OÖ. Heimatblätter 1960, 14. Jahrgang, Heft 1

Pfeffer: Mühlviertel in der Frühzeit nach dem Sprachgebrauch der Urkunde sind damit vermutlich die traungauischen Märkte Linz, Lorch, Aschach, Eferding usw. zu verstehen — sondern daß es auch nördlich der Donau, im Rotelland und in der Riedmark, solche Handelsplätze gab, etwa in Rosdorf, Ottensheim, Gramastetten, Urfahr, Tabersheim, Gallneukirchen, Ried; zu den Treffpunkten des Handels gehörten vielleicht schon damals auch solche ziemlich weit im Norden, etwa im Gebiet von Haslach und Freistadt, wo die Hauptwege des Mühlviertels den Nordwald überqueren. Die Zollordnung erwähnt mit diesen „loca mercandi" die ersten Keimzellen des späteren Mühlviertler Märktenetzes. In den Marktorten des Mühlviertels oblag den Verwaltungsbehörden neben ihren sonstigen Aufgaben (Gericht usw.) die Überwachung des Handelsverkehrs und der ordnungsgemäßen Einhaltung der Zollvorschriften durch die in- und ausländischen Händler, wie auch die Einhebung der anfallenden Zollgebühren, die in den einzelnen Märkten durchzuführen war. Hier walteten unter der Leitung der Vizegrafen des Rotellandes und der Riedmark — der ersten Vorgänger der Mühlviertler Bezirkshauptleute! — jene Beamten des Mühlviertels ihres Amtes, die zusammen mit den Vertretern des Traungaues als die „iudices Orientalium" auf der Zollkonferenz in Raffelstetten vor dem Markgrafen Aribo, seinem Stellvertreter Graf Ottokar von Karantanien und den Bischöfen von Salzburg und Passau als königlichen Kom missären ihre Aussagen über die Zollrechte im Oberen und Unteren Mühlviertel und im Traungau, in „diesen drei Grafschaften", zu machen hatten. Auch das von der Zollordnung überlieferte Bild der Siedlungs-, Handels- und Verwaltungszustände läßt sich schwerlich auf ein nur dünn besiedeltes Mühlviertel projizieren. Es reiht sich vielmehr in voller Übereinstimmung in die Zeugnisse der Mühlviertler Besiedlungs geschichte der Karolingerzeit ein, die wir in den Siedlungsformen und Ortsnamen, in den bedeutungsvollen Urkunden von 823 und 853, nicht zuletzt auch in den Bodenfunden der Karolingerzeit^®" besitzen. Das Zolldokument von Raffelstetten steht nicht etwa am Anfang einer neuen geschichtlichen Epoche des Mühlviertels, die mit dem 10. Jahrhundert, nachdem Ende der Ungarnzeit, begann, es bietet vielmehr in einem bestimmten Zeitpunkt einen Querschnitt durch die Entwicklung des Mühlviertels, die von der Urzeit kontinuierlich bis in die Gegenwart verläuft. Der Siedlungsraum hat sich in den vier Jahrhunderten seit dem Seßhaftwerden der Baiern erweitert, Bevölkerungsdichte und Güterbedarf sind gestiegen, der Nordwald wird von einem regen Handelsverkehr überschritten. Dieser Verkehr trägt die gleichen Züge, die sich schon für die Urzeit erschließen lassen und auch die weitere Entwick lung kennzeichnen; er wird von der Ausfuhr von Salz und gewerblichen Erzeugnissen nach Böhmen, vom Agrarexport aus Böhmen an die Donau bestimmt. Die Handelsachse HallstattHallein-Böhmen, die einen so bedeutungsvollen Platz im Raffelstettener Weistum einnimmt, ist für die Verkehrsgeschichte des Mühlviertels bis an die Schwelle des Eisenbahnzeitalters entscheidend gewesen. i"" J. Reitinger verzeichnet Funde aus folgenden Gemeinden (Ortschaften): Oberes Mühlviertel: Walding (Mursberg, Posting, S. 398, 400), Gramastetten (Großamberg, S. 121), Altenfelden (Langhalsen, S. 9), Haslach (S. 136). — Unteres Mühlviertel: Engerwitzdorf (Holzwiesen,Niederreitern, Ogsteiner Wald, S. 66, 68, 70), Luftenberg (Abwinden, S. 203), St. Georgen a. d. G. (Gusental, S. 300), Katsdorf (Standorf, S. 160), Langenstein (Gusen, S. 183), Ried i. d. R. (Zirking, S. 286), Hellmonsödt (S. 138), Kefermarkt (S. 161), Lasberg (S. 183), Perg (Perg, Auhof, S. 257, 259), Arbing (S. 16), Klam (Gauning, S. 166), Kreuzen (In nernstein, S. 173), Grein (Lettenthal, S. 126).

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