OÖ. Heimatblätter 1952, 6. Jahrgang, Heft 1

Oberösterreichische Heimatblätter Die Entdeckung der Donau als Welthandelsstra.6e *) Von Hans Ha 1m (Innsbruck) Sooft Donau, Donauhandel, Donauschiffahrt, Linz auf der einen Seite und Rußland auf der anderen genannt werden, weiß der Geschichtskundige nicht nur von russischen Bestrebungen der jüngsten Vergangenheit und etwa der letzten hundert Jahre zu berichten, sondern auch von Bestimmungen g(wichtiger Frieden'Sverträge über Freiheit der Schiffahrt, über die Donaumündungen; er weiß von internationalen und anderen Donaukommissionen, nicht zuletzt von dem unaufhörlichen Aufflammen noch immer tobender leidenschaftlicher Auseinandersetzungen der Gegenwart, die die Bedeutung der Donau als besondeiiS hart und zäh umkämpfte Welthandelsstraße immer 'llvieder in grelles Licht tauchen. Hier in Linz, an den Ufern des Nibelungenstromes wirft sich von selbst die bisher unbeantwortete Frage auf, seit wann - vom Binnenhandel vollkommen abgesehen - die Donau Welthandelsstraße ist und wieso sie es wurde. Welche Bedeutung der Donau zukommen muß, ergibt sich schon daraus, daß dieser zweitgrößte Strom Europas wie kein anderer der Welt so viele und glänzende Hauptstädte an seinen glitzernden Faden reiht. Mit ihrem Lauf durch acht Staaten und deren mit einander oft nicht einmal weitläufig verwandten Völkerschaften bringt sie tausenderlei Möglichkeiten hervor für einen Austausch an Waren und Kulturgütern zwischen deutschen und österreichischen, tschechoslowakischen und ungarischen, serbokroatischen und bulgarischen, rumänischen und russischen Erzeugern und Verbrauchern. Um sie alle hatte die Donau bi'S in das Zeitalter der Eisenbahnen das verbindende Band geschlungen und heute noch ist die Beförderung auf dem Rücken des Stromes weit billiger als auf irgendeinem anderen Wege. Ueberdies folgt der Kampf zwischen Ost und West, in dem wir bislang mitten drinnen stehen und Oesterreich geographisch leider auch mitten drinliegt, dem von der Natur ins Antlitz Europas gegrabenen Weg, den die Donau als die wahre West-Ost-Achse Europas bildet. Das lange verkannte Leben der Hauptschlagader Europas faßt der vielfach prophetisch zu nennende Franzose Ernest Pezet in seinem rasch bekannt gewordenen Buch „Oesterreichs Ende - das Ende Europas" (neuer Titel: ,,L' Autriche et la Paix") mit den Worten *) Vortrag, gehalten auf dem Zweiten Oesterreichischen Historikertag in Linz am 19. September 1951. Die Belege für alle Einzelheiten sind in meinem Buche niedergelegt: Oesterreich und Neurußland. Erster Band. Donauschiffahrt und -hantle! nach dem Südosten 1718-1780. Mit einer Kartenskizze. Breslau 1943, 241 S., das infolge des Kriegsgeschehens nur in sehr wenigen Exemplaren erhalten blieb. Vgl. auch ,,Jahrbücher für Geschichte Osteuropas", Jahrgang 6. 16

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