Oberösterreichische Heimatblätter Wesentlich anders als in Nordoberösterreich stellen sich die von der Natur vorgezeichneten Grenzverhältnisse im nordniederösterreichischen Raum dar. Die zur Marchebene abdachende südöstliche Gebirgsumrahmung des „Böhmischen Vierecks" biegt bei Krems senkrecht von der Donau nach Norden bzw. Nordosten ab. Die Tieflandschaft der March und ihrer Zuflüsse bildet mit dem Wiener Becken und Westungarn einen natürlichen Raumzusammenhang^®, der von Olmütz bis zum Alpenostrand und bis zum Bakonywald reicht. Da die Böhmisch-Mährischen Höhen, die sich nicht viel über 800 m erheben, infolge ihrer geringeren Höhe und Bewaldung und ihrer leichteren Verkehrsdurchgängigkeit viel weniger trennend wirken als etwa der Nordwald, ist in diesen Raumzusammenhang auch noch Böhmen ein bezogen. Diese Raumgliederung fügt eine entscheidende Linie in die mitteleuropäische Verkehrslandschaft ein: von der Ostsee verläuft durch die Mährische Pforte und durch die Marchebene ein seit ältester Zeit benützter Nord-Süd-Weg („Bernsteinstraße") an die Donau; vom Wiener Becken setzt er sich am Alpenostrand durch Westungarn, Steiermark, Krain und Istrien nach Italien fort. An dieser Nord-Süd-Achse vermochten die von BöhmenMähren ausgehenden Siedlungsräume und staatlichen Bildungen südwärts bis ins nördliche Niederösterreich auszugreifen. Erst die Donau war als bedeutendstes Hindernis eine mar kante Scheidelinie, an die sich auch die politischen Grenzen knüpften. War das oberöster reichische Mühlviertel durch das Landschaftsrelief von vornherein dem oberösterreichischen Zentralraum, dem Traungau, zugeordnet, so ist eine so eindeutige Bindung der transdanubischen Landesviertel Niederösterreichs, des Wein- und Waldviertels, an den niederösterreichi schen Zentralraum, an das Wiener Becken, nicht gegeben. Das klare und endgültige Ab rücken der politischen Grenzen von der niederösterreichischen Donau weiter nach Norden vollzog sich erst im lO./l 1. Jahrhundert mit der Festigung der Nordgrenze Niederösterreichs an der Thaya. Die natürlichen Raumzusammenhänge weisen somit der Donau eine differenzierte Grenz funktion zu. Nach dem Austritt des Stromes aus der Böhmischen Masse, also vom unteren Ende der Wachau (Krems) ab, in noch höherem Maße zwischen Alpenbogen (Wienerwald) und Karpathen, in der offenen Tieflandschaft Marchfeld (Weinviertel) — Wiener Becken — Westungarn, an der Kreuzung von „Bernsteinstraße" und Donau, ist die Grenzeigenschaft der Donau unverkennbar ausgeprägt. Im Bereich der Böhmischen Masse jedoch, also im Stromabschnitt von Krems aufwärts bis Regensburg, gibt die Donau ihre Rolle als Hindernis und Grenze ebenso unverkennbar an das parallel zum Strom verlaufende Waldgebirge des Nordwaldes ab. Dessen Hauptkämme, Böhmerwald und Weinsberger Wald, streichen in Nordwest-Südost-Richtung, und der Weinsberger Wald mit seinen letzten bedeutenderen Erhebungen (Jauerling bei Spitz 959 m, Sandl bei Krems 722 m, Mühlberg bei Spitz 712 m) tritt gerade dort an die Donau heran, wo diese nach ihrem auf oberösterreichischen Boden durch das Ineinandergreifen von Alpenvorland und Massiv recht unruhig gestalteten und schließlich ab Ybbs nach Nordosten weisenden Stromlauf ebenfalls wieder in die klare und eindeutige Nordwest-Südostrichtung einschwenkt. Damit ergibt sich eine bruchlos zu sammenhängende Grenzscheide zwischen Nord und Süd: die Nordwald-Grenze Regensburg — Krems setzt sich in der Donau-Grenze von Krems abwärts in gerader Linie fort. W. Wegener, Böhmen/Mähren und das Reich im Hochmittelalter (1959) S. 1—6.
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