OÖ. Heimatblätter 1951, 5. Jahrgang, Heft 1

Oberösterreichische Heimatblätter aus verhältnismäßig wenigen Oertlichkeiten zu einer umfassenden Stoffsammlung fortschreiten, die die volkskundlichen Erscheinungen Ort für Ort und Bezirk für Bezirk erhebt und zur Eintragung auf entsprechenden Karten bereitstellt. Nur so vermögen wir uns ein verläßliches Bild von der räumlichen Verbreitung eines Brauches, einer Hausform, des Vorkommens eines Sagenmotivs usw. zu machen und können darangehen, sie zu ihrer Erklärung etwa mit geographischen oder Klimakarten zu vergleichen, um zu erkennen, in welcher Weise Bodenform und -bedeclmng oder klimatische Verhältnisse auf die Entstehung oder Veränderung der Elemente unserer Volkskultur eingewirkt haben. Wir werden aber ebenso wertvolle Erkenntnisse aus den Vergleichen der volkskundlichen Verbreitungskarten mit historischen Karten gewinnen, .die die Erstreckung einstiger mittelalterlicher oder frühneuzeitlicher Herrschaftsbereiche ausweisen, die mitunter in auffallender Weise mit dem Verbreitungsgebiet verschiedener Rechtsbräuche, Lautformen, Arbeitsgeräte usw. übereinstimmen und uns so die die Kulturbewegung hemmende oder fördernde Wirkung dieser alten politischen Grenzen deutlich vor Augen führen 2 ). Wo siich aber die Verbreitungsgebiete zahlreicher volkskundlicher Erscheinungen zur Gänze oder doch annähernd decken, kann es geschehen, daß in ihnen plötzlich die beharrende Kraft uralter Kulturräume zutage tritt, die äußerlich durch die Einwirkung von Jahrhunderten längst verschwunden sind, jedoch durch Beibehaltung oft nur wenig auffallender Einzelheiten des volkstümlichen Lebens in der kartographischen Darstellung deutlich sichtbar werden. Die Verzeichnung der volkskundlichen Einzelheiten in Verbreitungskarten gestattet aber auch zu erkemien, ob die betreffende Erscheinung der Volkskultur in unserem Gebiet selbst entstanden ist, hier ihren Mittelpunkt hat und sich nach den Ausstrahlungsgebieten ringsum allmählich verliert, oder ob wir sie von außen übernommen und an unsere Nachbarn weitergegeben haben, uns so mit ihnen zu einem großen gemeinsamen Kulturbereich verbindend. Daraus wird nicht nur der große Wert der sorgfältigen Beobachtungen und der genauen kartographischen Verzeichnung für die Volkskunde selbst ersichtlich, sondern auch die Bedeutung, die volkskundlichen Karten in der Kulturraum- und Heimatforschung zukommt. Es ist daher verständlich, daß ihnen auch in einem Unternehmen wie dem „Oberösterreichischen Heimatatlas", den das Institut für Landeskunde am Oberösterreichischen Landesmuseum in Linz vorbereitet, ein entsprechender Platz eingeräumt wird. Ja, sie gewinnen innerhalb eines derartigen Werkes, das die geographischen, klimatischen, naturwissenschaftlich.en, vorgeschichtlichen und geschichtlichen, siedlungs-, wirtschafts- und verkehrskundl!ichen Verhältnisse darstellt, erst ihre volle Bedeutung. Sie stehen hier unmittelbar neben den Vergleichskarten, die die auswertende Forschung benötigt, und bilden mit ihnen zusammen das getreue Spiegelbild von Land und Leuten Oberösterreichs, das zu geben die Gestalter des Heimatatlasses als ihre Hauptaufgabe betrachten. 26

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