Pfeffer: Mühlviertel in der Frühzeit die Bewohner dieses Landes dem christlichen Glauben zuführte, indem er auch in dieser Provinz zahlreiche Kirchen erneuern oder von Grund auf neu errichten ließ (et renovare et a fundamentis construi faceret)". Angesichts der Dürftigkeit (devastatio et inopia) des Bis tums Passau schenkte er diesem „gewisse Orte": in der „Awarenprovinz" Schönabrunn an der Leitha, im „Hunnenland" Zeiselmauer, Traismauer, „Wachau", „Pielach", Naarn, Ried, Aschbach, Wolfeswang (Wolfsbach), „Erlaf", und in Ardagger und Saxen je zwei „Basiliken". Nach dem Tode des Kaisers versuchten die Markgrafen, diese „Orte" dem Bistum zu entfremden und sich anzueignen. Ludwig der Fromme erhob mit dem Markgrafen Gott fried und „den Richtern jener Provinz", d. i. des Ostlandes, den Rechtszustand, bestätigte Passau den Besitz dieser „Orte" und stellte über Bitten des Bischofs Reginher darüber eine Urkunde aus. Die erste (längere) Fassung der Urkunde enthält genauere Angaben bzw. Grenzbeschreibungen der Güter in Schönabrunn und Zeiselmauer, die zweite (kürzere) Fassung als Zusatz die „Zelle St. Florian mit Linz", die in der ersten Fassung fehlt; hingegen findet sich in der zweiten Fassung nicht der Grundbesitz in Schönabrunn und Zeiselmauer. Die Aufzählung der „Orte" erfolgt von Ost nach West, sie geht von Schönabrunn über Zeiselmauer (östlich von Tulln) und die Wachau ins Pielachtal, nennt dann nördlich der Donau Naarn und Ried, südlich der Donau Aschbach, Wolfsbach und das Erlaftal. Außer halb der Reihe, aber auch in der Richtung Ost-West, stehen zum Schluß Ardagger und Saxen, die eine Ausnahmestellung einnehmen, weil hier je zwei Kirchen genannt sind. Uber diese Urkunde gibt es eine ganze Literatur, die zu dem heute ziemlich allgemein aner kannten Schluß kam, daß beide Fassungen nicht nur formell, sondern auch dem Inhalt nach unecht sind®®. Die Untersuchungen gingen dabei von der Annahme aus, daß unter den genannten „Orten" — außer Ardagger und Saxen — Grundschenkungen Karls an das Bistum Passau zu verstehen seien. Da aber an den erwähnten Plätzen, außer in Schöna brunn und Zeiselmauer, im 9. Jahrhundert Passau nicht als Grundherr nachweisbar ist, vielmehr hier urkundlich ganz andere Grundbesitzer auftreten (Traismauer: Salzburg; Wachau: Niederaltaich; Pielachtal: Niederaltaich und Herrieden; Ybbs und Url: Niederal taich und Salzburg; Naarn und Erlaftal: Grenzgraf Wilhelm bzw. Bistum Regensburg usw.), ergab sich die Meinung, daß Passau durch diese gefälschte Urkunde Besitzrechte geltend zu machen versuchte, die es nie innegehabt hatte. Der im Dokument von 823 dargestellte Rechtsvorgang gilt daher nicht als erwiesen. Doch ist bisher offenbar ganz unbeachtet geblieben, daß die Schenkung Karls des Großen nichts anderes bezeugt als den Aufbau der ältesten Pfarrorganisation in Ostober österreich und Westniederösterreich, die Errichtung der Urpfarren in diesen Gebieten, die Karl der Große nach der Eroberung Awariens (791/96) vollzog. Das besagt schon der textliche Aufbau der Urkunde, die sich in der Einleitung mit der Kirchenbautätigkeit und den Missionierungsabsichten des Kaisers befaßt und damit den Anlaß der Schenkung be reits mit dem richtigen Namen nennt: der Kaiser wollte die Bewohner des neu angegliederten Reichsgebietes der christlichen Religion gewinnen, und zwar in der Weise, daß er viele Kirehen errichten ließ und gewisse „Orte" an Passau übertrug. Die zweite Fassung sagt kürzer I. Zibermayr, Baiern, Noricum und Österreich' S. 328 f., H. Ferihumer, Erläuterungen zum Historischen Atlas der österreichischen Alpenländer, Kirchen- und Grafschaftskarte Oberösterreich (1956) S. 504; M. Vancsa, Geschichte Nieder- vmd Oberösterreichs 1 (1905) S. 144 ff.
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