OÖ. Heimatblätter 1952, 6. Jahrgang, Heft 1

gefüllt ist. .Einige, darunter das gütige kräftige Mönchsgesicht des Paters Placidus Hall, ,sind als bisher unveröffentlichte Bilder dem Buch beigefügt. Auch das gemessene Biedermeier-Porträt von Stifters weltlichem Zeichenlehrer Riezlmayr gesellt sich dazu. Mit ,Selb'stentäußerung hat sich Enzinger Jahre hindurch in die gesamte Literatur der Lehrbücher, sowohl der gymnasialen Anstalt als auch der philosophischen Kurse versenkt. Das ganze Lehrsystem mit all den feinen zeitbedingten Verzweigungen und den von der Wiener StudienHofkommission weltanschaulich ferngelenkten Bindungen wird eingehend entworfen. Enzinger gelangt zu dem Schluß, daß in allen Lehrbüchern der philosophischen Studien neben der kirchlich-religiösen Grundlage Leibniz-Wolff'Sche Ideengänge herrschten und neben den Spuren der Aufklärung und des Josefinismus auch die „popularisierte Kantsche Philosophie" sich geltend machte. In den Lehren über das Naturrecht und das öffentliche Recht an der Wiener Universität waren ebenfalls neben der Wolffschen Anschauung auch Schwenkungen zu Kant durchgeführt. Auch Stifters Jugenddichtung wird mit erschöpfender Gründlichkeit behandelt. Wir erhalten den überzeugenden Eindruck, daß sich Stifters Jugendlyrik zum großen Teil von den gern geübten Schülerproben herleitete. Den Ansporn gab die Chrestomathie für die Humanitätsklassen, also das Deutsche Lesebuch. Nur Matthison, Salis Seewis und auch Hölty gewannen von der privaten Lektüre her verstärkten Einfluß. Die Gedichte vor dem Erlebnis mit Fanni Greipl dürfen nach Enzinger nicht biographisch gedeutet werden. Erst eigene Liebe und eigenes Leid vertieften Stifters Gedichte. Aber auch da klingt Schillers Rhetorik durch, und mehr noch machte sich die Lektüre Goethes fühlbar. Die gleichen überzeugenden Betrachtungen läßt Enzinger auch der Jugendmalerei angedeihen. Eine eingehende Würdigung Riezlmayrs wird dargeboten. Er vertritt eine pedantisch-steife und doch liebenswürdige Landschaftskunst, eine Kunst der Vedutenmalerei. Wie Stifters Jugenddichtungen mit Schulübungen begannen, so gehen auch seine frühen Bilder aus dem Zeichenunterricht hervor. Reizvoll ist die Gegenüberstellung - auch in einer neuen Bilderbeilage lehrreich veranschaulicht - eines allerdings nicht von Stifter signierten, aber ihm zugesprochenen Aquarells „Ideale Landschaft" mit Claude Lorrains Gemälde „Landschaft mit Apollotempel zu Delos". Wie in der Jugendlyrik die Neigung zum Dämmerigen, Schwermütigen, so keimt auch in der Jugendmalerei die Vorliebe zum elegischen Idyll aus der Jugendsehnsucht des Dichters nach dem verlorenen Kindsein hervor. Es berührt wohltuend, daß Enzinger sich von dem Dilettantismus in psychoanalytischen und tiefenpsychologischen Deutungen fernhält. Er folgt viel lieber Deutungen nach Spranger: ,,Das Elegisch-Wehmütige deutet auf den Verlust der kindlichen Einheit hin, auf das Bewußtwerden der Spaltung, der Hang zum Idyll auf das Verlangen, die frühere Einheit wieder zu gewinnen, dem Zwiespalt zu entfliehen.'' 103

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