Oberösterreichische Heimatblätter Herausgegeben vom Institut für Landeskunde von Oberösterreich Schriftleiter: Dr. Franz Pfeffer Jahrgang 14 Heft 1 Jänner - M ärz 1960 Inhalt Seite Franz Pfeffer: Zur geschichtlichen Stellung des Mühlviertels in der Frühzeit 1 Franz Aschauer: Aus der Geschichte der oberösterreichischen Eisenbahnen . 37 Engelbert Koller: Ein kaminloses Rauchküchenhaus 55 Schrifttum Buchbesprechungen 82 TJmschlagbild Mitteltrakt des Aufnahmsgebäudes der Westbahn in Linz. Lichtbild um 1865 (Besitz Dr. Ambos, Linz) Zuschriften an die Schriftleitung (Manuskripte, Belegstücke): Dr. Franz Pfeffer, Linz a. d. D., Bahnhofstraße 16, Ruf 26 8 71 Zuschriften an den Verlag (Versand, Abonnement- und Einzelbestellungen): Institut für Landeskunde von Oberösterreich, Linz a. d. D., Bahnhofstr. 16, Ruf 26 8 71 Druck: Oberösterreichischer Landesverlag, Linz a. d. D. J
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Jahrgang 14 Heft 1 Jänner-März 1960 Zur geschichtlichen Stellung des Mühlviertels in der Frühzeit Von Franz Pfeffer (Linz) I. Die geschichtsbestimmenden Züge der Landschaft 1. Relief, Klima, Pflanzendecke Das Mühlviertel macht — zusammen mit nördlichen Teilgebieten des Inn- und Hausruck viertels — den Anteil Oberösterreichs an dem Waldgebirge aus, das als südwestlicher Rand wall des „Böhmischen Vierecks" die Donau von der Naab-Furche bei Regensburg bis zum Kamp bei Krems begleitet. Der zum Land Oberösterreich zählende Teil dieses Waldgebirges, das in der Antike „Hercynia", bis tief ins Mittelalter „Nordwald" hieß, ist dem räumlichen Umfang nach bescheiden, aber deswegen bedeutungsvoll, weil die Hauptkämme des Nord waldes hier der Donau und dem Alpenbogen am nächsten kommen. Die Südabdachung des Nordwaldes weist im Mühlviertel eine sehr charakteristische Glie- Karte 1 derung auf. Vom Hauptkamm, dem Böhmerwald (Plöckenstein 1378 m, Sternstein 1125 m) und Weinsberger Wald (Viehberg 1111 m, Weinsberg 1039 m, Ostrong 1060 m), stoßen die Höhenrücken des Passauer Waldes (Frauenwald 948 m, Ameisberg 945 m, Haugstein 876 m), des Linzer Waldes (Schallenberg 950 m, Hansberg 850 m. Breitenstein 955 m, Lichtenberg 926 m, Koglerau 680 m, Kürnberg 525 m, Magdalenaberg 663 m, Breitlüsser Wald 866 m, Heimetzeder Berg 921 m) und des Greiner Waldes weit nach Süden ins Alpenvorland vor; ihre südlichsten Ausläufer werden von der Donau durch brochen. Umgekehrt greift das Alpenvorland mit dem nördlichen Eferdinger Becken, auch „Wörth" genannt, und dem Machland über den Strom hinweg nach Norden aus; von diesen Donauebenen setzen sich die Senkenlandschaften der Mühl- und der Gusen-Aist-Senke bis zu den Hauptkämmen des Nordwaldes fort. Dieses Ineinandergreifen von Alpenvorland und Granitmassiv erleben wir sehr eindrucksvoll bei einer Donaufahrt durch Oberösterreich: die einsamen, walddunklen Stromschluchten im Massiv wechseln mit weiten Stromebenen, in die von Süden her die Alpen blicken. Ein Beispiel dieser engen Verzahnung der beiden Großlandschaften bietet auch der Stadtraum der Landeshauptstadt Linz, der im Westen, Norden und Osten von den Randbergen des Massivs umschlossen und gegen Süden durch die Traunebene in das Alpenvorland eingebunden ist. Dieser Aufbau des Landschaftsreliefs bewirkt hinsichtlich der klimatischen Verhältnisse und der Pflanzendecke eine Übereinstimmung beträchtlicher Teile des Mühlviertels mit dem Alpenvorland Oberösterreichs, selbst mit dessen von Natur aus am meisten begünstigten Gebiet zwischen Hausruck-Passauer Wald und der unteren Enns, dem eigentlichen Zentral-
Oberösterreichische Heimatblätter räum des Landes. So weisen die Donauebenen des Mühlviertels und ihr unmittelbares Hinterland, vor allem das Gallneukirehener Becken, die gleiche mittlere Jahrestemperatur (8—9 Grad) auf wie das oberösterreichische Zentralgebiet. Die Zone der mittleren Jahres temperatur von 7—8 Grad, die das übrige Alpenvorland Oberösterreichs umfaßt, reicht in der Mühl- und Gusen-Aist-Senke tief ins Granitmassiv hinein und umschließt noch den Raum von Haslach und Freistadt. Erst die Hochlandschaften des Böhmerwaldes, des Passauer, Linzer und Weinsberger Waldes zeichnen sich als Bezirke eines wesentlich rauheren Klimas ab^. Ein ähnliches Bild zeigen die naturgesetzlichen Einheiten der Pflanzendecke^. Der „Zwischen bezirk", die bis zur 400-m-Höhenlinie reichende Übergangszone vom „pannonischen" zum „süddeutsch-österreichischen Bezirk", umfaßt außer dem Zentralraum Oberösterreichs auch Teile des Mühlviertels (18,2 Prozent der Fläche®). Zum „süddeutsch-österreichischen Bezirk" (Höhenlage 400—800 m), auf den der Hauptteil des oberösterreichischen Landesgebietes entfällt, zählt auch der weitaus größte Teil des Mühlviertels (65,7 Prozent der Fläche). Dem „Bezirk der Hochgebirgswälder" (Höhenlage 800—1600/1900 m) gehört das Mühl viertel mit dem geringsten Teil seiner Bodenfläche (16,1 Prozent) an. 2. Der Nordwald Die naturgesetzlichen Einheiten der Pflanzendecke lassen Schlüsse auf die ursprünglichen, durch menschliche Eingriffe noch nicht veränderten Bewaldungsverhältnisse des Mühl viertels zu^. Die Zone unterhalb der 400-m-Linie ist der Bezirk des Eichen-HainbuchenWaldes. Nördlich dieser Laubwaldzone ist in der Mittellage von 400 bis 800 m ursprünglich ein aus Rotbuche, Stieleiche, Linde, Ahorn, Föhre, Tanne und Fichte aufgebauter Misch wald vorauszusetzen. Im „Bezirk der Hochgebirgswälder" oberhalb der 800-m-Linie geht der Mischwald allmählich in reinen Fichtenwald über; die wärmebedürftigen Arten fehlen hier. Diesen ursprünglichen Aufbau des Mühlviertler Waldes können wir auch aus den Ortsnamen ablesen. Die „Hainbuch"-Orte liegen unterhalb der 400-m-Linie. In der Höhenlage von 400—800 m kennzeichnen die vielen mit Buche, Eiche, Linde, Ahorn, Föhre, Tanne, Fichte zusammengesetzten Ortsnamen das Gebiet des Mischwaldes; die „Eichen"- und „Linden"- Namen brechen sehr deutlich an der 800-m-Linie ab. Oberhalb dieser Linie finden wir die mit „Eibe" gebildeten Namen. Nach dem Fichtenbestand ist sowohl eine der höchsten Erhebungen des Böhmerwaldes auf oberösterreichischem Boden, der Hochficht (1337 m), wie auch der höchste Berg des Weinsberger Waldes (Freiwaldes), der Viehberg (1111 m), benannt, dessen Name, wie die ältere Schreibung ähnlicher Ortsnamen erweist, richtig wohl „Fichtberg" lautet. Im „Bezirk der Hochgebirgswälder" künden vom geschlossenen Fichtenbestand auch die „Schwarzenberge", die das Mühlviertel mit dem Alpengebiet ge meinsam hat; Schwarzenberg (mons niger) heißt in älteren Quellen auch der höchste Berg des Linzer Waldes, der Breitenstein (955 m). ^ Atlas von Oberösterreich, Karte 3: Temperatur (H. Kohl, 1958). ^ Atlas von Oberösterreicb, Karte 4: Naturgesetzliche Einheiten der Pflanzendecke (Heinrich L. Werneck, 1958). ^ Zahlenwerte nach A. Hackel, Die Besiedlungsverhältnisse des oberösterreichischen Mühlviertels (1902) S. 18. ^ Atlas von Oberösterreich, Erläuterungsband zur ersten Lieferung (1958) S. 24—36 (Heinrich L. Werneck).
