OÖ. Heimatblätter 1950, 4. Jahrgang, Heft 3

Oberösterreichische Heimatblätter und Gesängen begleiteten 39). So konnte die Sage entstehen, Engel hätten das Baumaterial übertragen. Interessanter Weise hat diese Verlegung der Kirche vom linken Ufer auf die Anhöhe am rechten Ufer auch eine uralte Glockensage festge¬ halten. Sie erzählt: Eine heute noch im Kirchturm hängende Glocke soll in den Zeiten der Völkerwanderung (gemeint ist damit eine längst vergangene Zeit) im Keller des Wendenwirtshauses (Lumplgraben Nr. 54 und 55) vergraben worden sein, damit sie vor dem Feinde sicher sei *0). Nach unserer zweiten Kirchenbausage, zog man auch auf der Hochterrasse zwei Bauplätze in Betracht: beim Heiligen Brunnen und den heutigen Kirchenstandplatz. Es ist wohl begreiflich, daß es Leute gab, denen eine Kirche beim Wunderbrunnen, weil sie ihrer Behausung näher lag, sehr erwünscht gewesen wäre. Vielleicht klingt hier die Eingliederung der dem hei¬ ligen Brunnen nahen Ortschaft Hintstein in den Kirchenbezirk nach. Daß aber die Mehrzahl der Bewohner für den Bau am heutigen Kirchenstandplatz war, der ja mitten im alten heidnischen Bezirk lag, ist begreiflich, wenn man bedenkt, um wie viel günstiger dieser Ort für die Bewohner des so dicht besiedelten Neustiftgrabens lag. Außerdem beherrscht dieser Platz auch die ganze Gegend. Die Wahl des hl. Jakobus des Alteren als Kirchenpatron, der ja Schutzherr der Wanderer ist 41 mag Ursache sein, daß zur Sage der Wanderkirche auch die Sage von einem Wanderbild kam. Solche Wanderbilder hat unser deutsches Sprachgebiet gar viele 42). Es mag wohl auch ein beim Heiligen Brunnen aufgestelltes Bild unseres Kirchenpatrones feierlich zum endgültigen Bauplatz übertragen worden sein. Um die unterlegene Partei nicht zu kränken, hat das Volk im Bericht über die Platzwahl eine höhere Macht entscheiden lassen. Wohl kaum darf man eine so realistische Erklärung annehmen, wie sie für die Gosauer katholische Kirche gegeben wird. Dort verschwand das am erwählten Bauplatz aufgestellte Kreuz nachts immer wieder auf den jetzigen Kirchenstandplatz hin, der schließlich für die Kirche gewählt wurde. Nachträglich stellte es sich heraus, daß ein geschäftstüchtiger Wirt das Kreuz jede Nacht vertragen habe, um die Kirche in der Nähe seines Hauses zu haben 43). Ob nicht diese Erklärung auch wieder eine Sage ist! Denn die Sagen unserer Wanderbilder haben, wie schon gesagt, einen tieferen Sinn. Wenn dieser Versuch, die Großraminger Kirchenbausagen zu deuten, noch keine volle Klärung schafft, so möge ihm doch die Berichtigung mancher Irrtümer und der Umstand, daß durch ihn manche Flurnamen erklärt wurden, zugute gehalten werden. Josef Peyrl (Linz) 30) J. Sigl, Engel übertragen Kirchenbaumaterial. In: Linzer Volksblatt 1931, Nr. 295. 20) Diese Sage erzählte mir zu Ostern 1926 der alte Bahnpensionist Josef Scheiblehner. Er hörte sie als Ministrant von alten Leuten erzählen. Vgl. auch J. Peyrl, Aus der Ver¬ gangenheit des Großraminger Kirchturms. In: Steyrer Zeitung Ig 1926 Nr. 74. *) Deutsche Gaue Bd 27 S. 170 f. 22) Deutsche Gaue Bd 12 S. 268 f. Der Aufsatz: „Sage und Legende um unsere Wall¬ fahrtsorte“ (im Linzer Volksblatt 1935, Nr. 283) zählt von Oberösterreich 7 auf; A. Hoppe, Des Österreichers Wallfahrtsorte (Wien 1913) bringt S. 915, für Österreich 32 Wanderbilder. 43) W. Pucher, Gosau und das Gosautal. Heimatland (Beilage des Linzer Volksblattes) Juniheft 1935, S. 94. 274

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