OÖ. Heimatblätter 1952, 6. Jahrgang, Heft 1

Oberösterreichische ·Heimatblätter die Mitte des 16. Jahrhundert~. Eine Reihe von geschäftstüchtigen und reichen, Handelsbürgern übte z,u jener Zeit maßgeblichen Einfluß auf die Gestaltung des Wirtschaftslebens aus. Durch zahlreiche im Stadtarchiv verwahrte Verlassenschaftsakten erlangen wir Einblick in die materiellen Grundlagen dieser vermögenden Gernllschaftsklasse, für die neben dem Handel mit Eisenwaren, Salz, Bier und Lebensmitteln vor allem der ZwirnhandeI eine einträgliche Erwerbsquelle bildete. Eine ungefähr gleich große Zahl von Handwerkern verlieh Freistadt das Gepräge einer gewerbefleißigen Handelsstadt. Das vom Stadtschreiber Veiit Stahel im Jahre 1557 angelegte Schätzbuch, das den Besitzstand der gesamten Bürgerschaft verzeichnet und für jene frühe Zeit ak; wertvolle stadtgeschichtliche 1Quelle· anzusehen ist, bot dem Verfasser die Möglichkeit zu einer eingehenden und weitgehend vollständigen Darstellung der Verhältnisse. Die dem Text beigegebene, aus derselben Zeit stammende Zeichnung - die bisher älteste An.::,icht Freistadts - vermittelt eine klare Vorstellung vom damaligen Stadtbild. Ein Stadtplan aus dem Jahre 1841 bietet willkommene Vergleichsmöglichkeiten hinsichtlich des Häuserbestandes. Die Arbeit Grülls bringt somit nicht nur eine Fülle von neuen Forschungsergebnissen zur Lokalgeschichte, sondern liefert wertvolle Bausteine für den Ausbau der bisher noch wenig gepflegten Disziplinen der Wirtschafts- und Sozialgeschichte in unserem Lande. Mit den großen Stadtbränden zu Beginn des 16. Jahrhunderts (1507 und 1516) beschäftigt &ich die nachgelassene Arbeit des verstorbenen Grazer Archivdirektors Ignaz Nößlböck, die durch zahlreiches Quellenmaterial belegt ist und über vie,le interessante Einzelheiten dieser folgeIIBchweren Ereignisse berichtet (S. 64 - 78). Hertha Awecker beschreibt in ihrem Beitrag „Die Franzosen in Freistadt i1n Jahre 1805/1806" (S. 5-13) auf Grund ausführlicher Berichte die während der Franzosen-Besetzung 1805/1806 in der Stadt herrschenden Zustände und lenkt damit die Aufmerksamkeit -auf eine kriegerische und bewegte Epoche der europäischen Geschichte, von deren Ereignissen auch unsere Heimat weitgehend erfaßt worden war. Die Arbeiten von Franz Dichtl „Vom Kupferechmiedhandwerk und seinem Brauchtum" (S. 14 - 24) und Friedrich Schober „Das Baderwesen in Freistadt" (S. 79-99) führen uns in die Vergangenheit zweier einst wichtiger Handwerkszweige. Anknüpfend an die Geschichte des alten Freistädter Kupferschmiedhauses (Nr. 35) und seine Handwerkdradition vermittelt F. Dichtl den Inhalt einer aus dem Ende des 18. Jahrhunderts stammenden Handschrift, die den Vorgang des Gesellen-Zuspruchs, d. i. des Vorsprechens bei einem Meister um Arbeit, mit allen beim zünftigen Handwerk üblichen Reden::arten und Gebräuchen wortgetreu wiedergibt. Das im Heimathaus verwahrte Dokument ist eine seltene und wertvolle Quelle zur Geschichte eines heute längst verschollenen Brauchtums, das Jahrhunderte hindurch für eine breite Schicht der bürgerlichen Bevölkerung unbestrittene Geltung besaß. Die Arbeit von F. Schober, der in jüngster Vergangenheit al:s Verfasser. der vorzüglichen Heimatbücher von Unterweißenbach (1948) und Königswiesen (1950) hervorgetreten ist, bietet einen umfassenden Ueberblick über die Entwicklung des Badergewerbes und der öffentlichen Gesundheitspflege in Freistadt bis in die ·erste Hälfte ds 19. Jahrhunderts. Besonders ist die Geschichte der einzelnen Badestuben und die Darstellung des Kreisphys-ikates hervorzuheben. Das zweite Heft der Freistädter Geschichtsblätter mit seinen heimatkundlich wie landesgeschichtlich interessierenden und wertvollen Beiträgen ist als wohlgelungen zu bezeichnen und bietet auch durch das historische Bildmaterial und die von F. Dichtl und F. Schober beigesteuerten Textzeichnungen ein gefälliges äußeres Gewand. Wir dürfen der Veröffentlichung. eine erfolgreiche Fortsetzung wünschen. Alfred Marks 78

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