Pfeffer: Mühlviertel in der Frühzeit Über die Waldverteilung gibt uns auch noch eine andere Gruppe von Siedlungsnamen, die der Rodungsnamen (Schlag, Reit, Brand, Asang, Schwand, Stock u. ä.), Aufschluß. Die südliche Grenze dieser Rodungsnamen verläuft an den Süd- und Osthängen des Ameis bergmassivs nach Norden bis zur heutigen Landesgrenze bei Haslach, stößt dann am West rand des Linzer Waldes nach Süden bis Buchenau vor, weicht an dessen Ostrand nordwärts bis Freistadt zurück und erreicht, der Westabdachung des Weinsberger Wald folgend, bei Karte 5 Grein neuerlich die Donau. Südlich dieser Grenze finden sich nur einzelne Horste von Rodungsnamen, so auf der Höhenschwelle von Amreit (zwischen Neufelden und Rohrbach) und im Bereich des Pfenningberg-Hohenstein-Massivs, vor allem entlang der tief einge furchten Talläufe und an den Steilrändern des Massivs. In den außerhalb dieser Namen grenze gelegenen Teilen des Mühlviertels, in der Mühl- und Gusen-Aist-Senke, im Wörth und im Machland, hat also die Rodung bei der Anlage der Siedlungen offensichtlich keine oder doch nur eine untergeordnete Rolle gespielt; wir würden sonst auch in diesem Raum Rodungsnamen finden, die ja zum Namengut der ältesten bairischen Siedlung zählen (777 Shlegin= Schlügen, 992 Riute= Stockham bei Eberstallzell u. a.). Das Fehlen der Rodungsnamen deutet auf die lockere Bewaldung hin, soweit es nicht mit der Tatsache zusammenhängt, daß weite Teile des Mühlviertels überhaupt schon längst besiedelt waren, als die Baiern hier seßhaft wurden. Auch die Altnamen der Mühlviertler Waldgebirge grenzen den „Bezirk der Hochgebirgs- Karte 1 Wälder" sehr deutlich gegen die Zonen der aufgelockerten Bewaldung ab. Der vom 9. —13. Jahrhundert nachweisbare, zusammenfassende Name Nordwald kommt in der Hauptsache den Waldmassiven des Böhmerwaldes und des Weinsberger Waldes zu. Als Nordwald sind bezeichnet im Jahre 853 das Waldgebiet nördlich von Zell bei Zellhof®, 1125 der Wald „über Lasberg hinaus"®, 1151 und 1209 der Königswiesener Wald'. Für jenen Teil des Nord Waldes, der die Grenze Böhmens bildet, tritt seit dem 10. Jahrhundert auch der Sonder name „Böhmerwald" auf: um 905 heißt das oberösterreichisch-böhmische Grenzgebirge „Silva Boemica", 1224 das Waldgebiet nördlich von Freistadt „Boemicum nemus"®. Als „Böhmerwald", „silva Boemitica", ist im 12. Jahrhundert aber auch das Waldmassiv des Linzer Waldes bezeichnet®, das sich nicht nur durch seine Höhe, Ausdehnung und dichte Bewaldung, sondern auch durch seine siedlungsgeschichtliche Entwicklung (Spätrodungsgebiet der Waldhufendörfer!) als echter Bestandteil des Nordwaldes ausweist. Hingegen wurden die übrigen südlichen Ausläufer des Böhmerwaldes und Weinsberger Waldes, der Passauer und Greiner Wald, vom Nordwald unterschieden; sie tragen schon früh die Son derbezeichnungen „Silva Patavia" und „Painwald"^®. Im Jahre 1010 widmet König Heinrich II. dem Kloster Niedernburg in Passau „jenen Teil des Nordwaldes in der Länge von der Quelle der Hz entlang dem bairisch-böhmischen Grenzgebirge bis zur Quelle der Rotel, in der Breite entlang diesen beiden Flüssen bis zur Donau, alles, was von jenem Walde innerhalb dieser Grenzen liegt"^^. Auf Grund dieser Ur- ® Oö. UB. 2, S. 16 f. Nr. 12 (Nortwalt). ' Oö. UB. 2, S. 164 Nr. 110 (ultra Lozperch . . . . in Silva, que dicitur Nortwalt). ' Oö. UB. 2, S. 259 Nr. 172 (silva Nordica); Oö. UB. 2, S. 517 Nr. 360 (Nordica silva in Kunegeswisen). 8 Oö. UB. 2, S. 54 Nr. 39, S. 648 Nr. 448. » Oö. UB. 2, S. 273 Nr. 182. " Oö. UB. 2, S. 54 Nr. 39, S. 228 Nr. 155. " Oö. UB. 2, S. 204 Nr. 138.
Oberösterreichisehe Heimatblätter künde kann nicht etwa das gesamte Obere Mühlviertel und das anschließende bairische Gebiet als ein geschlossenes Waldgebiet verstanden werden. Die Urkunde bezieht sich nur, wie sie übrigens auch selbst hervorhebt, auf die noch ungerodeten Hochwaldkomplexe innerhalb der angegebenen Grenzen. In einzelnen Mühlviertler Urkunden ist „Wald", „Nordwald" nicht ein forsttechnischer Ausdruck, sondern die Bezeichnung eines Verwaltungsbezirkes (vgl. Waldviertel, Schwarz viertel). So spricht König Konrad III. im Jahre 1142 vom königlichen „Wald, der Riedmark heißt"^^. Mit dieser „silva Ritmarch" ist nicht etwa das Untere Mühlviertel einem geschlos senen Waldgebiet gleichgesetzt, sondern der Verwaltungsbezirk der Riedmark gemeint, aus dessen Waldbeständen der König ein Teilgebiet, jenes zwischen der Jaunitz und Feldaist, dem Kloster Garsten schenkt. Vom 13. Jahrhundert an verliert sich der zusammenfassende Altname Nordwald. Zum Sondernamen Böhmerwald gesellen sich nun auch andere Teilbezeichnungen, Sternwald^®, Schallenbergerwald, Brunnwald^^, Schauerwald, Eidenberger Wald^®, Breitlüsser Wald^®, Freiwald^', Königswiesener Wald^® usw. Auf die alten Grenzen des Nordwaldes weist aber bis heute die Beifügung „am Wald", die mehrere Mühlviertler Orte tragen; Aigen^®, St. Ste fan, St. Leonhard, St. Georgen^". Auch das Gebiet am West- und Südhang des Lichtenberges und südlich des Breitlüsser Waldes, also am Südkeil des Linzer Waldes, heißt in älteren Quellen „am Wald"^^. Mit diesen Hinweisen sei der manchmal anzutreffenden Uberschätzung des Begriffes „Nord wald" begegnet, die ihre Schatten auch auf die Beurteilung des Geschichtsbildes des Mühl viertels wirft. Unter dem „Nordwald" sind lediglich die Hochwaldgebiete des Mühlviertels zu verstehen, die oberhalb der 800-m-Linie liegen und nur einen verhältnismäßig kleinen Teil der Bodenfläche ausmachen. 3. Der Siedlungsraum Die Höhengliederung des Mühlviertels bestimmt nicht nur die Einheiten der Wildpflanzen decke, sondern auch jene des Kulturpflanzenbaues^^. Dem „Zwischenbezirk" unterhalb der 400-m-Höhenlinie entspricht die „milde Stufe", wo noch Tafelobst, Zuckerrübe, Tabak Oö. UB. 2, S. 75 Nr. 57. 12 Oö. UB. 2, S. 461 Nr. 316 (mons Stella, 1198). 11 1435 Prunwaldt; K. Schiffmann, Historisches Ortsnamen-Lexikon des Landes Oberösterreich 1 S. 156. 12 Früher Miniwald (1523 Münichwald), nach der Zngehörigkeit zum Kloster Wilhering. 12 1295 Praitenwald, 1346 Praitluzz; K. Schiffmann 1 S. 144. " c. 1230 nemus ... in Miterenslage et Alterslag usque in aquam Nerdin; 1376: der Wald gelegen von Weytra gegen der Freynstat und haizzet der Freywald und sei auch ye und ye ein freyr Wald gewesen; K. Schiffmann 1 S. 316, Erg. Bd. S. 166. 1® 1449: Kuenigswald; 17. Jh.: der Khünigswiser walt ligt im Landt ob der Ennß .... Darinnen von wegen der wilden Thier, als Wolff unnd Peern, wenig Wilttpröt ist; K. Schiffmann 2 S. 57. 1® K. Schiffmann 1 S. 12. 22 1660: St. Jörgen vor dem Walde; K. Schiffmaim 2 S. 320. 21 Gemeinde Eidenberg: 1523 Gerer am Walldt, 1523 Rienner am Waldt, Meindl, Hacker, Haslinger „am Wald". — Gemeinde Hellmonsödt, Ortschaft Pelmberg: 1325 Peinberge unddieHueb varm Holze, 1346 Brand statt vor dem Praitenluzz in der Riedmarch, 1499 Schnaiter vorm Wald, 1499 Äckherl vorm Wald; K. Schiff mann 1 S. 4 (Ackerl), 270, 408, 438; 2 S. 9 (Kalating), 370; Oö. UB. 5, S. 418 f. Nr. 424 ; 6, S. 552 Nr. 545. 22 Atlas von Oberösterreich, Karte: Naturgesetzliche Einheiten des Pflanzenbaues (Heinrich L. Werneck), in Druckvorbereitung.
