Oberösterreichisdie Heimatblätter Das Antlitz der Stadt Steyr im Jahre 1554 Von Josef Ofner (Steyr) Um die Mitte des 16. Jahrhunderts gehörte Steyr zu den führenden protestantischen Städten Österreichs. Im obderennsischen Städteviereck'^ behauptete die Eisenstadt noch den kul turellen Vorrang^ und erlebte trotz Hochwasserkatastrophen, Seuchen und Stadtbränden® eine durch mehrere Jahrzehnte andauernde Wirtschaftskonjunktur. Neben dem Eisen- und Stahlhandel in die westlichen und nördlichen Staaten Europas blühte der Warenaustausch mit Venedig. Das Antlitz der Stadt in dieser bewegten Zeit hat der Nürnberger Hanns Lautensack in einer überaus eindrucksvollen Radierung festgehalten. Bis zum Herbst 1958 galt der Kupferstich des Goldschmiedes Wolfgang Hauser aus dem Jahre 1584 als das älteste Stadtbild. Erst durch die Ausstellung „Kulturdokumente Öster reichs aus dem Germanischen National-Museum in Nürnberg" vom 29. August bis 28. Sep tember 1958 in der Neuen Galerie der Stadt Linz und durch eine Veröffentlichung über Lautensack in den „Nürnberger Forschungen^" wurde man in Steyr auf die noch ältere Ansicht aus dem Jahre 1554 aufmerksam. Lautensack wurde wahrscheinlich um 1520 in Bamberg geboren. In Nürnberg, wo sein Vater Paul seit 1527 als Maler und Musiker wirkte, wird er 1552 urkundlich erwähnt. Im Jahre 1554 übersiedelte er nach Wien. Hier betätigte er sich bis zu seinem Lebensende (zwischen 1564—1566) hauptsächlich als Radierer, Forträtist und Medailleur^. Sein Arbeits gebiet umfaßte Darstellungen aus dem Neuen Testament, Landschaften und Porträts®. Unserem Künstler, der als ein bedeutender Vertreter der „Nürnberger Schule" anzusehen ist, dienten die Werke von Augustin Hirschvogel und Wolf Huber als Vorbilder'. So zeigt auch seine Ansicht von Steyr, die auf der Reise von Nürnberg nach Wien entstand, die bei Huber charakteristischen Randbäume. Da sich im Original die Stadt seitenverkehrt dem Beschauer darbietet®, wurde vermutlich die Vedute bisher als eine der bei Lautensack anzu treffenden phantastischen Landschaftsdarstellungen angesehen. Erst Annegrit Schmitt, die sich eingehend mit den Arbeiten des Nürnbergers befaßte, erkannte an Hand der Stiche von W. Hauser und M. Merian (1649) in dieser Radierung ein Bild der Stadt Steyr®. Wie spätere Maler (z. B. Jakob Alt) wählte schon Lautensack als Standpunkt für die Ge staltung der Stadtansicht den südlichen Abhang des Tabors. Der Blick auf die Innenstadt ist ja hier besonders reizvoll. Von den Vorstädten ist auf dem Bilde rechts im Vordergrund nur ein kleines Gebiet der am Fuße des Tabors gelegenen Vorstadt „ört" mit dem die ' Steyr—Enns—Linz—Wels. • K. Eder, Glaubensspaltung und Landstände in Österreich ob der Enns 1525—1602 (1936), S. 25. • 1553 wütete die Pest, am 23. April 1554 zerstörte das Feuer in der Vorstadt Steyrdorf über 200 Häuser. V. Preuenhueber, Annales Styrenses (1740), S. 271. — Das Bürgermeisteramt versah in dieser Zeit (1553 bis 1556) Hanns Strasser. E. Krobath, Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit. Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 17 (1957), S. 33. • Annegrit Schmitt, Hanns Lautensack. Nürnberger Forschungen, Bd. IV (1957). Herrn Dr. A. Marks, Biblio thekar des oö. Landesmuseums, der mich auf diese Arbeit aufmerksam machte, sei hiefür bestens gedankt. ' Schmitt, a. a. O., S. 2 ff. • U. a. porträtierte er König Ferdinand I. und die Erzherzoge Karl und Maximilian. ' Schmitt, a. a. O., S. 18 f., 37. • Abbildung I. Nicht seitenverkehrt jedoch ist die Signatur HLS 1554. ' Schmitt, a.a.O., S. 25. — Bildgröße: 115x173 mm (mit Plattenrand).
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