OÖ. Heimatblätter 1952, 6. Jahrgang, Heft 1

Der „Stiftermensch" Franz K~arl Ginzkey Von Otto Jungmair (Linz) Hermann Bahr prägte das Wort von den „Stiftermenschen", indem er sagte: ,per Stiftermensch liegt in der Zukunft, nur der Stiftermensch ist unsere Zukunft" und der Dichter Franz Karl Ginzkey fügte dem hinzu: ,,D i e S t i f t e r m e n s c h e n g e h ö r e n zu j e n e n, d i e e i n e S a c h e u m i h r e r s e 1b s t w i 11 e n tun und es fällt ihnen gar nicht schwer, diesen ebenso moralischen als leider etwas ungewöhnlichen Grundsatz einzuhalten, weil die Belohnung innerer Harmonie ihnen wichtiger ist, als die Bestätigung von außen. Auch der Baum wächst nicht, um anerkannt zu werden, er vollendet sich einfach in sich selbst" . . . Das Leben eines Stiftermenschen hat Franz Karl Ginzkey selbst in treuer Nachfolge nach dem Weisen von Oberplan in seinen Schriften und in seinem Leben verwirklicht. Wer sein Lebensbuch „Der Heimatsucher" liest, dem strömt die Harmonie der Stille und Ausgeglichenheit aus einem in sich gefestigten, ausgewogenen Leben entgegen. Dr. h. c. Franz Karl Ginzkey wurde nach dem Rücktritt des schwer leidenden Dr. Josef Bindtner am 12. Jänner 1937 zum Vorsitzenden der „Adalbert Stifter-Gesellschaft Wien" bestellt. Unter seiner Führung, unterstützt von der temperamentvollen umsichtigen Werbung Friedrich Speisers, stieg die Gesellschaft zu einem das ganze Wiener Kulturleben durchdringenden und alle erl'eichbaren Stifterverehrer und -forscher in der Welt zusammenfassenden Vereinigung auf. Ginzkey regte die Herausgabe eines alljährlichen „Ad a 1b e r t Stifter - A 1man ach es" an, gewann den Verlag Zsolnay Wien zu dessen verlegerischer Betreuung und arbeitete in ihm selbst mit Beiträgen mit. Der Almanach gewann schnell die Liebe der Leser und war alljährlich bald vergriffen. Wiederholt sprach Ginzkey in öffentlichen Vorträgen und bei festlichen Anlässen und seine Reden - weit über Vereinsansprachen hinausragend -- sind tiefschürfende Deutungen der Dichtung Adalbert Stifters geworden. Auch im Rundfunk (Ravag, Wien 28. Jänner 1938) hielt er Stifterlesungen. Sein „K 1eines Tagebuch" im „Neuen Wiener Journal" vom Jahre 1937 bot unter den Titeln „Medizin der Seele", ,,Die Stiftermenschen" ,,Erste Bekanntschaft", seine eigene Verbindung mit dem ihm geistesverwandten Dichter kündend, die Erlebnisse des „sanften Gesetzes" in seinem eigenen Leben. In Ginzkey stand an der Spitze der damal·s tonangebenden Gesellschaft die Weltanschauung Stifters in Mensch gewordener Gestalt und wirkte trotz oder gerade wegen der Stille der Aeußerung so werbend und überzeugend. Die von ihm geleiteten „Stifterabende" der Gesellschaft werden allen Teilnehmern als Feierstunden dauernd im Gedächtnis bleiben. Die Gesellschaft dankte ihm sein Wirken und sein Vorbild mit der Ernennung zum Ehrenmitglied. Nachdem der Dichter 1945 das Wirkungsland Stifters zu seiner Wahl8 113

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