Pfeffer: Mühl viertel in der Frühzeit und Mais gedeihen; einst wies dieses Gebiet des Mühlviertels auch Weinbau auf. Hier und in dem nördlich anschließenden Streifen bis 500 m, der „Übergangsstufe", liegt das Haupt weizenbaugebiet des Mühlviertels. In den Höhenlagen von 500 bis 800 m, in der „rauhen Stufe", ist Weizenbau gerade noch für den Hausbedarf möglich. Die „obere Kampfstufe" über 800 m gestattet nur noch an begünstigten Stellen Roggenbau. Hier herrscht auch heute der Waldbau vor; Aigen und Unterweißenbach, mit Abstand Urfahr, Freistadt und Grein sind die waldreichsten Bezirke des Mühlviertels. In diesen drei, durch die 500-m- bzw. 800-m-Höhenlinie mehr oder minder scharf gegen einander abgegrenzten Zonen der natürlichen Kulturfähigkeit zeichnen sich die drei großen Stufen der Besiedlung des Mühlviertels ab, in denen sich, dem Räume wie der Zeit nach, die Umwandlung des Urlandes in menschlichen Wohnraum vollzog. Die Siedlung erfaßte vom Südufer der Donau aus zuerst die klimatisch am meisten begünstigten Zonen des Mühl viertels, seine wein- und weizenbaufähigen Gebiete unterhalb der 400-m-Linie, anschließend den Hauptteil des Mühlviertels bis zur 800-m-Linie; schließlich drang sie auch in das eigent liche Nordwaldgebiet ein, dessen Waldbestände aber weithin unangetastet bleiben. Mit der Abgrenzung dieser drei Siedlungszonen ist selbstverständlich nur das tragende Grund gerüst des Siedlungsvorganges angedeutet; es gab überall mehr oder minder breite Ubergangs zonen. Unverkennbar ist im Ablauf der Besiedlung von Anfang an der Vorrang des Unteren Mühlviertels, der Gusen-Aist-Senke und des Machlandes, die sich eindeutig als der „Zentral raum" des Mühlviertels zu erkennen geben, während das Obere Mühlviertel in seiner Ent wicklung stets einen gewissen Abstand hält. Die heutige Viertelbezeichnung „Mühl"viertel verwischt diese natürliche Schwergewichtsverteilung, die in der Gesamtgeschichte des Mühl viertels wie auch in vielen Einzelerscheinungen, so im Verkehrs- und Städtenetz, immer wieder sichtbar wird. Treffender wäre in dieser Hinsicht, wenn man schon an einen Fluß namen denkt, der Name „Aist'Viertel. 4. Das Grenzland Der breite, bis ins Mittelalter siedlungsleer bleibende Urwaldgürtel des Nordwaldes macht Karte 2 das Mühlviertel zu einem ausgesprochenen Grenzland. Während seine Altsiedlungsgebiete über die Donau hinweg mit dem oberösterreichischen Zentralraum eine naturgegebene Einheit bilden, sind sie durch den Nordwald, und zwar sowohl durch den Böhmerwald gegen Norden wie durch den Weinsberger Wald gegen Osten, eindeutig abgegrenzt. Hin gegen ist die Donau im oberösterreichischen Bereich von Natur aus keine Siedlungs- und Kulturscheide. Dieses sowohl reliefmäßig wie siedlungsgeographisch so stark betonte Grenz gerüst im Norden Oberösterreichs will bei der Beurteilung der politischen Grenzen beachtet sein. Die heutigen Landesgrenzen, sowohl die Grenze Oberösterreichs gegen Böhmen am Böhmerwald wie seine Grenze gegen Niederösterreich am Weinsberger Wald, haben nachgewiesenermaßen nie grundlegende Veränderungen erfahren, sodaß das Mühlviertel weder als Ganzes noch mit Teilen jemals anderen politischen Einheiten angehörte; es war von Anfang an und in seiner Gesamtheit ein integrierender Bestandteil des Landes ob der Enns. Aber auch hinsichtlich der Wertung der älteren Grenzziehungen in diesem Raum werden die natürlichen Grenzgegebenheiten nicht außer Betracht bleiben dürfen.
