OÖ. Heimatblätter 1960, 14. Jahrgang, Heft 1

Pfeffer: Mühlviertel in der Frühzeit germanische Stämme vereint die Donaulinie im Wiener Becken durchbrachen und durch Westungarn, die Steiermark, Krain und Istrien bis Aquileja und Verona vordrangen. Erst als die gesamte Germanenfront von Gallien bis Illyrien in Bewegung geraten war, mußte Rom sein Verteidigungssystem in Rätien und Norikum verstärken. Es ist aber auf oberösterreichischem Boden auch jetzt offensichtlich nicht, wie man zunächst vermuten könnte, nach Norden, sondern nach Westen gerichtet, wo von nun an in steigendem Maße Einfälle der Alemannen, Thüringer und Heruler in den Donauraum drohten. Nunmehr wurde die III. italische Legion nach Regensburg, die II. italische Legion nach Albing bezw. Lorch verlegt. Zu Beginn des S.Jahrhunderts läßt Kaiser Caracalla (211—217) als Reichs straßenverbindung zwischen den beiden neuerrichteten Legionslagern Lorch und Regens burg den Straßenzug Lorch-Eferding-Schlögen-Engelhartszell-Passau erbauen. Die Führung dieser römischen Reichsstraße im Donauengtal Eferding-Passau — als Vorläuferin der heu tigen Nibelungen-Bundesstraße — ist bekanntlich seit langem heftig umstritten, nicht zuletzt deswegen, weil dieser Straßenzug vermeintlich durch die Germanen am linken Donauufer bedroht war und „Feindeinsicht" hatte. Aus diesem Grunde hielt man auch die römischen Stützpunkte an dieser Straße für Abwehrstellungen gegen Norden, etwa jenen von Oberranna für die Sperre einer im Rannatal (in der einsamen Waldschlucht des „Verlorenen Reiths"!) angenommenen Einfallslinie der Germanen. Doch war diese „Limesstraße", die durch den südlichsten Ausläufer des Nordwaldes führte, angesichts der Nordwald-Grenze ebenso eine „Binnenstraße" wie der Straßenzug Lorch-Wels-Salzburg®®. Das offenbar zusammen mit der Straße errichtete Kastell Schlügen hatte diesen Straßenzug, der natürlich nicht nur den Römern die Möglichkeit schneller Truppenbewegungen entlang der Donau, sondern zu gleich den Germanen eine brauchbare Einfallstraße bot, unmittelbar vor seinem Austritt aus dem Granitmassiv in den oberösterreichischen Zentralraum abzuriegeln. Zur selben Zeit hat man, wie die Inschriften zahlreicher Meilensteine erweisen'®, auch die Straße LorchSalzburg und die Straße über den Radstädter Tauern, wahrscheinlich auch die Pyhrnstraße, gründlich überholt. Wels, der Knotenpunkt zweier römischer Reichsstraßen Oberösterreichs, nämlich der Binnenstraße Wien-Lorch-Wels-Salzburg-Augsburg (Ost-West-Verkehr) und der Alpenstraße Lorch - Wels - Pyhrn - Neumarkter Sattel - Aquileja, (Nord-Süd-Verkehr), aber auch der Treffpunkt der westöstlich gerichteten Nebenwege der breiten Verkehrspforte zwischen Passauer Wald und Hausruck, Passau-Haag-Lambach-Wels, Passau-TrattnachtalWels'i, wurde vermutlich unter Caracalla durch den Bau einer turmbewehrten Stadtmauer zur befestigten Stadt erhoben, in der wohl auch eine Garnison lag'®. Vielleicht hat diese so einzelner örtlicher Befunde einmal eine genaue Überprüfung in größerem Zusammenhang, um mit Sicherheit sagen zu können, wie sehr das Land mittelbar oder unmittelbar unter den Kriegsereignissen zu leiden hatte". — Lentia: „Ob der Ort unter den Markomannenkriegen zu leiden hatte, ist nicht sicher erweisbar". — Ovilavis: „Unmittelbare Bedrohung der Stadt durch die Markomannenkriege nicht erwiesen; nicht schon auf die Markomannenkriege wird es zurückzuführen sein, daß Ovilava durch eine turmbewehrte Mauer zur befestig ten Stadt gemacht wurde". — Mit den Markomanneneinfällen wird der Münzschatzfund (Münzen bis 167 n. Chr.) von Spital a. P. in Verbindung gebracht (R. Noll S. 74); dazu unsere Anm. 64. " Die Liraesstraße (in letzter Zeit meist in der Richtung über Wels-Scharten-Eferding-Passau gesucht) soll demnächst ausführlich behandelt werden. S. Anm. 64. J. Deringer, Die römischen Meilensteine der Provinz Noricum, Festschrift f. Rudolf Egger (1953) S. 286—314. Römerfunde an diesen Straßen: R. Noll, Übersichtskarte. " R. Noll S. 61 (Ovilavis).

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