Pfeffer: Mühl viertel in der Frühzeit zerstörten Stade Donaurätiens (Künzing, Passau) sich in Lorch gesammelt hatte, versuchte der Rugenkönig Fewa, diese Romanen unter dem Vorwand, sie vor den Barbaren schützen zu wollen, über die Enns nach Niederösterreich abzuführen und in den ihm tributpflichtigen Römerstädten anzusiedeln, und zog zu diesem Zweck gegen Lorch®^. Dieser — von Severin abgewehrte — Versuch wäre vermutlich überflüssig gewesen, wenn sich der Hoheitsbereich der Rügen auch auf Oberösterreich, auf Lorch und das gegenüberliegende Mühlviertel, erstreckt hätte. Die Notiz über das Passauer Handelsprivileg im Rugenland bezieht sich daher auf den alten Handelszug Passau — Mautern (Favianis) — Mähren, der uns auch in der Zollordnung von Raffelstetten wieder entgegentritt. Auch die Bodenfunde liefern keinen Nachweis germanischer Siedlung im Mühlviertel. Die Funde der Markomannen und Quaden in Nordniederösterreich reichen im Weinviertel südwärts bis zur Donau, westwärts bis an den Ostabfall der Böhmischen Masse, wo sie, genau wie die Funde der urgeschichtlichen Perioden, sehr deutlich an der 400-m-Linie Halt ma chen; das Waldviertel ist wiederum fast fundleer®^. Diese Fundverteilung läßt erkennen, daß die Markomannen die keltische Vorbevölkerung des Weinviertels, die Rakaten, überschich teten. Die germanische Siedlung in Nordniederösterreich ist auch quellenmäßig belegt®®. Im Mühlviertel sind bisher keine Markomannen- oder sonstige Germanenfunde zutage getreten®^. Im Hinblick auf den Bericht des Tacitus über die Erdhöhlen der Germanen hielt man einen Zusammenhang der zahlreichen Erdställe des Mühlviertels mit germanischer Besiedlung für möglich; diese Theorie mußte jedoch wieder aufgegeben werden®®. Übrigens befinden sich diese Anlagen im Mühlviertel durchwegs außerhalb der in römisch-germani scher Zeit dichter besiedelten Räume, so daß sie auch aus diesem Grunde einer späteren Besiedlungsperiode (Karolingerzeit?) zuzuweisen sind. Unter der Annahme der Zugehörigkeit des Mühlviertels zu Germanien — es wäre der am frühesten „germanisch" gewordene Teil Oberösterreichs gewesen! — wurde es für möglich gehalten, daß eine Reihe von Flußnamen des Mühlviertels, so die Gusen, Naarn, Mühl, Rotel, auf germanische Wurzel zurückgehen®®; ein sicherer Nachweis ist jedoch in keinem Falle gelungen. Während wir demnach keine Belege für die Zugehörigkeit des Mühlviertels zu Germanien finden, besitzen wir einen Nachweis, daß sich das Markomannenreich Marbods nach Süden wohl bis zur niederösterreichischen, aber nicht bis zur oberösterreichischen Donau erstreckte, sondern hier den Nordwald nicht überschritt. Velleius Paterculus berichtet, daß „der An fang der Grenzen des Reiches Marbods" (d. h. die Südgrenze Markomanniens), nicht viel mehr als 200 Meilen, also rund 300 km, „von den Alpenpässen entfernt war, die Italiens Grenze bezeichnen®''". Mit dieser Entfernung kommt man von den Karawanken bis in die Eugippius, vita s. Severini XXXI. Atlas von Niederösterreich, Karte: Quaden luid Markomannen (H. Mitscha-Märheim, 1952). E. Swoboda. F. Stroh, Heimatgaue 14 (1933) S. 94. Zur Erdstallfrage vgl. die Untersuchimgen von F. Stroh; Heimatgaue 1 (1919/201 S. 85—88; Erdställe im Mühlviertel, Heimatgaue 4 (1923) S. 43—53; Neue Erdställe im Mühlviertel, Heimatgaue 14 (1933) S. 91 —112. 58 Vgl. E. Schwarz, Die Ortsnamen des östlichen Oberösterreich (1926) S. 36 f. (Gusen),44 f. (Naarn), 68 f. (Mühel), 99 f. (Rodl), mit Verweisen auf das sonstige Schrifttum. quippe cum a summis Alpimn iugis, quae finem Italiae terminant, initium eius finium haud multo plus ducentis milibus passuum abesset. Velleius Paterculus 11 109.
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