Oberösterreichische Heimatblätter Wesentlich anders als in Nordoberösterreich stellen sich die von der Natur vorgezeichneten Grenzverhältnisse im nordniederösterreichischen Raum dar. Die zur Marchebene abdachende südöstliche Gebirgsumrahmung des „Böhmischen Vierecks" biegt bei Krems senkrecht von der Donau nach Norden bzw. Nordosten ab. Die Tieflandschaft der March und ihrer Zuflüsse bildet mit dem Wiener Becken und Westungarn einen natürlichen Raumzusammenhang^®, der von Olmütz bis zum Alpenostrand und bis zum Bakonywald reicht. Da die Böhmisch-Mährischen Höhen, die sich nicht viel über 800 m erheben, infolge ihrer geringeren Höhe und Bewaldung und ihrer leichteren Verkehrsdurchgängigkeit viel weniger trennend wirken als etwa der Nordwald, ist in diesen Raumzusammenhang auch noch Böhmen ein bezogen. Diese Raumgliederung fügt eine entscheidende Linie in die mitteleuropäische Verkehrslandschaft ein: von der Ostsee verläuft durch die Mährische Pforte und durch die Marchebene ein seit ältester Zeit benützter Nord-Süd-Weg („Bernsteinstraße") an die Donau; vom Wiener Becken setzt er sich am Alpenostrand durch Westungarn, Steiermark, Krain und Istrien nach Italien fort. An dieser Nord-Süd-Achse vermochten die von BöhmenMähren ausgehenden Siedlungsräume und staatlichen Bildungen südwärts bis ins nördliche Niederösterreich auszugreifen. Erst die Donau war als bedeutendstes Hindernis eine mar kante Scheidelinie, an die sich auch die politischen Grenzen knüpften. War das oberöster reichische Mühlviertel durch das Landschaftsrelief von vornherein dem oberösterreichischen Zentralraum, dem Traungau, zugeordnet, so ist eine so eindeutige Bindung der transdanubischen Landesviertel Niederösterreichs, des Wein- und Waldviertels, an den niederösterreichi schen Zentralraum, an das Wiener Becken, nicht gegeben. Das klare und endgültige Ab rücken der politischen Grenzen von der niederösterreichischen Donau weiter nach Norden vollzog sich erst im lO./l 1. Jahrhundert mit der Festigung der Nordgrenze Niederösterreichs an der Thaya. Die natürlichen Raumzusammenhänge weisen somit der Donau eine differenzierte Grenz funktion zu. Nach dem Austritt des Stromes aus der Böhmischen Masse, also vom unteren Ende der Wachau (Krems) ab, in noch höherem Maße zwischen Alpenbogen (Wienerwald) und Karpathen, in der offenen Tieflandschaft Marchfeld (Weinviertel) — Wiener Becken — Westungarn, an der Kreuzung von „Bernsteinstraße" und Donau, ist die Grenzeigenschaft der Donau unverkennbar ausgeprägt. Im Bereich der Böhmischen Masse jedoch, also im Stromabschnitt von Krems aufwärts bis Regensburg, gibt die Donau ihre Rolle als Hindernis und Grenze ebenso unverkennbar an das parallel zum Strom verlaufende Waldgebirge des Nordwaldes ab. Dessen Hauptkämme, Böhmerwald und Weinsberger Wald, streichen in Nordwest-Südost-Richtung, und der Weinsberger Wald mit seinen letzten bedeutenderen Erhebungen (Jauerling bei Spitz 959 m, Sandl bei Krems 722 m, Mühlberg bei Spitz 712 m) tritt gerade dort an die Donau heran, wo diese nach ihrem auf oberösterreichischen Boden durch das Ineinandergreifen von Alpenvorland und Massiv recht unruhig gestalteten und schließlich ab Ybbs nach Nordosten weisenden Stromlauf ebenfalls wieder in die klare und eindeutige Nordwest-Südostrichtung einschwenkt. Damit ergibt sich eine bruchlos zu sammenhängende Grenzscheide zwischen Nord und Süd: die Nordwald-Grenze Regensburg — Krems setzt sich in der Donau-Grenze von Krems abwärts in gerader Linie fort. W. Wegener, Böhmen/Mähren und das Reich im Hochmittelalter (1959) S. 1—6.
Pfeffer: Mühl viertel in der Frühzeit 5 m Höhen über 700m Landeagreme OberÖsferreichs Karte 2: DAS MÜHL VIERTEL ALS GRENZLAND. Entwurf: Dr. H. Maurer, Zeichnung H. E. Baumert. 1:3,5 Millionen. Sudeten, Erzgebirge und Nordwald (Böhmerwald, Weinsberger Wald) grenzen auf drei Seiten den böhmischen Raum als geschlossene Einheit ab. Nach Südosten öffnet sich diese Raumbildung — über die flachen BöhmischMährischen Höhen hinweg — zur March und zum Wiener Becken. Zwischen Regensburg und Krems hat der Nordwald eine natürliche Grenzfunktion inne; er scheidet klar und eindeutig den böhmischen Kessel vom Donau raum. Unterhalb des Nordwaldes, stromabwärts von der Donaubeuge bei Krems, wo der Strom den südöstlichsten Ausläufer des Nordwaldes, den Dunkelsteiner Wald, vom Hauptmassiv abtrennt, setzt sich die Nordwald-Grenze Oberösterreichs in der Donau-Grenze Niederösterreichs fort, die als Nordgrenze des keltischen Reiches Norikum, des römischen Weltreiches, als Grenzsaum Österreichs gegen das Mährische Reich wirksam wurde. Das Mühl viertel war von Natur aus zum Grenzland gegen Norden (Böhmen) und Osten (Nord-Niederösterreich) bestimmt, Böhmerwald vmd Weinsberger Wald richteten es klar nach dem Süden, auf den oberösterreichischen Zentral raum aus, mit dem Oberösterreichs „Land im Norden der Donau" jederzeit eine Einheit bildete. Hingegen rückte die Nordgrenze Niederösterreichs erst im 11. Jahrhundert an die Thaya vor. A Aussig • B Breslau • Br Brünn • Bu Budweis • Ch Chemnitz • D Dresden • E Eger • G Glatz Gö Görlitz • K Königgrätz • Kr Krems • L Linz • La Landshut • M-O Mährisch-Ostrau • 01 Olmütz P Prag • Pa Passau • Pi Pilsen • P1 Plauen • Pr Preßburg • R Regensburg • S Salzburg • WWien Z Znaim
Oberösterreichische Heimatblätter Wo die Nordwald-Grenze in die Donau-Grenze übergeht, liegt aber auch der Anknüpfungs punkt einer bedeutungsvollen Grenzscheide zwischen West und Ost. Die südlichsten Aus läufer des Nordwaldes, die Neustadtler Platte bei Amstetten, der Hiesberg bei Pöchlarn, der Dunkelsteiner Wald bei Melk, stoßen dort über die Donau, wo von Süden her die Hoch alpen dem Strom am nächsten kommen; der Hochschwab (2276 m) und der ötscher (1892 m) sind die donaunächsten Hochgipfel der nördlichen Kalkalpen. Dieses Zusammenrücken der Böhmischen Masse und des Alpenbogens engt die Donauebene im Raum von Amstetten — St. Pölten zu einem schmalen Durchgang ein, der grenzbildende Wirkung besitzt. Diese „Österreichische Pforte" findet ihre Entsprechung im Zusammenrücken des Alpen- und Karpathenbogens, wobei die Grenzscheide des Leithagebirges und der Kleinen Karpathen (»Ungarische Pforte") einen über die Donau hinweg zusammenhängenden Grenzzug vor zeichnen, während der Wienerwald nördlich der Donau kein grenzbildendes Gegenstück besitzt. Eine ähnliche, sehr weiträumige nord-südliche „Trennungswand" quer durch die Donauebene bildet weiter westlich der Grenzriegel Passauer Wald-„Innviertier Tor"- Hausruck-„Frankenmarkter Tor"-Höllengebirge. Der Korridor von Amstetten-St. Pölten, gewissermaßen die südliche Verlängerung der Grenzzone des Nordwaldes über die Donau hinweg, erhält eine gehobene Grenzbedeutung, weil infolge der natürlichen Raumdynamik die Ausstrahlungsbereiche der Schwerefelder der bairischen Hochebene und des Wiener Raumes sich hier berühren und die von diesen beiden Polen ausgehenden Wellenkreise sich hier überschneiden. Als Grenzlinien in diesem „Zwischengebiet", das uns immer wieder als Grenzsaum zwischen West und Ost entgegentritt, zeichnen sich die Flußriegel der Enns, Ybbs, Erlaf, Melk ab; doch erhält schon frühzeitig die Enns den Vorrang. 5. Die Verkehrslandschaft Karte 1 Das Mühlviertel ist nicht nur ein ausgesprochenes Grenzland, sondern auch ein wichtiges Durchgangsland des Nord-Süd-Verkehrs. Die salzburgisch-oberösterreichisch-steirischen Alpenpässe und die Täler des Inn und der Salzach, der Traun, Krems, Enns und Steyr verbinden den Zentralraum Oberösterreichs mit dem Süden, mit dem Alpen- und Adriaraum. Von der Donau setzen sich diese Nord-Süd-Wege nach Böhmen fort. Die Hauptlinien des Mühlviertier Altstraßennetzes nahmen ihren Ausgang an der Donau von der Mündung des Inn, der Traun und der Enns, so daß wir in der älteren Straßengeschichte das Netz der „Passauer", „Linzer" und „Ennser Fernstraßen" des Mühlviertels zu unterscheiden haben; eine gewisse Eigenständigkeit erlangten auch die vom Eferdinger Becken nordwärts gerich teten Böhmerstraßen („Ottensheimer Fernstraßen"). Mit Beginn der Neuzeit begannen die von Passau ausgehenden Handelswege des obersten Mühlviertels und auch die vom Efer dinger Becken ausstrahlenden Fernwege ihre Bedeutung einzubüßen; ihren Verkehr zog Linz an sich. Im Reichsstraßennetz des 19. Jahrhunderts zeichnen sich die Verkehrswege durch die Mühl- und Aistsenke, die Reichsstraßen Linz—Neufelden—Aigen—Krummau, Linz—Freistadt—Budweis—Prag und Enns—Freistadt, als Hauptlinien des Mühlviertels ab. Heute ist das Bundesstraßennetz des Mühlviertels eindeutig auf Linz ausgerichtet. Es hat sich in der früher weniger hervortretenden Ost-West-Verkehrsrichtung verdichtet, während der einst so wichtige Nord-Süd-Durchgangsverkehr infolge der heutigen Grenzverhältnisse
