OÖ. Heimatblätter 1952, 6. Jahrgang, Heft 1

~~hrltttum Walter Buch o wie c k i: Die gotischen Kirchen Oesterreichs. Wie1;1 1952 (Franz Deuticke). 490 Seiten, 183 Risse im Text, 116 Abbildungen, Preis 220.- S. Dieses bedeutsame Werk - da,s eine Spitzenstellung in der österreichischen Kunstliteratur einnimmt - bringt den lange awsstehenden Ueberblick über das österreichische Kunstschaffen aller gotischen Strömungen in Oesterreich, darüber hinaus auch ihre bedeutende Ausstrahlung nach Böhmen, Mähren, Ungarn, in die Schweiz, aber auch über Böhmen nach Sachsen, über Mähren nach Schlesien, endlich in die Südsteiermark und in rückläufiger Strömung nach Bayern. Der Verfasser geht in dieser großartigen Ueberschau auch bereits über eigene Erkenntnisse, wie er sie in einer Reihe von Publikationen als Spezialforschungen vorlegen konnte, hinaus und nimmt auch zu den neuesten Forschungen, wie etwa der Freistädter-Zuschreibung, Stellung. Nicht weniger als 690 literarische Werke sind verarbeitet und kritisch gewertet. Die ersten 150 Seiten bringen „gewissermaßen Morphologie und Syntax unserer baulichen Grammatik, Harmonielehre und Kontrapunkt dieser ,gefrorenen Musik', aus denen diese gewaltigen, traru:21endentalen Reden an das menschliche Gemüt und Gewissen gedichtet, diese unausschöpfliche Symphonie getürmt wurden." In diesem 1. Hauptstück „Das Ba,uwerk urnd seine Erscheinung" findet auch der Fachmann eine Fülle von Neuem oder noch wenig Bekanntem: so etwa, daß Kai.Eer Maximilian auch St. Wolfgang zur AufstelLung seines Grabmals in Aussicht nehmen wollte, oder, daß es über 90 österreichische Wehrkirchen gibt; die Karner in ihrer Volkstümlichkeit, die Kreuzgänge in ihrer Holzbautradition werden ebenso erwähnt wie die steinernen Altarnischen, von denen Oberösterrei<Ch ,allein sieben aufweist. Aehnlich bedeutsam spricht auch Oberösterreich (besonders das untere Mühlviertel) bei der Verwendung der Emporen mit, eine Eigentümlichkeit, die aus dem Profanbauen eingeflossen zu sein scheint; der völlig verschwundenen Lettner ist ebenso gedacht wie der Bildstöcke und Totenleuchten. In einem weiteren Abschnitt setzt sich der Verfasser mit den Variationen der Grundrißlösungen auseinander. Hier fe.,:seln besonders die zweiachsigen Bauten, die als „Künder altehrwürdiger zusammenhänge" (germanischer Holzbauweise) mehr als ein Drittel aller gotischen Kirchen Oesterreichs ausmachen. Oberösterreich hat davon heute zwei Drittel und heute noch neun Einsäulenkirchen. Die „Breitbau"- Beifpiele weisen das Baumgartner „Paradies" schon in das 1. Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts, ihr schließen sich noch 16 weitere oberösterreichische Beispiele an. Sie wären durch das vierschiffige Sonnberg in Südböhmen noch vermehrbar. Auch in den flachen Chorabschlüssen - es sind mehr als 50 - sieht der Verfasser - über das Zisterzienser Vorbild hinaus - volksverbundene Holzbauvoraussetzung. Er führt uns über die verschiedenen Zwischenstufen bis zu dem neunseitigen Chorabschluß eines· Sechzehneckes in Zwettl und Baumgartenberg, dessen Kapellenkranz und Umgang eine Vermählung von Halle und Kathedralgotik darstellt. Auch der „Achsenrückung-Knickung", die im unteren Mühlviertel gleich dreimal aufscheint, wird gedacht und die Annahme der „so ausgesprochenen Versinnbildlichung der Neigung des Hauptes Christi am Kreuze" zurückgewiesen. Den Erscheinungen des Grundrisses folgen die des Aufrisses, wobei die reine Hallengestalt in ihrem Streben nach Raumvereinheitlichung einerseits als neues Epätgotisches Raumgefühl, andererseits als „Künderin uralter, unausrottbarer bodenständiger Raumvorstellungen" gewertet wird. Profaner Saalbau, uralte Tempelgestalt des Raumquadrates mit vier Stützen geben wohl die Anregung zu einer Flut von Hallenkirchen in Oesterreich. Die Staffelkirche mit ihrer „Dunkelzone", dte Doppelkirchen, die Karner, di.e vielleicht. vom Megalithbau herzuleiten sind, endlich die Bauglieder und Raum bildenden Bauteile, Säulen und Gewölbe bis zum Schlingen- und Zellengewölbe mit dem bedeutendsten Beispiel Oesterreichs - in der Greinburg - :i;iehen in zahlreichen Be,ispielen 73

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