Oberösterreichische Heimatblätter Ein Musterbuch des Freistädter Schneider-Handwerks von 1720 Unsere bedrückend vorwärts stürmende Zeit verengt von Tag zu Tag mehr den Atemraum unserer alten Handwerke. Schon ringen sie schwer. Wir Menschen aus dem Zeitalter der Maschine, zum Teil so.gar schon ihre Sklaven, vergessen zu leicht, daß es die Handarbeit war, die unserer Technik Jahrtausende her den Weg gespurt hatte. Es ist auch Wirtsohaftsgeschichte ohne Kenntnis der Handwerksgeschichte gar nicht zu denken und jede Einschau darf man begrüßen, die angetan ist, ein Bild zu runden, eine Lücke zu schließen. Es gibt kaum eine private und nur sehr wenige öffentliche Sammlungen, die auch der Geschichte der Kleidermacherei gebührend Rechnung tragen, obgleich sie bei der geschichtlichen Darstellung jener Handwerke, die tierisches Haar und pflanzliche Faser bzw. die daraus erstellten Gewebe verarbeiten, mit obenan zu stehen hätten. Meist erschöpft sich eine solche museale Schau in der Darstellrung vergangener Trachten mit dem Schwergewicht auf dem Volkskundlichen; nach dem Gesichtspunkt der Arbeitstechnik und ihren Wandlungen oder nach dem geschichtlichen Aufbau des Schneider-Handwerks im einen oder a.."ldern Landstrich aber findet sich kaum je etwas gesammelt. Seit die bedeutsamen Bestände des Heimathause-s Perg im Mühlviertel durch die sinnlose Plünderung (Jänner 1946) vernichtet wurden, dürfte die ausgezeichnet geleitete und von einer kulturell aufgeschlossenen Verwaltung geförderte handwerksgeschichtliche Sammlung des Heimathauses Freistadt, Oberösterreich, weithin an der Spitze stehen. Ihr Besuch kann darum nur angelegentlichst empfohlen werden. Im folgenden sei nun ein im Heimathause Freistadt, Oberösterreich, verwahrtes Archivale von großer sammlerischer Bedeutung näher besprochen, das mit Recht als ein Wertstück der Handwerksgeschichte bezeichnet werden darf. Es handelt sich um ein Buch mit offenbar selbst gebasteltem Einband aus Pappe, beklebt mit engelrot gefärbtem und pergamentähnlich aufgewiach:stem Papier; zwei Paar Lederriemchen dienen zum Verschluß. Das aufgeklebte Papierschild träigt in Tinte die Handschrift „Mauster stuckh Puech : In Jahr anno 1720" Ohne weiteres Vorstoß- oder Titelblatt ~<>innt es auf der ersten aufklappbaren Doppelseite mit der Vorrede, die hier in ihrer ursprünglichen Schreibweise wiedergegeben sei: ,,Neie Einrichtung der Mauaterstuckh: In Jahr: 1720: Erstlich ist Ein Jetes stuckh beschriben, Von wassuor matery oder zeig, dasselbige Gerisen sey und wief111 man darzue gebraucht hat, Zum andterten seindt bey Einern Jetwödten stuckh, souiell sich in disen Buech befindten treierlay zeig oder matery. Und Ein Jetwödter zeig oder matery seine Braiten ist orntlich beschriben, und ist bey Einen sechzöchenteltaull gerechnet worten das bey ainitwödtern stuckh, der zeig, oder die matery aines souill austragen duet alss dass anter 256
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