OÖ. Heimatblätter 1952, 6. Jahrgang, Heft 1

Im „Schluß", dem letzten abrundenden Abschnitt des Buches, ist es dem Verfasser offenbar ein Herzensanliegen, Stifters religiöse Haltung in noch schärferes Licht zu •stellen. Ueber Stifters persönliches Verhältnis zur Kirche läßt sich „nicht viel Eindeutiges aussagen". Stifter gebraucht gewissermaßen „Vokabel" des Bürgertums des nachjosefinischen Geistes, um sein religiöses Leben auszudrücken. Enzinger faßt es in die Formel zusammen: Es ist ein dogmatisch nicht betontes Christentum, das Elemente des Humanismus in sich aufnehmen konnte, weil sie ihm nicht widersprachen. Enzinger sieht im Sanften Gesetz das Gelassenheitsideal des 18. Jahrhunderts wirksam. Dieses Ideal ist der Stoa verwandt, und auch die benediktinische Haltung ist eine Nachwirkung der Stoa. In politischen Dingen hat Stifter einem gemäßigten Liberalismus gehuldigt, wie aus seiner Einstellung im Jahre 1848 hervorgeht. Doch dieses darf nicht mit seiner religiösen Weltanschauung zusammengeworfen werden. Das „Benediktinische" wirkt sich zweifellos in ihm unbewußt aus. Das Zeremoniöse des Umgangs in einigen seiner Spätwerke, die Ehrfurcht vor den Dingen, der Lobpreis der praktischen Tätigkeit, das Erhalten des Einstmaligen, die Ergebenheit in die Vorsehung, überhaupt das Irenische bei ihm läßt einen Vergleich mit dem benediktinischen Lebensideal zu. Im „Nachsommer" geht ein Leben ohne Leidenschaft seinen leisen Gang, in Verbundenheit durch eine gemeinsame Hausordnung, die sich sogar in einer Art von Tracht auswirkt. Mit der Schilderung dieses Lebens hat Stifter bewußt oder unbewußt seinen Dank an die benediktinische Lebensführung abgestattet. Der exakten Forschungsmethode gemäß verzichtet Enzinger mit Absicht auf eine blendende Darstellung. Die herbe, von Gedankenreichtum gesättigte Sprache wird breite Massen nicht anlocken. Man möchte fast prophezeien, daß andere Schriftsteller kommen und diesen erntereichen Acker zu gefälligen Blumenbeeten umpflügen werden. Ein besonderes Schwergewicht liegt in der Schatzkammer der in Kleindruck aufgestapelten Anmerkungen verborgen. Hier findet der Wissenschafter alle Belege und manche Kostbarkeit aus der benützten Literatur. Leider wird dadurch der Haupttext häufig unterbrochen, wohl ein Gebot der Sparsamkeit. Das anschließende Literaturverzeichnis bildet geradezu eine wertvolle Bibliographie, in der die maßgebende Stifterliteratur der letzten 30 Jahre und noch weiter zurück erfaßt wird. Alles in allem ist das Werk Enzingers ein grundlegendes Buch. Es hat alle Anlagen in sich, daß wir von der Fortsetzung dieser Forschungen das unverzeichnete, wahre iStifterbild erwarten dürfen. Es ist das große Verdienst des jungen Adalbert Stifter-Institutes des Landes Oberösterreich, daß das Erscheinen dieses Werkes unter seinem Patronat ermöglicht wurde. '105

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