OÖ. Heimatblätter 1952, 6. Jahrgang, Heft 1

Oberösterreichische Heimatblätter Schwarze Meer zu befahren. Sie war auch! das erste österreichische Flußschiff, das ein Flaggenpatent erwarb. Vorher waren Schiffen nur Seepäs'Se ausgestellt worden, begreiflich, weil e'S eben keinen österreichischen Flußhandel über die Grenzen der Erblande hinaus gegeben hatte. Die noch immer vorhandenen, nicht geringen nautischen Schwierigkeiten werden schrittweise überwunden. Kaiser Joseph bestellt in Cherson den vielgeprüften Johann Rosarowitz zu 'Seinem ersten Generalkonsul, dem einzigen auf russischem Boden neben dem in Petersburg. 1784 gelingt schließlich dem zäh ringenden Internuntius Herbert, von der Pforte gleichzeitig mit der Freigabe der österreichischen Schiffahrt auf der türkischen Donau auch die freie Durchfahrt durch die Dardanellen zu erlangen. 1787, in dem Jahr, da die Zusammenkunft zwischen Kaiser Joseph II. und Katharina II. in Cherson stattfand, durchfuhren mehr als 200 österreichi'Sche und türkische Schiffe das Schwarze Meer. Die österreichischen wurden die zahlreichsten unter den Fahrzeugen dieses nun von Rußland und von Oesterreich erschlossenen, bi'S vor kurzem türkisch gewesenen Binnensees. Sie nahmen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts noch immer hinter den inzwischen aufrückenden ru'SSischen den ersten Platz ein. So war von der kleinen Ursache eines klug beobachteten Kanarientransports die große Wirkung ausgegangen, daß der Donauhandel ,und die Donauschiffahrt ~us den Erblanden in fernes Ausland eröffnet, die Donau zur Welthandel'Sstraße und ein Meer erschlossen werden konnte, womit allerdings auch die bis heute µicht zur Ruhe kommende „Dardanellen-Frage" ihren Ausgangspunkt nahm. Und wenn man nach dem Schicksal des damaligen Zieles des Donauhandels, nach dem neuen „Alexandrien" fragt, so zogen russische Agenten, die damals schon die Werbetrommel ausgezeichnet zu rühren verstanden, ungezählte Scharen von deutschen Kolonisten auch teilweise donauabwärts in das Gebiet von Chenion, wo für die Neuankömmlinge Potemkin so gut wie nichts vorgesorgt hatte, nicht einmal „potemkinsche Dörfer" 1 ). Das Wunderkind Cherson wuchs in den 16 Jahren, die zwischen seiner und der Gründung des weit günstiger gelegenen Odessa vergingen, sprunghaft empor und stand still wie das Herz seines Gründers, der hier, erst 25jährig, seine frühe Gruft gefunden hatte (1791). Schon dreißig Jahre, nachdem die türkische Beschränkung der Donauschiff. fahrt durch Herbert zu Fall gebracht war und das Handelsleben auf dem Strom sich seit den oben aufgezeigten Pionierleistungen immer mehr entwickelt hatte, konnte auf dem Wiener Kongreß Metternich von der Donau als einem internationalen Strom sprechen, dessen Schiffahrt ·allen Völkern freistehen müsse. 1) Dieses bis heute lebendig gebliebene und weitverbreitete Wort stammt von der Reise Kaiser Joseph II. nach Cherson (1787), wahrscheinlich von ihm selbst, der für den großen Favoriten der Zarin, Potemkin, nicht viel übrig hatte. Auf Grund dieser, teilweise ohne Potemkins Aufsicht unternommenen Reise urteilte Joseph II: ,,Man hat uns von Illusion zu Illusion geführt" oder später noch: ,,Das war kein~ Reise, sondern eine Halluzination".

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