OÖ. Heimatblätter 1960, 14. Jahrgang, Heft 1

Oberösterreichische Heimatblätter Gegend nördlich von Budweis bzw. nach Znaim und an die Marchmündung, während es bis zur Donau bei Linz nur rund 130 Meilen oder 200 Kilometer sind. Diese — allerdings recht allgemein gehaltenen — Grenzangaben treffen also auf den Grenzsaum des Nord waldes, gegebenenfalls auf die niederösterreichische Donau, somit auf die tatsächlichen Südgrenzen Markomanniens, aber nicht auf die oberösterreichische Donau zu. Dem Sinne nach darf der Bericht des Velleius viel eher als die erste Erwähnung der heutigen Nordgrenze Oberösterreichs am Böhmerwald gewertet werden! Auf diese Grenze bezieht sich auch Tacitus, wenn er vom Nordwald als der „Stirn Germaniens" spricht. Nachrichten über eine spätere Vorschiebung der Südgrenze Germaniens über den Nordwald an die ober österreichische Donau liegen nicht vor, während es über das Ringen um die niederösterrei chische Donau-Grenze genug grenzgeschichtliche Dokumentationen gibt. Frühmittelalterliche Quellen, die wiederholt das Land der „Boemani" nach „Germanien" verlegen®®, halten die germanische Grenze am Böhmerwald insofern fest, als das Mühlviertel nie zu Böhmen oder zum böhmischen Siedlungsbereich zählte. Die oberösterreichische Donau war also nicht Grenzstrom Germaniens, vielmehr schloß der Nordwald (Böhmerwald, Weinsberger Wald) den germanischen Hoheitsbereich im Süden ab; das Mühlviertel zählte, will man es nicht als „Niemandsland" ansehen, zum römischen Reichsgebiet. Auf niederösterreichischem Boden reichte Germanien zwar an die Donau heran, doch bildete diese auch hier insofern nicht die starre nördliche Reichsgrenze Roms, als zeitweise ein mehr oder minder tiefer Gebietsstreifen jenseits des Stromes zum römischen Ver teidigungssystem gehörte. Bis an die Donau erstreckte sich das voll ausgebaute römische Städte-, Garnisons- und Straßennetz, und in diesem Sinn kann die Donau als „Grenze" (Norikums und des Reiches) gelten. Doch waren nördlich der Donau durch die natürlichen Grenzverhältnisse das Mühlviertel, durch die römischen Verteidigungsanlagen das nieder österreichische Weinviertel mit einem schmalen südlichen Streifen in den römischen Macht bereich eingegliedert. Im 8. Jahrhundert bezeichnet, wie schon erwähnt, Paulus Diakonus die Donau als Nord grenze „Norikums", unter dem nun „Baiern" (als Siedlungsraum!) verstanden ist. Der Raumbegriff „Norikum" = Baiern des Paulus deckt sich aber nur teilweise mit jenem der einstigen römischen Provinz Norikum. Nur die Ost- und Südgrenze stimmen im wesentlichen überein, hingegen verläuft die Westgrenze „Norikums" (— Baierns!) gegen Schwaben nicht wie jene des römischen Norikum am Inn, sondern am Lech, seine Nordgrenze gegen Böhmen am Böhmerwald, gegen das Mährische Reich knapp nördlich bzw. an der nieder österreichischen Donau. Wenn also Paulus als Nordgrenze von „Norikum" = Baiern die Donau angibt, „generalisiert" er ebenfalls den Grenzbegriff, wohl deswegen, weil die staat lichen Einheiten und Grenzen damals noch nicht klar und endgültig ausgeprägt waren (vgl. S. 22) und weil auch das bairiscbe Siedlungsgebiet — im Vergleich zum Gesamtraum des bairischen Stammes — nicht allzuweit über die Donau ausgriff. Eigentlich sollten aber, nach dem Muster von Schwaben, Italien und Pannonien an der West-, Süd- und Ostgrenze, an der Nordgrenze die Länder Böhmen und Mähren angegeben werden. 68 \Y. Wegener, Böhmen/Mähren und das Reich im Hochmittelalter (1959) S. 28: Boemani qui. . . Germaniam incolunt (Einhard); est locus in partibus Germaniae . . . quem incolae Sclavoniam cognomine dicimt (Adal berts-Vita des Canaparius, um 1000 n. Chr.).

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