OÖ. Heimatblätter 1961, 15. Jahrgang, Heft 2/3

Chezy; Eine Schafbergbesteigung vor 130 Jahren Eine Schafbergbesteigung vor 130 Jahren Von Helmine von Chezy (1833) Einer der unruhigsten Geister unter den geistreichen Frauen der Romantik, für die eine starke Belastung der menschlichen Beziehungen mit intellektueller und Gefühlsproblematik kennzeich= nend ist, war Wilhelmine Christiane von Chezy, oder, wie sie sich als Schriftstellerin nannte, Helmina von Chezy (geh. am 26. Jänner 1783 in Berlin), eine Enkelin der Lyrikerin und Dra= matikerin Anna Luise Karsch („Karschin"), einer zu ihrer Zeit sehr bekannten, ja berühmten und weit über Gebühr als „deutsche Sappho" gefeierten Dichterin. Die junge, geistig äußerst rege, aufgeweckte und sehr ehrgeizige Frau hatte sich frühzeitig schon literarischen Arbeiten zugewandt, die stark unter dem Einfluß Jean Pauls stehen, zu dem sie persönliche Beziehungen aufgenommen hatte. Im Jahre 1805 heiratete Helmina in zweiter Ehe den Freiherrn Antoine Leonard de Chezy, einen bedeutenden Orientalisten, dem 1815 die erste europäische Professur für Sanskrit am College de Frange in Paris anvertraut wurde. Von Paris aus gibt sie in den Jahren von 1803 bis 1807 die Zeitschrift „Französische Miscellen" heraus, die in dem angesehen nen Verlag Cotta erschienen. Nach der Trennung von Antoine Leonard de Chezy im Jahre 1810 nahm Helmina nahe Be= Ziehungen zu Adalbert von Chamisso und zu dem österreichischen Orientalisten v. Hammer= Purgstall auf; wieder nach Deutschland zurückgekehrt, ließ sie sich in Heidelberg nieder. In der Folgezeit lebte sie in Frankfurt am Main, in Aschaffenburg und Darmstadt. Ihre leicht zum Enthusiasmus entflammbare Natur wurde bald von dem aufkommenden sozialen Philanthro= pismus ergriffen. Sie stellte sich 1813 dem Dienst für die Kriegslazarette zur Verfügung. Später wurde sie wegen Verleumdung der Invaliden=Prüfungskommission in Berlin angeklagt, aber vom Berliner Kammer^Gericht unter dem Vorsitz von E. T. A. Hoffmann freigesprochen. Von 1817 an finden wir sie in Dresden, wo sie Verbindungen zu Tieck und Carl Maria von Weber aufnimmt, für dessen Oper „Euryanthe" sie den bekannten sentimentalen Text schrieb. Jahre später, und zwar 1823, treffen wir Helmina von Chezy in Wien, von 1830 an in München und schließlich in der Schweiz, wo sie in Genf ihre äußere Ruhe gefunden zu haben scheint. Von einer kleinen Pension fristet sie ihr Dasein und diktiert, inzwischen erblindet, ihre interessant ten Lebenserinnerungen „Unvergessenes", die 1858 in zwei Bänden erscheinen. Am 28. Jänner 1856 hört das Herz der Ruhelosen für immer zu schlagen auf. Ihr vielseitiges literarisches Schaffen umfaßt Lyrik, Schauspiel und erzählende Prosa, einen um^ fangreichen Briefwechsel, darunter mit Chamisso, und eine Fülle von journalistischen Arbeiten iri zahlreichen Zeitschriften, Almanachen und Reisebüchern. Zu diesen gehört das 1833 im Ver= lag Ernst August Fleischmann in München erschienene Reisebuch „N orik a", ein „neues aus= führliches Handbuch für Alpenwanderer und Reisende durch das Hochland in Österreich ob der Enns, Salzburg, die Castein, die Kammergüter, Lilienfeld, Mariazell, St. Florian und die Steyer^ mark . . . mit einer Charte und Ansichten." Ihm ist der nachfolgende Abschnitt über eine Be= Steigung des Schafberges entnommen, der trotz allem Pathos, aller Sentimentalität und Uber= schwenglichkeit ein recht lebendiges Bild von dieser romantischen Bergbesteigung und von Landschaft und Menschen dieser Zeit gibt.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2