Lebensbilder Paul Karnitsch Eine der ersten wissenschaftlichen Arbeiten von Paul Karnitsch, dessen fünfzigsten Geburtstag wir heuer feiern, trägt den Titel „Linz zur Römerzeit, Beiträge zur Topographie von Lentia". Diese 1927 erschienene Arbeit war wie eine Programmschrift zum Leben und Wirken des verdienstvollen Forschers. In dem bedeutenden Aufsatz, der zum erstenmal das weit verstreute und vielfach unbekannte und unpublizierte Material zur Stadtgeschichte von Lentia zusRmmenfaßte, konnte Karnitsch andeuten, an welchen Stellen und an welchen Plätzen die römischen Bauten der Zivilsiedlung und des Lagers - von dessen Existenz wir nur ans der sptitantiken Literatur Kenntnis hatten - zu vermuten seien. Das arg verbaute Stadtgebiet verhinderte jede planmäßige Grabung, und nur vereinzelt waren cla und dort Mm1erreste bei Grundaushebungen angetroffen worden. Als Karnitsch diesen Aufsatz 1,chrieb, ahnte er wohl nicht, daß gerade durch seine Grabungstätigkeit unsere Kenntnis des römischen Lentia so gewaltig vermehrt werden würde. Der Neubau der Schule der Kreuzschwestern im Jahre 1926 gab dann dem jungen Forscher die erste Möglichkeit, in größerem Ausmaße zu graben. So wurde eines der größten Grabfelder unserer Heimat von ihm freigelegt und mustergültig publiziert, wobei auch gerade den Kleinfunden besondere Beachtung geschenkt worden ist. Diese Arbeit zeigte bereits, daß die römerzeitliche Besiedlung von Linz bis in die frühe Epoche der Römerzeit hinaufreicht. Parallel mit diesen praktischen Arbeiten, die noch in die Studienzeit von Paul Karnitsch fallen, ging die theoretische Ausbildung an der Universität \Vien, vor allem bei den Professoren Rudolf Egger und. Oswald Menghin. Schon bald zeigte sich bei Karnitsch die besondere Vorliebe für die Hilfsdisziplinen der Altertumswissenschaft. So arbeitete er freiwillig an der numismatischen Abteilung des Kunsthistorischen Museums unter Friedrich Münsterberg und August Loehr, half bei der Inventarisierung und Bestimmung der großen Münzensammlung Bachofen von Echt (über 30.000 Münzen). Gleichzeitig aber praktizierte er auch am urge~chichtlichen Institut der Universität, nahm an Lehrgrabungen teil und begann eine Dissertation über die Steinzeit Oberösterreichs. Der Eintritt in das Berufsleben als Beamter der Sozialversicherung verhinderte zunächst. die Fortsetzung der wissenschaftlichen Arbeit im Gelände, doch blieb Karnitsch seiner heißgeliebten Wissenschaft, in der er seine eigentliche Berufung sah, treu. In bunter Fülle erschienen Artikel, clle sich mit den Problemen der Urgeschichte und der Provinzi:o.!archäologie beschäftigten. Vor allem war es stets der Boden seiner Heimatstadt Linz, der ihn anzog. Der zweite Welfärieg, verbunden mit der Einberufung, unterbrach diese Tätigkeit. Doch kaum war die ärgste Not und die erste notwendige Aufräumungswelle überwunden, begann auch Paul Karnitsch wieder mit seiner '-'!Üc:senschaftlichen Tätigkeit. In der Tat war er jetzt umso unentbehrlicher, hatte doch clcr Bombenkrieg zahlreiche Häuser, ja ganze Stadtteile schwer beschädigt. Es ist das unumstrittene Verdienst von Karnitsch, daß er die einmalige Möglichkeit erkannte, vor dem Neubau den Boden zu untersuchen. Seiner Tatkraft gelang es, die interessiert~m Stellen, sei es bei cler Stadtgemeinde, beim Kulturamt, sei es bei der Landesregierung oder im Landesmuseum und beim Landeskonservator, sei es im Bundesdenkmalamt oder im Archäologischen Institut, zur Hilfe aufzurufen. M:it von Jahr zu Jahr anwachsenden Erfolgen gelang es ihm unter schwierigsten Verhältnissen, oft vor einem Bagger oder einer Schubraupe, in vielfach umgebautem und durchwühltem Gebiet, das antike Linz auszugraben. Nur seiner fanatischen Hingabe an die selbstgewählte Aufgabe, der er Jahr für Jahr seine ganze Freizeit, seinen ganzen Urlaub opfert, ist es gelungen, daß wir heute eine viel genauere und eingehendere Kenntnis vom antiken Linz besitzen, als wir je zu hoffen wagten. 201
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