OÖ. Heimatblätter 1952, 6. Jahrgang, Heft 1

Berichte Stifter in aller Welt Nachdem Adalbert Stifter im neunzehnten Jahrhundert in der Literaturgeschichte nur als „weltabgewandter Idylliker, der aus der lauten wirklichen Welt in die romantische Einsamkeit des Waldes flüchtet", gewertet wurde und im allgemeinen nur als „Jugendschriftsteller" ein Verlegenheitsdasein führte, brachten nach dem Ende der Schutzfrist und anläßlich seines 100. Geburtstages eine größere Anzahl von Neuausgaben eine neue 1 i t e r a r i s c h e Renaissance. Der Biograph Stifters Alois Raimund Hein zählte in seinem Lebensbuche des Dichters damals 20 Neuausgaben seiner Werke. Heute geht die Zahl der Neuausgaben Stifterscher Werke weit über das erste Tausend hinaus. Und die unübersehbar gewordene Flut von literarischen Arbeiten ü b e r Stifter erreicht bei 5000 Titel. Nicht mehr dem großen romantischen Naturschilderer, sondern dem großen E r z i e h e r S t i f t e r gilt die neue große Stifterrenaissance, die wir in aller Welt, weit über das deutsche geschlos:ene Sprachgebiet hinaus, in einer fast stürmischen Aufwärtsentwicklung wachsen sehen. Diese Wiedergeburt des Werkes und des Menschentums Stifters, wie es sich in seinen Dichtungen, in seinen „Vermischten Schriften" und in seinen „Briefen" dartut, beruht auf dem Geistgehalt seiner Schriften, auf seiner Weltanschauung, die auf dem sanften, alles Leben erhaltenden und ordnenden Gesetz der Harmonie von All und Menschenseele aufbaut. So wurden seine Dichtungen zu Heil:kräften einer zerrissenen, entseelten Welt und immer neue Ausleger und Deuter seiner Lebensweisheit heben Kleinod um Kleinod aus seinem Werk. Im folgenden wird versucht, einen erstmaligen Ueberblick über Stifters Geltung und Pflege in aller Welt zu geben. Im S u d e t e n 1 a n d hat der Krieg und seine Folgen der Stifterpflege schwere Wunden geschlagen. D~ Prager Gesamtausgabe der Werke Adalbert Stifters war bei Kriegsende abgeschlossen. Die beiden letzten, noch fehlenden Bände (Band XIII und Band XXV) waren zum Ausdruck in der Druckerei Rohrer in Brünn. Die Druckerei und der ganze Lagerbestand an Büchern wurden vernichtet. Der Sudetendeutsche Verlag Franz Kraus, Reichenberg, der Verleger der Gesamtausgabe, wurde vom gleichen Schicksal betroffen. Die Bände tauchten erst kurz vor dem Ableben des Bearbeiters und Herausgebers dieser Abschlußbände Hofrat Dr. Gustav Wilhelm in zwei Exemplaren - ein Band im Bürstenabzug - wieder auf, so daß zu gegebener Zeit der Verleger an die Neuausgabe und den Abschluß der Gesamtausgabe schreiten kann. Die D e u t s c h e G e s e 11 s c h a f t der Wissenschaften und Künste 1 n d e r T s c h e c h o s l o w a k e 1, die von ihrem letzten Vorsitzenden, Dr. Otto Grosser im Jahre 1941 in eine „Akademie der Wissenschaften" umgewandelt wurde und die das Erbe Stifters durch die Errichtung des „Stifterarchives", durch die Herausgabe und Finanzierung der Gesamtausgabe betreute, verlor durch den Umsturz ihren ganzen Fundus. Der letzte Präsident der Akademie Univ.- Prof. Dr. Otto Gro:ser zog 1945 nach Tummersbach bei Zell am See, wo er in seinem Landhaus seinen wissenschaftlichen Arbeiten lebte. Er war auch der letzte Vorsitzende der „Stifter-Kommission", die die Obsorge über die Herausgabe der Gesamtwerke seit Sauers Zeiten besorgte. Einen Nachruf auf Professor Dr. Otto Grosser, der am 23. März 1951 In Tummersbach einem Schlaganfall erlag, wird unsere Vierteljahresschrift gesondert bringen. Die letzten Bände der „P r a g e r G es am tau s gab e" wurden in jahrelanger em:::!gster Arbeit von Dr. Gustav Wilhelm fertiggestellt. .Der Band XIII 115

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