OÖ. Heimatblätter 1960, 14. Jahrgang, Heft 1

Oberösterreichische Heimatblätter deutlich sichtbar werdende Westorientierung des oberösterreichischen Verteidigungsappara tes dazu beigetragen, daß das Legionslager der II. Legion, des „oberösterreichischen Haus regimentes", wahrscheinlich unter Septimius (205), von Albing nach Lorch verlegt wurde? Meist wird eine Hochwasserkatastrophe der Donau als Grund dieser Lagerverlegung an gesehen. Konnte aber nicht die steigende Gefahr aus dem Westen, die fortan die Enns zu einer wichtigen Verteidigungslinie machte, dazu gedrängt haben, die Legion unmittelbar an den gemeinsamen Ennsübergang aller von Rätien durch Norikum nach Pannonien führenden West-Ost-Straßen zu verlegen? Rätien und Westnorikum bildeten jetzt eine tiefgestaffelte Abwehrstellung gegen Westen, gegen die Alemannen und Thüringer. Ihre Verteidigung oblag in Rätien und Ufer-Norikum ob der Enns italischen Elitetruppen, wie sie seit jeher auch an der Carnuntiner Front ein gesetzt waren; hingegen stand in dem am wenigsten gefährdeten Abschnitt zwischen der Enns und dem Wienerwald eine aus Einheimischen gebildete Truppe, die 1. norische Legion. Wie bald sich diese Abwehrmaßnahme zu bewähren hatte, beweisen die Alemanneneinfälle des 3.-5. Jahrhunderts in Rätien und im westlichen Norikum, die sich donauabwärts über Passau bis nach Lorch erstreckten. Solche Einfälle sind bezeugt unter Kaiser Gallienus (253—268) im Jahre 256 („Rätien verloren, Norikum und Pannonien verwüstet"); damals fiel auch der rätisch-obergermanische Limes. Unter Kaiser Aurelian (270—275) drangen die Alemannen bis Lorch vor; nicht nur die Zivilstadt brannte, sondern auch die Festung selbst trug schwere Schäden davon'®. Über einen mißglückten Überfall der Barbaren auf Lorch zur Zeit Severins berichtet Eugippius'^. In dieser bewegten Zeit, da sich die Römer herrschaft an der Donau dem Ende zuzuneigen begann, erweisen die zahlreichen KaiserReisen und Truppendurchzüge durch üfernorikum'® dessen gehobene Bedeutung als Glied der großen römischen Rochadelinie zwischen dem Rhein und der unteren Donau. Infolge der nach Westen gerichteten Abwehrfront Westnorikums erübrigte sich an der ober österreichischen Donau jedenfalls eine Sicherheitszone am nördlichen Stromufer, wie sie der von Kaiser Commodus (180 — 192) mit den Germanen abgeschlossene Vertrag für den niederösterreichischen Limes festlegte, wo Rom damals die transdanubischen Kastelle den Germanen überließ. Im Mühlviertel war diese Vertragsbestimmung von vornherein nicht aktuell, sie hat daher nicht etwa den Brückenkopf von Urfahr zum Römerreich gebracht. Am Nordufer der oberösterreichischen Donau saßen keine feindliche Germanenstämme, sondern hier wohnte friedliche keltische Bevölkerung. Mit deren Zugehörigkeit zum Römerreich hängen wohl die — im Vergleich zum Raum oberhalb von Regensburg und unterhalb von Krems — sehr spärlichen Römerfunde des Mühlviertels zusammen'®. Römische Münzen aus der Zeit von Pompeius bis Konstantins II. (337 — 361) wurden im Mühlviertier Altsiedelgebiet, so bei Landshag, Ottensheim, Urfahr, Steyreck, Gusen, Engerwitzdorf, Naarn, Baumgartenberg, gefunden. Die weiter nördlich gelegenen Münzfunde (St. Veit, Freistadt, " R. Noll S. 19. Vita s. Severini XXX. " 341: Kaiser Constantius in Lorch; 361: Marsch Kaiserjulians durch Oberösterreich; 375 Kaiser Valentinianl,. 378 Kaiser Gratian in Lorch. R. Noll S. 20. " R. Noll S. 22 (Altenberg), 27 (Baumgartenberg), 34 (Engerwitzdorf), 35 (Freistadt), 36 f. (Grein-St. Nikola), 46 (Langenstein), 52 (Urfahr), 57 (Naarn), 60 (Ottensheim), 69 (St. Martin i. M.), 71 (St. Veit i. M.), 77 (Steyregg), 85 (Weitersfelden).

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