es sich, wie in der bekannten Bärendarstellung in der Trois-Freres-Höhle*', um ein verwundetes Tier handelt, dem ein Blutstrahl aus dem Maul bricht. Viel eher ist zur Erklämng dieses Merkmales an die rezenten Bärenfeste der ostsibirischen und nordamerikanischen Natur völker zu erinnern, die bei diesen Anlässen die Häupter der eben getöteten Bären, zum Teil im Mus^e de l'Homme, Paris, z.B. Inv. Nr. 32 41 314, Indochina) ist jedem Ethnologen bekannt. Erwiesen ist auch sein Vorkommen als prähistorische Felszeichnung, siehe A. H. Francke, Kleine archäologische Erträge einer Missionsreise nach Zangskar in Westtibet. Zeitschrift der deutschen morgenländischen Ge sellschaft. Leipzig 1906, 646. (Für diesen Hinweis bin ich Herrn Univ.-Prof. Dr. J. Haeckel, Wien, zu Dank verpflichtet.) Allgemein bekannt ist wohl, daß die Form des „Fadenkreuzes" als Grundtypus der „Unruh" genannten Deckengehänge in zahlreichen europäischen Bauernhäusern verwendet wird. ** Vergl. Anmerkimg 4. *' H. Commenda, Bärenbegräbnis. Ein alter Jägerbrauch aus dem Salzkammergut. Oberösterr. Heimatblätter, Jg. 2 (1948), 267 ff. (nach einem Liedtext in einem Liederbuch aus dem Jahre 1855 im Besitz des Museums Hallstatt). Dieselbe Quelle wurde von K. M. Klier, Eine Bärenjagd. Heimatgaue, Jg. 5 (1924), 141 ff., zum Gegenstand einer Untersuchung gemacht. Über Bärenkulte siehe insbesondere W. Koppers, Der Bärenkult in ethnologischer und prähistorischer Beleuchtung (mit reicher Literaturangabe) in: O. Abel und W. Koppers, Eiszeitliche Bärendarstellungen und Bärenkulte in paläobiologischer und prähistorisch-ethnologischer Be leuchtung. Paläobiologica. Bd. V (Wien 1933), 7 ff.; N. Lissner, Aber Gott war da. Freiburg 1960, 177 ff.; K.J.Narr, Bärenzeremoniell und Schamanismus in der Älteren Steinzeit. Saeculum X (1959), 233 ff.; J. Maringer, Vorgeschichtliche Religion. Einsiedeln 1956, 88 ff., 100 ff. 142 f. Über rezente nordeurasische Bärenkulte siehe u. a. G. Ränk, Die heilige Hinterecke im Hauskult der Völker Nordosteuropas und Nord asiens. Helsinki 1949, 165 ff.; zum Bären in Volksglaube und Volksbrauch siehe Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens I, 881 ff. *• Abel und Koppers, a. a. O. 37 ff. (Zusammenstellung paläolithischer Bärendarstellungcn). *' Abb. bei Abel und Koppers, a. a. O. 24.
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