OÖ. Heimatblätter 1961, 15. Jahrgang, Heft 2/3

Janik: Die erdgeschichtliche Vergangenheit Oberösterreichs BERICHTE Die erdgeschichtliche Vergangenheit Oberösterreichs Rundfunkvortrag von Dr. DipI.=Ing. Vinzerus Janik, Linz (Sender Linz, 2. Jänner 1961) Wenn wir von den Höhen der Mühlviertier Berge bei klarer Sicht die Alpenkette erschauen, so ist es, als ob die Zeiten und Gewalten der Erd= geschichte vor uns ausgebreitet wären. Wohl jeder empfindet bei diesem Anblick die Schönheit der Landschaft und das Wirken der Schöpfung. Un= bewußt durchdringt uns die Harmonie einer un= unterbrochenen Landschaftsentwicklung, aber auch der Kontrast der verschiedenen Landschaftsfor= men wird von unserer Seele aufgenommen. Um uns breitet sich das sanfte Mittelgebirge des Mühlviertels mit seinen großen Verebnungsflä= chen und flachen Kuppen aus. Im schroffen Gegensatz hiezu ragen im Süden die schnee= bedeckten Gipfel und die steilen Wände der Alpen zum Himmel empor. Dazwischen liegt, zu= meist im Nebel verhüllt, das Hügelland des Alpenvorlandes, zerschnitten vom Stromnetz der Donau. Welch gewaltiges Bild! Trotz aller Verbindung durch festes Land ist die Landschaft zerteilt und nicht einheitlich. Das grabenförmige Alpenvor= land zwischen dem Mühlviertel und den Alpen verbindet verschiedenaltrige Gebirgsbildungen und verhüllt tiefeinschneidende Bruchlinien. Nach und nach werden wir die drei großen Landschafts= einheiten gewahr und erkennen ihren Bauplan. Das abgetragene Massiv der Mühlviertier Berge im Norden Oberösterreichs ist ein uraltes Grund= gebirge, bestehend aus kristallinen Gesteinen, wie Graniten, Gneisen und Schiefern. Dieser varis= zische Gebirgszug wurde bereits im Erdaltertum, zur Steinkohlenzeit, vor ungefähr 250 Millionen Jahren, aufgefaltet und erstreckte sich von der Südküste Englands bogenförmig durch Mittel= deutschland und Böhmen weit gegen Osten und Süden. Während der jüngeren Erdgeschichte wurde die= ses alte Massiv stark abgetragen, abgesenkt und abgebrochen, so daß nur noch einzelne Mitteh gebirgshorste davon übriggeblieben sind, die einer Rumpflandschaft gleichen. Das südlich da= von anbrandende Meer der Thetys drang immer weiter in die abgesunkenen Teile dieses Gebirgs» komplexes ein, überflutete und zerbrach die Küste der Böhmischen Masse. Im ausgehenden Erdmittelalter, zur Kreidezeit, also vor ungefähr 100 Millionen Jahren, begann sich aus diesem Meere ein Festland inselförmig herauszuheben. Gewaltiges erdgeschichtliches Ge« schehen, dessen Ursachen und Kräfte unerforscht sind, erschütterten den damaligen Kontinent. Mil= lionen von Jahren hindurch war unser Raum der Schauplatz des Ringens der Elemente. Hebungen und Senkungen wechselten ab, wodurch die Dek= kenfaltungen der Alpen vollzogen wurden. Ge» waltige Überschiebungen verschiedener Meeres» ablagerungen wurden bewältigt, unvorstellbare Kräfte der Gebirgsbildung beansprucht, bis end» gültig die Landhebung sich durchsetzte. Ein neuer Landbogen von den Pyrenäen bis zum Balkan, ja bis zum Himalaja, wurde an die alten Massive angeschweißt. Infolge der hohen Temperaturen und des Druckes wurden die kristallinen Gesteine der Zentralalpen umgewandelt und die kalkigen und dolomitischen Schichtgesteine der Kalkalpen sowie die Sandsteine der Flyschzone verfestigt. Nach und nach wurde durch Millionen von Jahren das neue Land emporgehoben. Die Erforschung aller dieser geologischen Vor» gänge wird ermöglicht durch das Auffinden von Versteinerungen der damals lebenden Tiere und Pflanzen. Zahlreiche Gipfel der Kalkalpen, z. B. der Plassen bei Hallstatt, bestehen aus weißem Korallenriffkalk des ehemaligen Meeres. Unsere Kohlenlager sind ehemalige Sumpfwälder, unsere Salzlager und Erdölfelder zeugen von ehemaligem Meeresboden. Die tektonischen Gewalten wirkten sich auch auf die Böhmische Masse im Mühlviertel aus. Das alte, starre Massiv wurde zwar nicht mehr neu gefaltet, jedoch stark von der Gebirgsbildung der Alpen beeinflußt. Das Gebirge wurde gesenkt und durch das Nordwärtswandern der Thetys seine Südküste abgebrochen. Vor ungefähr 50 Millionen Jahren, in der älteren Erdneuzeit, beginnen sich die jetzigen Konturen der Landschaft Oberösterreichs abzuzeichnen. Vor dem Mühlviertler Gebirge lag das anbrandende Meer, das stellenweise in das Festland einbuch» tete und die Beckenlandschaften von Gallneu» kirchen, Linz und Eferding schuf. An der Küste wurden die Gesteine herausgelöst und zertrüm» mert. Ebbe und Flut sortierten das Material und so entstanden die Blockgerölle und die marinen Quarzsande, die als „Linzer Sande" bekannt und am Gründberg, in Allharting und St. Georgen an der Gusen sowie anderen Orten als Bausand ab»

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