OÖ. Heimatblätter 1960, 14. Jahrgang, Heft 1

Pfeffer: Mühlviertel in der Frühzeit weitgehend zum Erliegen gekommen ist. Das Mühlviertel ist gegenwärtig vorwiegend Durchgangsland des Verkehrs zwischen Oberösterreich, Niederösterreich und Bayern. Eine parallele Entwicklung zeigt die Eisenbahngeschichte des Mühlviertels. Alte Nord-SüdLinien führen von der Traunmündung (Linz) und von der Ennsmündung (St. Valentin) nach Böhmen; eine jüngere Ost-West-Linie läuft von der Ennsmündung (Mauthausen) donauabwärts. Die Mühlkreisbahn erhielt keinen Anschluß an das böhmische und bayerische Liniennetz, so daß auch hier wieder der natürliche Vorrang der Gusen-Aist-Senke vor der Mühlsenke sichtbar wird. Da die Linie Gaisbach-Wartberg—St. Valentin, einst ein Teilstück der Verbindung Prag—St. Valentin—Selzthal—St. Michael—Triest, seit langem außer Be trieb ist, hat sich auch das Eisenbahnnetz des Mühlviertels weitgehend auf Linz ausgerichtet; die Einbindung der Donauuferbahn nach Linz bleibt offensichtlich durch die Gelände schwierigkeiten bei Mauthausen ausgeschlossen. So reich an interessanten Einzelheiten die Verkehrsgeschichte des Mühlviertels auch sein mag, so bedeutungsvoll das Mühlviertel im Verband der Verkehrslandschaft Oberösterreich auch in Erscheinung tritt, so wenig erreichen die oberösterreichischen und damit auch die Mühlviertler Nord-Süd-Wege den Rang jener Nord-Süd-Linien, die der Richtung der alten „Bernsteinstraße" durch das Wiener Becken folgen oder über die bairische Hochebene und über die Alpenpässe Salzburgs und Tirols nach Süden führen. Wie der Nordwald als Grenze das Mühlviertel aus dem geographisch gegebenen und historisch immer wieder wirksam werdenden Raumzusammenhang Böhmen—Mähren—Niederösterreich ausschloß, so lenkte er als Verkehrshindernis den Hauptverkehr zwischen Böhmen und der Donau seit altersher in den Raum von Wien. Der Vorrang der Nord-Süd-Wege durch das Wiener Becken steht für die Römerzeit außer Zweifel: Carnuntum war der wichtigste Donauhandels platz zwischen dem Römerreich und Germanien^*. Später sehen wir die „Linzer" und die „Wiener Routen" wiederholt in lebhaftem Wettbewerb. In der Karolingerzeit genießen die oberösterreichischen Linien einen deutlichen Vorzug als östlichste, von den Auseinandersetzun gen an der Reichsgrenze nicht berührte Verkehrslinien des Reiches nach Böhmen: 805 ist Lorch östlicher Grenzhandelsplatz des Reiches^®, hundert Jahre später zeigt uns die Zollordnung von Raffelstetten die Bedeutung der Mühlviertler Handelswege. Im 12. Jahrhundert dient Enns als wichtiger Umschlagplatz des Regensburger Handels nach Böhmen — an der Straße Enns-Böhmen entwickelt sich jetzt mit Freistadt die bedeutendste Handelsstadt des Mühlviertels^® — und noch im 14. Jahrhundert sind landesfürstliche Verordnungen nötig, um den Verkehr zwischen Böhmen und Italien zugunsten der Linien über Wien und den Semmering von der kürzeren „Linzer Route" Prag-Linz-Venedig, der „Straße über die Zeiring" (Rottenmanner Tauern), abzulenken®'. Ein letztes Mal wird dieser Wettbewerb in den Projekten eines Elbe-Donau-Kanals im 18. Jahrhundert und in der zwiespältigen Frühge schichte des österreichischen Eisenbahnwesens®® sichtbar: Der erste österreichische und E. Swoboda, Carnuntum' (1958) S. 80 ff. Kapitulare Karls des Großen „de negotiatoribus qui partibus Sclavorum et Avarorum pergunt"; Mon. Germaniae Capit. 1 S. 123. " F. Pfeffer, Das Land ob der Enns (1958) S. 25. " A. Hoffmann, Der oberösterreicbische Städtebund im Mittelalter. Jb. d. Oö. Mus. Ver. 93 (1948) S. 121 — 126. " F. Pfeffer, Oberösterreichs erste Eisenbahnen. Oö. Heimatblätter 5 (1951) S. 97—181.

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