OÖ. Heimatblätter 1952, 6. Jahrgang, Heft 1

Rede des Landeshauptmannes Dr. Heinrich Gleifiner anläßlich der Konstituierung des „Adalbert Stifter-Institutes des Landes Oberösterreich" am 3. Juni 1950 Am 3. Juni 1850, also heute vor einhundert Jahren, hat der Minister für Kultus und Unterricht Graf Thun einen Erlaß unterfertigt, der für das Kulturund Geistesleben unseres Landes entscheidende Bedeutung erlangt hat: Adalbert Stifter ist zum Mitglied der Landesschulbehörde für das Kronland Oesterreich ob der Enns mit der Verwendung als Inspektor der Volksschulen und dem Titel eines Schulrates ernannt worden. Damit wurde einem wahrhaft großen deutschen Dic'hter, der schon alB Knabe von den dunklen und traumumwobenen Höhen des Böhmerwaldes nach den hellen, gesegneten Fluren und Bergen Oberösterreichs gesehen hatte und so oft durch den Haselgraben nach Linz und in die Lateinschule des Benediktinerstiftes Kremsmünster gewandert war, in unserer Landeshauptstadt eine benachbarte zweite Heimat gegeben. Nun war Stifter der drückendsten materiellen Sorgen entledigt. Damals konnte man freilich noch nicht ahnen, daß der neuernannte Schulrat dereinst den Gipfel des Dichterruhmes erklimmen sollte. Heute sind Stifters innigtiefe Werke in der ganzen Welt bekannt. Ungezählte Bücher und Schriften sind in i.leutscher Sprache, aber auch in anderen Weltsprachen über den Dichter und sein Werk erschienen, die Zahl wächst noch immer von Jahr zu Jahr. In dem erst kürzlich stattgefundenen Rundfunk-Gespräch zwischen Linz und New-York hörten wir, wie selbst in den Vereinigten Staaten Stifters hohe Kunst einen immer größeren Kreis von Menschen auch anderer Nationen anzUEprechen vermag. Aber nicht nur dem Dichter, auch dem gütigen Menschen, dem begeisterten Kämpfer für sittliche Größe, für Freiheit und Maß, dem Schulreformer gilt die allgemeine Verehrung und Liebe. Darüber hinaus noch unser Dank dem Begründer der Landesgalerie und des oberösterreichischen Kunstvereines und dem Erretter wertvollster Kunstschätze unseres Heimatlandes. Dieser Dank verpflichtet uns aber, alles zu tun, um das Vermächtnis dieses Großen unseres Landes im ganzen Umfange zu sichern und zu wahren. Es ist schon unsagbar viel Schönes und Erhebendes aus diesem Schatze zum Besten des Volkes geschöpft worden, aber es bleibt auch noch viel zu tun übrig. Das ist es nun, was uns veranlaßt hat, ein „Adalbert Stifter-Institut" zu gründen. Das neue Institut, das vorerst nur aus einem kleinen Kreis von lVlitgliedern bestehen wird, die die Grundlage für den geplanten Aufbau des Institutes schaffen sollen, hat sich ein hohes Ziel gesetzt. Es wird bemüht sein, in unserem Lande einen Mittelpunkt der Pflege des geistigen Vermächtnisses Adalbert 100

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