Pfeffer: Mühlviertel in der Frühzeit weitgehend zum Erliegen gekommen ist. Das Mühlviertel ist gegenwärtig vorwiegend Durchgangsland des Verkehrs zwischen Oberösterreich, Niederösterreich und Bayern. Eine parallele Entwicklung zeigt die Eisenbahngeschichte des Mühlviertels. Alte Nord-SüdLinien führen von der Traunmündung (Linz) und von der Ennsmündung (St. Valentin) nach Böhmen; eine jüngere Ost-West-Linie läuft von der Ennsmündung (Mauthausen) donauabwärts. Die Mühlkreisbahn erhielt keinen Anschluß an das böhmische und bayerische Liniennetz, so daß auch hier wieder der natürliche Vorrang der Gusen-Aist-Senke vor der Mühlsenke sichtbar wird. Da die Linie Gaisbach-Wartberg—St. Valentin, einst ein Teilstück der Verbindung Prag—St. Valentin—Selzthal—St. Michael—Triest, seit langem außer Be trieb ist, hat sich auch das Eisenbahnnetz des Mühlviertels weitgehend auf Linz ausgerichtet; die Einbindung der Donauuferbahn nach Linz bleibt offensichtlich durch die Gelände schwierigkeiten bei Mauthausen ausgeschlossen. So reich an interessanten Einzelheiten die Verkehrsgeschichte des Mühlviertels auch sein mag, so bedeutungsvoll das Mühlviertel im Verband der Verkehrslandschaft Oberösterreich auch in Erscheinung tritt, so wenig erreichen die oberösterreichischen und damit auch die Mühlviertler Nord-Süd-Wege den Rang jener Nord-Süd-Linien, die der Richtung der alten „Bernsteinstraße" durch das Wiener Becken folgen oder über die bairische Hochebene und über die Alpenpässe Salzburgs und Tirols nach Süden führen. Wie der Nordwald als Grenze das Mühlviertel aus dem geographisch gegebenen und historisch immer wieder wirksam werdenden Raumzusammenhang Böhmen—Mähren—Niederösterreich ausschloß, so lenkte er als Verkehrshindernis den Hauptverkehr zwischen Böhmen und der Donau seit altersher in den Raum von Wien. Der Vorrang der Nord-Süd-Wege durch das Wiener Becken steht für die Römerzeit außer Zweifel: Carnuntum war der wichtigste Donauhandels platz zwischen dem Römerreich und Germanien^*. Später sehen wir die „Linzer" und die „Wiener Routen" wiederholt in lebhaftem Wettbewerb. In der Karolingerzeit genießen die oberösterreichischen Linien einen deutlichen Vorzug als östlichste, von den Auseinandersetzun gen an der Reichsgrenze nicht berührte Verkehrslinien des Reiches nach Böhmen: 805 ist Lorch östlicher Grenzhandelsplatz des Reiches^®, hundert Jahre später zeigt uns die Zollordnung von Raffelstetten die Bedeutung der Mühlviertler Handelswege. Im 12. Jahrhundert dient Enns als wichtiger Umschlagplatz des Regensburger Handels nach Böhmen — an der Straße Enns-Böhmen entwickelt sich jetzt mit Freistadt die bedeutendste Handelsstadt des Mühlviertels^® — und noch im 14. Jahrhundert sind landesfürstliche Verordnungen nötig, um den Verkehr zwischen Böhmen und Italien zugunsten der Linien über Wien und den Semmering von der kürzeren „Linzer Route" Prag-Linz-Venedig, der „Straße über die Zeiring" (Rottenmanner Tauern), abzulenken®'. Ein letztes Mal wird dieser Wettbewerb in den Projekten eines Elbe-Donau-Kanals im 18. Jahrhundert und in der zwiespältigen Frühge schichte des österreichischen Eisenbahnwesens®® sichtbar: Der erste österreichische und E. Swoboda, Carnuntum' (1958) S. 80 ff. Kapitulare Karls des Großen „de negotiatoribus qui partibus Sclavorum et Avarorum pergunt"; Mon. Germaniae Capit. 1 S. 123. " F. Pfeffer, Das Land ob der Enns (1958) S. 25. " A. Hoffmann, Der oberösterreicbische Städtebund im Mittelalter. Jb. d. Oö. Mus. Ver. 93 (1948) S. 121 — 126. " F. Pfeffer, Oberösterreichs erste Eisenbahnen. Oö. Heimatblätter 5 (1951) S. 97—181.
Oberösterreichische Heimatblätter kontinentaleuropäische Überland-Schienenweg des öffentlichen Verkehrs, die rund 200 km lange Eisenbahn Budweis—Linz —Gmunden, verband Böhmen mit der Donau und dem Alpenraum, sie sollte nach den kühnen Plänen ihrer Schöpfer zusammen mit den Wasser straßen der Donau und Moldau auch Wien und Prag, im weiteren Sinne Schwarzes Meer und Nordsee verknüpfen — die ersten Vollbahnen Österreichs, die Nordbahn Wien—Krakau und die Südbahn Wien—Triest, folgten jedoch den Spuren der alten „Bernsteinstraße". Im heutigen internationalen Reiseverkehr treten infolge der Grenzverhältnisse die NordSüd-Linien Oberösterreichs an Bedeutung völlig hinter der Tauern- und Semmering-Route zurück. Die „Grenzwirkung" des Nordwaldes ist heute vielleicht stärker, als sie jemals in der Geschichte gewesen war. II. Das Mühlviertel — altbesiedeltes Land Karte 3 Als noch wenig Funde der urgeschichtlichen Perioden aus dem Mühlviertel vorlagen, konnte sich die Meinung bilden, der Raum zwischen der Donau und Böhmen sei bis tief ins Mittel alter ein nicht oder fast nicht besiedeltes Urwaldgebiet gewesen und, von einzelnen „Be siedlungsversuchen" abgesehen, erst vom 10. Jahrhundert an in größerem Umfang der Kultur erschlossen worden. Gegen diese — auch heute noch nicht völlig überwundene — Urwald-Theorie wurde allerdings schon vor Jahrzehnten geltend gemacht, daß beträchtliche Teile des Mühlviertels als uraltes Siedelland anzusehen seien^®. Die immer mehr anwach senden Bodenfunde des Mühlviertels, die von der Jungsteinzeit bis zur La-Töne-Zeit reichen", bestätigen diese Erkenntnis in vollem Umfang. Die Aussage der Bodenfunde über die Alt besiedlung bleibt natürlich immer relativ. Künftig aufkommende Funde können das aus diesen Zeugnissen erschlossene Siedlungsbild verändern, verdichten oder erweitern. Auch der bereits vorhandene Fundbestand vermittelt keine gleichmäßige Aussage: in Orten oder Gebieten, wo interessierte Heimatforscher oder Fachleute der Urgeschichtsforschung am Werk sind und für die Bergung und Betreuung der Bodenfunde Sorge tragen, steigt die „Funddichte", während andrerseits infolge des Fehlens einer solchen Obsorge manche Orte und Landstriche „fundleerer" erscheinen, als sie in Wirklichkeit sind. Trotzdem ist heute der Fundbestand im Mühlviertel bereits so groß, daß das Zufallsmoment weitgehend ausge schaltet ist und sich die Grenzen der Mühlviertler Altsiedlungsräume deutlich abzeichnen. Weitaus die Hauptmasse der Mühlviertler Funde der Jüngeren Steinzeit liegt unterhalb der Höhenlinie von 400 m. Die Streuung der Funde ist hier so dicht, daß man von einem ge schlossenen Siedlungsraum sprechen kann, aus dem sich — nach dem derzeitigen Fund bestand! — nur einzelne, an sich siedlungsfeindliche Kleinräume, wie Pfenningberg und Hohenstein, der Steilabfall des Massivs im Machland und die versumpfte Niederung zu beiden Seiten der unteren Naarn, als unbesiedelt abzuheben scheinen. Etwas dichter mit Funden sind auch die Höhenlagen zwischen 400 und 500 m besetzt. Weit verstreut und viel F. Stroh, Vorgeschichtliche Funde im Mühlviertel. Heimatgaue 1 (1919/20) S. 81—91, mit Fundkartc (Stand 1919) und Verweisen auf das ältere Schrifttum zur Besiedlungsgeschichte des Mühlviertels. Die neueste Zusammenstellung bietet J. Reitinger, Grundriß einer archäologischen Landesaufnahme der ur- tmd frühgeschichtlichen Bodendenkmäler (ausschließlich Römerzeit). Innsbrucker Dissertation 1959. LXX + 462 Maschinschriftseiten.
