OÖ. Heimatblätter 1960, 14. Jahrgang, Heft 1

Pfeffer: Mühlviertel in der Frühzeit Uber den Zeitpunkt der Schenkung kann vielleicht die Besitzgeschichte der Linzer Martins kirche Aufschluß geben. Die Linzer Kirche erscheint als Königsschenkung Karls (ex cessione regis) erst 799 in der Hand Passaus, das sie in diesem Jahr als passauisches Lehen dem Präfekten Baierns und ersten Markgrafen des Ostlandes, Gerold I., verlieh. Vorher hatte sie, vermutlich durch einige Jahre, Karls Hofkaplan Rodland inne. Linz (und St. Florian) haben also, was auch aus ihrem Fehlen in der ersten Fassung der Ludwigs-Urkunde hervorgeht, nicht zur ersten großen Kirchenschenkung Karls gehört; auf ihre nachträgliche Ubergabe an das Hochstift verweist auch die zweite Fassung, die zuerst die zwölf ursprünglich geschenk ten Kirchen aufzählt und dann bemerkt: „Außerdem hatte unser Vater dem Bistum auch die Zelle St. Florian mit Linz verliehen." Die große Schenkung dürfte also in der Zeit erfolgt sein, da Linz noch königliches Lehen Rodlands war. Daher werden wir kaum fehlgehen, wenn wir das Konzept der Pfarrorganisation des „Hunnenlandes" in die Zeit unmittelbar nach dem ersten Awarenfeldzug (791) verlegen, bei dem das von Karl geführte Hauptheer von Lorch aus — über Wolfsbach/Aschbach, Petzenkirchen, Melk, St. Pölten/Traismauer! — bis zur Raab vordrang und der König das neugewonnene Reichsgebiet aus eigener Anschau ung kennen lernte. Unter den „renovierten Kirchen" der Urkunde sind vielleicht Gottes häuser zu verstehen, die während der awarischen Oberherrschaft verfallen oder bei den letzten Kampfhandlungen (Schlacht an der Ybbs 788, Feldzug 791!) zerstört worden waren; die völlig neu erbauten Kirchen werden weiter im Osten zu suchen sein. In Niederösterreich konnten bisher nur auffallend wenige Kirchen (Urpfarren) quellenmäßig auf die Karolingerzeit zurückgeführt werden®^: St. Pölten (Pfarre Tegernsees um 800), eine Kirche Kremsmünsters im Grunzwitigau (828, Oberwölbing?), eine Kirche an der Persch ling (834, Schenkung des Grenzgrafen Wilhelm an Regensburg), Kirchbach-St. Andrä vor dem Hagenthaie (836, Schenkung Ludwigs des Deutschen an Passau), eine von Salzburg erbaute Kirche an der Ybbs (837, St. Martin auf dem Ybbsfeld?, St. Rupert in Winklarn?). Mit Ausnahme der letztgenannten liegen alle diese Kirchen gegen den Wienerwald zu; vom Westen des Landes, dem altbairischen Siedlungsgebiet, hören wir gar nichts. Als Kirchen inhaber erscheinen die Bistümer Regensburg und Salzburg, die Klöster Kremsmünster und Tegernsee. Passau, das zuständige Bistum, schien nur die einzige Kirche Kirchbach erhalten zu haben, im übrigen aber völlig leer ausgegangen zu sein. Diese sehr auffallende Situation charakterisiert H. Wolf in den Erläuterungen zur Pfarrkarte von Niederösterreich: „Von einer Pfarrorganisation im 9. und 10. Jahrhundert ist uns für das Land Niederösterreich nichts Andrä) samt Zugehör, mit der später das Amt Zeiselmauer-Königstetten verbunden war (H. Wolf, S. 112). Den Besitz „an der Leitha neben der Quelle Schönabrunn" erhielt Passau „im gleichen Umfang, wie ihn einst Theodericus besaß", womit gleichfalls eine feste Abgrenzung gegeben ist. Auch über dieses Besitzstück stellte Ludwig der Deutsche dem Bistum 833 eine eigene Urkunde aus. Bei allen übrigen „Orten" von 823 fehlen solche Grenzbestimmungen; diese „loca" werden ganz allgemein „cum omni integritate, cum omnibus pertinentibus", also wohl mit der üblichen Pfarrausstattung, verliehen. — Mit der Doppelbestätigung von Zeiselmauer/Kirchbach und Leitha/Schönabrunn hängt anscheinend das Fehlen dieser beiden Besitzstücke in der zweiten Fassung der Urkunde von 823 zusammen. Wenn wir — nur vom Inhalt her — richtig sehen, wäre die erste Fassimg das Original der Bestätigungsurkunde Ludwigs des Frommen, die zweite Fassung eine spätere Anfertigung, in die Zeiselmauer/ Kirchbach und Leitha/Schönabruim nicht mehr aufgenommen wurden, weil über sie ohnehin eigene Urkunden vorlagen, Linz und St. Florian jedoch neu eingefügt wurden, weil Passau über sie keine Schenkungsurkunden besaß. Die zweite Fassung könnte beim Regierungsantritt Pilgrims (971) hergestellt worden sein, bevor König Otto im Jahre 976 dem Bistum Passau den Besitz von St. Florian (mit jenem von St. Pölten und Kremsmünster) ausdrücklich bestätigte. »a H. Wölfs. 9-11.

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