Pleffer: Mühl viertel in der Frühzeit weniger zahlreicher sind die Funde, die bisher oberhalb der 500-m-Höhenlinie zutage traten. Sie häufen sich bemerkenswerterweise an Altwegen, die später als wichtige Fernver bindungen nach Böhmen bezeugt sind. Die Fundverteilung zeigt sehr eindrucksvoll, daß sich das Zentralgebiet der jungsteinzeit lichen Siedlung ziemlich genau mit dem wein- und weizenbaufähigen Raum des Mühl viertels, mit dem „Zwischenbezirk" bzw. der „milden Stufe" (nach Werneck), deckt; sie erfaßte die Donauebenen des Mühlviertels, drang aber in der Gusen-Aist-Senke bereits über die Linie Gallneukirchen-Pregarten hinaus vor. Wie weit etwa auch die noch weiter nördlich gelegenen Funde der Mühl- und Aistsenke als Siedlungszeugnisse, als Belege für vorgeschobene Siedlungsstützpunkte an lagemäßig und klimatisch besonders begünstigten Plätzen gewertet werden können, müßte von Fall zu Fall untersucht werden. Zunächst liegt es nahe, diese Funde mit dem Salzverkehr in Verbindung zu bringen, der jedenfalls seit ältester Zeit von den Alpensalinen durch das Mühlviertel in das salzlose Böhmen ging. Einzelne dieser „Verkehrsfunde" scheinen manchen bisher weniger beachteten Verkehrsweg des Mühlviertels geradezu anzuzeigen. Die gleiche Verteilung wie die jungsteinzeitlichen Funde des Mühlviertels zeigen jene der Metallzeiten, die allerdings wesentlich seltener sind. Die Bedeutung der 400-m-Höhenlinie als Grenzsaum der ältesten Siedelgebiete des Granit massivs zeigt sich auch im niederösterreichischen Nordwald-Anteil. Auch hier machen die Funde aller urgeschichtlichen Perioden®^ im wesentlichen an der 400-m-Linie halt. Die Fundplätze Nordniederösterreichs liegen wie jene des Mühlviertels im weinbaufähigen Gebiet (Weinviertel), während das höher gelegene Waldviertel fast fundleer bleibt. Der enge Zusammenhang von Klima und Siedlung wird sichtbar, wenn wir die Fundplätze des Mühlviertels in Klimakarten eintragen; die größte Funddichte weist das Gebiet der mittleren Jahrestemperatur von 8—9° auf. Ebenso zeigt sich der beherrschende Einfluß der natürlichen Faktoren auf den Siedlungsstand, wenn wir die Streuung der urgeschichtlichen Funde mit der heutigen Bevölkerungsdichte vergleichen: die ältesten geschlossenen Siedlungs räume des Mühlviertels in der Gusen-Aist-Senke und im Machland decken sich weitgehend mit den heute am dichtesten bevölkerten Gebieten°^. Es sind dies jene Räume, in denen gerade in der jüngsten Zeit eine fortschreitende Zusammenballung der Bevölkerung stattfindet®®, während die Volksdichte in den höher gelegenen Teilen des Mühlviertels stabil bleibt oder zurückgeht. Demnach beginnt sich heute gewissermaßen eine rückläufige Bewegung abzu zeichnen, ein Zurückstreben in jene klimatisch, verkehrsgeographisch und im Zeitalter der Industrialisierung auch soziologisch günstigsten Bezirke, die das älteste Siedelland des Mühlviertels gebildet hatten. Die Urgeschichtsforschung vermittelt uns Erkenntnisse, die nicht nur für die Siedlungsgeschichte des Mühlviertels selbst bedeutungsvoll sind, sondern auch die geschichtliche Stellung des „Landes im Norden der Donau" im größeren Zusammenhang des Donau-Sudeten-Raumes Atlas von Niederösterreich, Karten; Alt- und Jungsteinzeit I (G. Moßler, 19521; Jungsteinzeit II (K. Hetzer. G. Moßler, K. Pazeller, 1954); Bronzezeit (F. Schreibenreiter, K. Willvonseder, F. Berg, 1958); Ältere und Jüngere Eisenzeit (H. Ladenbauer-Orel, G. Moßler, 1955). Vgl. Atlas von Oberösterreich, Karte 11: Bevölkerungsdichte auf siedelbarer Fläche 1951 (H. Maurer, 1958). Vgl. Atlas von Oberösterreich, Karte 12: Entwicklung der Bevölkerung 1951 —1955 (O. Lackinger, 1958).
Oberösterreichische Heimatblätter beleuchten. Zunächst ergibt sich die Feststellung, daß die heutigen Besiedlungszentren des Mühlviertels, die Donauebenen und die Gusen-Aist-Senke, seit der Jüngeren Steinzeit Kulturboden sind. Eindrucksvoll wird der Vorrang der Riedmark als Hauptsiedlungsgebiet der Urzeit sichtbar; hier sprechen die geschichtlich genauer faßbaren „ältesten Mühlviertler", die Illyrer und die ihnen folgenden Kelten, nicht nur durch die Bodenfunde, sondern auch durch einige von ihnen geprägte Namen (Aist, Naarn, Gusen?) zu uns. Weiter sehen wir, daß die Donau als Siedlungs- und Kulturgrenze ausscheidet. Hingegen tritt der Nordwald, dessen räumliche Beschränkung auf die eigentlichen Hochlandschaften auch durch die urzeitlichen Funde bestätigt wird, als breite, siedlungsleere Zone zwischen den Altsiedelgebieten des Mühlviertels, des niederösterreichischen Weinviertels und des böhmischen Zentralraums klar in Erscheinung. In der Keltenzeit, also in den letzten Jahrhunderten der vorchristlichen Zeitrechnung, wer den die Bewohner dieser drei, durch den Nordwald von einander geschiedenen Altsiedelgebiete auch in ihren Stammesnamen unterscheidbar. In Böhmen wohnte der keltische Stamm der Boier, der dem Land seinen bis heute fortlebenden Namen, Boiohaemum - Böhmen, verlieh. Die früher gelegentlich angenommene Zugehörigkeit des Mühlviertels zum Sied lungsgebiet der Boier ist nicht nachweisbar und auch völlig unwahrscheinlich; ein boischer Volkssplitter am Nordufer der oberösterreichischen Donau wäre von der Hauptmasse seines Stammes durch den breiten Urwaldgürtel des Nordwaldes völlig isoliert gewesen. Übrigens reichte auch der Geltungsbereich des Landesnamens Boiohaemum - Böhmen nie weiter nach Süden als bis zu den Hauptkämmen des Nordwaldes. Im nördlichen Niederösterreich siedelten die keltischen Rakaten, mit deren Namen — ob mit Recht, bleibe dahingestellt — einige niederösterreichische Ortsnamen, wie Ragaz-Raabs, und der tschechische Name für Österreich, Rakousy, in Verbindung gebracht werden®*. Daß das Mühlviertel zum Kelten reich Norikum gehörte, dessen Name später auf Altbaiern überging, ergibt sich aus der all gemeinen Grenzsituation und ist bereits früher richtig erkannt worden: „Gerne wüßten wir die Nordgrenze des norischen Reiches. Die Donau war es nicht, am ehesten kommt die heutige Grenze zwischen Oberösterreich und Böhmen in Betracht. Eine Volksgrenze war die Donau ebensowenig damals wie heute"®®. Als breite unbesiedelte Grenzsäume zwischen West-Norikum und Boiohaemum bezw. zwischen West-Norikum und dem Rakatenland tauchen an der Schwelle unserer Zeit rechnung die heutigen Landesgrenzen Oberösterreichs gegen Böhmen am Böhmerwald, gegen Niederösterreich am Weinsberger Wald in ihrer ersten näher greifbaren geschichtlichen Funktion vor uns auf. Diese Grenzen (Grenzsäume) sind die ältesten unseres Landes, sie ha ben in den zwei Jahrtausenden ihres faßbaren Bestehens in der Hauptsache nur eine schär fere Ausprägung erfahren: die einst breiten Grenzsäume verdünnten sich im Zuge der fortschreitenden Besiedlung immer mehr, bis sie zu Grenzlinien geworden waren. Die Grenz ziehung knüpfte wegen der eindeutigen Märkung vorzugsweise an Bachläufe und nur im Bereich des Böhmerwaldes an die wasserscheidenden Kammlinien an. Das Schrifttum zu dieser Frage bei E. K. Winter, Studien zum Severins-Problem (1959) S. 126 f. R. Egger, Oberösterreicb in römischer Zeit. Jahrb. d. Oö. Mus. Ver. 95 (1950) S. 135.
m m ü 1 Karte 3; DIE SIEDELGEBIETE DES MÜHLVIERTELS IN DER JÜNGEREN STEINZEIT. - Entwurf Dr. H. Maurer (nach der archäologischen Landesaufnahnje von Dok tor ]. Reitinger, 1959). 1 : 500.000. — Höhenstufen: bis 500 m (weiß), 500 bis 800 m (hellgrün), über 800 m(dunkelgrün) — 0 Fundplätze der Jungsteinzeit (nach Ort schaften).
Pfeffer: Mühl viertel in der Frühzeit III. Die oberösterreichische Donau — römisch-germanische Grenze? 1. Die Donau — nur ein allgemeiner Grenzbegriff Die gewaltigen Umwälzungen, die sich bald darauf im Sudeten-Donau-Alpen-Raum ab spielten, stellen diese Grenzsäume in einen weltweiten Zusammenhang. In Böhmen, aus dem — auf der alten Völkerstraße durch das Wiener Becken! — die Boier nach Westungarn ab gewandert waren, rücken die Markomannen ein, die ihren Machtbereich bis an die nieder österreichische Donau vorschieben. Zur Sicherung der Nordgrenze Italiens besetzt Rom nun Pannonien und die keltischen Alpenstaaten Rätien, Vindelizien und Norikum und wandelt sie in die nördlichsten Reichsprovinzen des Donau-Alpen-Raumes um. Als Grenze zwischen dem Römerreich und Germanien, und zwar im Sinne einer „Strom strich-Grenze" zwischen dem römischen Süd- und dem germanischen Nordufer, gilt die Donau. Diese Grenzführung ist bisher kaum bezweifelt worden, wenngleich es genug Hin weise auf die Sonderstellung des — durch den Nordwald gedeckten — oberösterreichischen Limesabschnittes gibt®®. Die Donau konnte umso eher als Trägerin der Reichsgrenze angesehen werden, wenn man annahm, der Nordwald, dieses „großartigste Beispiel eines im Altertum unbesiedelten Waldgebirges", habe bis zur Donau herabgereicht®'. Überdies bezeichnen römische und frühmittelalterliche Autoren die Donau ausdrücklich als Nordgrenze Norikums. Nach dem Bericht des Tacitus überschritt der Markomannenkönig Marbod, als er sich, durch die diplomatischen Schachzüge Roms im eigenen Land isoliert, zu den Römern in Exil begab, die Donau, die „vor der Provinz Norikum fließt"®®. Ob Marbod die Donau bei Linz oder Lorch überschritt, so daß Oberösterreich damals das „erste politische Schauspiel römischer Prägung" erlebt hätte®®, möchten wir dahingestellt sein lassen. Der ganzen Sachlage nach erfolgte der Abzug Marbods nicht durch den Nordwald, und sein Ubertritt auf römisches Reichsgebiet, bei dem Marbod und sein großes Gefolge mit mili tärischem Prunk empfangen wurden, viel eher in Wien oder Camuntum als in Linz oder Lorch. Welche Schwierigkeiten ein Marsch durch den nur von schmalen Saumsteigen durch zogenen Nordwald damals noch bereitete, hebt der römische Geschichtsschreiber Velleius Paterculus (um 30 n. Chr.) bei der Schilderung des im Jahre 6 n. Chr. geplanten Zangen angriffes gegen Markomannien hervor, der einerseits von dem damals noch zu Norikum gehörenden Carnuntum, andrerseits von Mainz aus geführt werden sollte; für die Legionen, die von Mainz aus durch das Chattenland nach Böhmen zu marschieren gehabt hätten, sollte ein Marschweg durch die Forste der Hercynia ausgehauen werden*®. In seiner Geographie nennt Ptolemäus im 2. Jahrhundert den Inn, die Donau und den Wienerwald (mons Cetius) als Grenzen Norikums**. Wenn der Frankenkönig Theudebert (534—548) in einem Brief an Kaiser Justinian schreibt, das Frankenreich erstrecke sich bis Vgl. u. a. R. Noll, Römische Siedlungen und Straßen im Limesgebiet zwischen Inn und Erms (Oberöster reich). Der Römische Limes in Österreich 21 (1958) S. 16, 110. " Vgl. dazuR. Noll S. 110. ä® transgressus Danuvium, qua Noricum provinciam praefluit. Tacitus Ann. II 63. R. Egger S. 140. Sentio Saturnino mandatum, ut per Gattos excisis continentibus Hercyniae silvis legiones Boiohaemum (id regioni, quam incolebat Maroboduus, nomen est) .... Velleius Paterculus II 109, 5. " O. Cuntz, Die Geographie des Ptolemaeus (1923) S. 72.
Oberösterreichische Heimatblätter an die Donau und bis nach Pannonien^^, verbirgt sich in diesen Grenzangaben ebenfalls der Begriff des römischen Norikum. Ebenso sagt Paulus Diakonus im 8. Jahrhundert, die Provinz der Noriker, die das Volk der Baiern bewohnt, sei im Osten von Pannonien, im Westen von Schwaben, im Süden von Italien, im Norden von der Donau begrenzt^^. Nimmt man alle diese Grenzangaben als Belege der römischen Reichsgrenze an der Donau, dann müßten die Altsiedelgebiete des Mühlviertels, also das Wörth, das Machland, das Gallneukirchener Becken, zu Germanien gezählt haben. Es fehlt auch nicht an Versuchen, auf Grund dieser als fix geltenden Grenzziehung bestimmte Germanenstämme im Mühl viertel zu lokalisieren. Als germanische Bewohner des Mühlviertels wurden u. a. die Naristen (Varisten) in Betracht gezogen^. Nach neuesten Feststellungen hatte aber dieser Stamm seine Sitze in der Nachbarschaft der Markomannen und Quaden im Raum der heutigen Tschechoslowakei^®; auf diese Lage des Stammesgebietes weist auch der Umstand hin, daß die Römer 3000 Familien der Naristen nach Westungarn verpflanzten. Als der Markomannen könig Marbod gestürzt war, setzte Rom zum Herrn der Germanenstämme nördlich der niederösterreichischen Donau den romtreuen Quaden Vannio ein*®. Die Grenzen seines Reiches sind bei Plinius und Tacitus beschrieben; eine einhellige Auffassung, ob das VannioReich östlich oder westlich der March lag, ist jedoch bisher nicht erzielt worden. Kaum aber kann aus dem Bericht des Tacitus, Rom habe die Germanen jenseits der Donau zwischen den Flüssen Marus und Cusus dem Vannio unterstellt, auf eine Ausdehnung des VannioReiches im Norden der Donau „von Wien (Deutsch-Altenburg) bis Linz" geschlossen werden. Wenn sich dieses Reich westwärts der March erstreckte, käme für den Cusus-Fluß bestenfalls der Kamp, aber schwerlich etwa die oberösterreichische Gusen in Betracht. Für die ausgehende Römerzeit gelten die Rügen als Herren des Mühlviertels. Als Hinweis dient jene Stelle in der Lebensbeschreibung des hl. Severin von Eugippius, nach der die Bewohner von Passau an Severin die Bitte richteten, er möge ihnen ein Handelsprivileg bei dem mit ihm befreundeten Rugenkönig Fewa erwirken*'. Damit schien die Erstreckung des rugischen Hoheitsbereichs bis gegen Passau*®, ein rugischer Handelsplatz in der Nähe dieser Stadt*®, angedeutet zu sein. Der Machtbereich der Rügen, die im nördlichen Niederösterreich die Markomannen abgelöst hatten, reichte als „Rugiland" südwärts bis zur niederösterrei chischen Donau, westwärts jedoch nur bis zum Weinsberger Wald®®. Von diesem Gebiet aus hatten die Rugenkönige auch die ihrem Reich gegenüberliegenden Römerstädte am Südufer der niederösterreichischen Donau tributpflichtig gemacht. Diese Oberherrschaft endete an der Enns. Als die romanische Bevölkerung der von den Alemannen und Thüringern I. Ziberraayr, Noricum, Baiern und Österreich^ (1956) S. 78. Noricum siquidem provincia, quam Baiariorum populus inhabitat, habet ab Oriente Pannoniam, ab occidente Suaviam, a meridie Italiam, ab aquilonis vero parte Danuvii fluenta. Mon. Genn. Script, rer. Langob. S. 109. " R. Egger S. 140, 143 f., 145. E. Swoboda S. 48, 216 und Karte S. 13. Zum Folgenden vgl. E. Swoboda S. 34, 207 f. " suppliciter adierunt, ut pergens ad Febanum, Rugorum prineipera, mercandi eis licentiam postularet. Eugip pius, vita s. Severini XXII. E. K. Winter, Studien zum Severins-Problem S. 129. R. Egger S. 157 f., 168 Anm. 20 („germanischer Jahrmarkt bei Passau"). Zur Donau-Grenze des „Rugilandes": Eugippius, vita s. Severini, u. a. V 3, VIII 2,4, IX 1,XXXI 1,4, XXXIII 1, XLIV 3; zur Westgrenze: Atlas von Niederösterreich, Karte: Bodenfunde aus dem 5. bis 10 Jh. in Nieder österreich (H. Mitscha-Märheim, 1958).
Pfeffer: Mühl viertel in der Frühzeit zerstörten Stade Donaurätiens (Künzing, Passau) sich in Lorch gesammelt hatte, versuchte der Rugenkönig Fewa, diese Romanen unter dem Vorwand, sie vor den Barbaren schützen zu wollen, über die Enns nach Niederösterreich abzuführen und in den ihm tributpflichtigen Römerstädten anzusiedeln, und zog zu diesem Zweck gegen Lorch®^. Dieser — von Severin abgewehrte — Versuch wäre vermutlich überflüssig gewesen, wenn sich der Hoheitsbereich der Rügen auch auf Oberösterreich, auf Lorch und das gegenüberliegende Mühlviertel, erstreckt hätte. Die Notiz über das Passauer Handelsprivileg im Rugenland bezieht sich daher auf den alten Handelszug Passau — Mautern (Favianis) — Mähren, der uns auch in der Zollordnung von Raffelstetten wieder entgegentritt. Auch die Bodenfunde liefern keinen Nachweis germanischer Siedlung im Mühlviertel. Die Funde der Markomannen und Quaden in Nordniederösterreich reichen im Weinviertel südwärts bis zur Donau, westwärts bis an den Ostabfall der Böhmischen Masse, wo sie, genau wie die Funde der urgeschichtlichen Perioden, sehr deutlich an der 400-m-Linie Halt ma chen; das Waldviertel ist wiederum fast fundleer®^. Diese Fundverteilung läßt erkennen, daß die Markomannen die keltische Vorbevölkerung des Weinviertels, die Rakaten, überschich teten. Die germanische Siedlung in Nordniederösterreich ist auch quellenmäßig belegt®®. Im Mühlviertel sind bisher keine Markomannen- oder sonstige Germanenfunde zutage getreten®^. Im Hinblick auf den Bericht des Tacitus über die Erdhöhlen der Germanen hielt man einen Zusammenhang der zahlreichen Erdställe des Mühlviertels mit germanischer Besiedlung für möglich; diese Theorie mußte jedoch wieder aufgegeben werden®®. Übrigens befinden sich diese Anlagen im Mühlviertel durchwegs außerhalb der in römisch-germani scher Zeit dichter besiedelten Räume, so daß sie auch aus diesem Grunde einer späteren Besiedlungsperiode (Karolingerzeit?) zuzuweisen sind. Unter der Annahme der Zugehörigkeit des Mühlviertels zu Germanien — es wäre der am frühesten „germanisch" gewordene Teil Oberösterreichs gewesen! — wurde es für möglich gehalten, daß eine Reihe von Flußnamen des Mühlviertels, so die Gusen, Naarn, Mühl, Rotel, auf germanische Wurzel zurückgehen®®; ein sicherer Nachweis ist jedoch in keinem Falle gelungen. Während wir demnach keine Belege für die Zugehörigkeit des Mühlviertels zu Germanien finden, besitzen wir einen Nachweis, daß sich das Markomannenreich Marbods nach Süden wohl bis zur niederösterreichischen, aber nicht bis zur oberösterreichischen Donau erstreckte, sondern hier den Nordwald nicht überschritt. Velleius Paterculus berichtet, daß „der An fang der Grenzen des Reiches Marbods" (d. h. die Südgrenze Markomanniens), nicht viel mehr als 200 Meilen, also rund 300 km, „von den Alpenpässen entfernt war, die Italiens Grenze bezeichnen®''". Mit dieser Entfernung kommt man von den Karawanken bis in die Eugippius, vita s. Severini XXXI. Atlas von Niederösterreich, Karte: Quaden luid Markomannen (H. Mitscha-Märheim, 1952). E. Swoboda. F. Stroh, Heimatgaue 14 (1933) S. 94. Zur Erdstallfrage vgl. die Untersuchimgen von F. Stroh; Heimatgaue 1 (1919/201 S. 85—88; Erdställe im Mühlviertel, Heimatgaue 4 (1923) S. 43—53; Neue Erdställe im Mühlviertel, Heimatgaue 14 (1933) S. 91 —112. 58 Vgl. E. Schwarz, Die Ortsnamen des östlichen Oberösterreich (1926) S. 36 f. (Gusen),44 f. (Naarn), 68 f. (Mühel), 99 f. (Rodl), mit Verweisen auf das sonstige Schrifttum. quippe cum a summis Alpimn iugis, quae finem Italiae terminant, initium eius finium haud multo plus ducentis milibus passuum abesset. Velleius Paterculus 11 109.
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