OÖ. Heimatblätter 1950, 4. Jahrgang, Heft 3

Bausteine zur Heimatkunde Zeitabstandes (1513 Kirchenbau — 1675 Bericht der Sage) unmöglich. Nehmen wir einen sehr günstigen Fall: der Großvater wäre 1513, als er beim Kirchenbau arbeitete, 15 Jahre alt gewesen und Peter Stadler im Jahre 1675, als er die Geschichte dem P. Franz erzählte, 70 Jahre (er hat nach 1660 ja noch einmal ge¬ heiratet), so hätte der „Endl“ bei der Geburt des Enkels Peter bereits ein Alter von 107 Jahren gehabt. Unmöglich schöpfte also unser Gewährsmann Stadler aus erster Quelle. Ein bekannter Heimatforscher, der sich besonders viel mit Landes¬ sagen und ihrem Wesen beschäftigt hat, konnte feststellen, „daß derjenige, der die Sage erzählt, die Sage so darstellt, als ob sein Großvater alles dies erlebt hätte. Aus alten Büchern wissen wir aber, daß auch schon die Großväter der Großväter, sich auf ihre Vorfahren berufen haben“.*) Es ist nämlich das Schicksal vieler Sagen, daß ihr Ursprung in uns nahe Zeiten herauf versetzt wird, indem man sie mit alten Leuten, die sie uns überliefert haben, in Verbindung bringt. Der Vorgang beim Kirchenbau — Entscheidung zwischen zwei Bauplätzen durch ein überirdisches Eingreifen - weist in die graue Vorzeit und zeigt Er¬ innerungen an die Heidenzeit. Längst vor 1513 stand in Großraming schon ein Gotteshaus an der Stelle, die heute die Kirche ziert. Betrachtet man diese genau, so kann man beobachten, daß die Sockelmauern des Langhauses sich von den Sockelmauern der Strebepfeiler sowohl in der Höhe, als auch in der Mauerung und in der Sockelabfassung unterscheiden. Erstere zeigen die Merkmale des aus¬ gehenden 14. Jahrhunderts, während letztere dem Beginn des 16. Jahrhunderts, also unserer Bauzeit 1513, angehören 10). Ein gewiegter Kenner alter Gotik, vor allem Ober- und Niederösterreichs, sprach nach genauer Untersuchung der Raminger Kirche die begründete Vermutung aus, daß um 1390 auf einem gemauerten Unterbau (erwähnter Langhaussockel!) eine Holzkirche (Kirchenschiff) erbaut wurde, die sich an eine schon bestehende kleine Kirche aus einer noch früheren Zeit anschloß, wofür aus den Donauländern Bei¬ spiele beigebracht werden können. 1) Holzbauten waren ja damals keine Selten¬ heit. 12) Diese fachmännische Ansicht wird bestätigt durch die Tatsache, daß Abt Niko¬ laus I. von Garsten während seiner Regierungszeit (1365 — 1399) „die Kirche in Großraming umbauen und erweitern ließ“. Das setzt natürlich voraus, daß vor Errichtung der erwähnten Sockelmauern schon ein kleines Kirchlein für die Gläubigen bestand. 9) O. Schmotzer, Die Sagen über die Welschen. Deutsche Heimat Ig 23 (Wien 1928) G. 2. 10) Die Kirche vor der Erweiterung 1936. 1) Mündliche und schriftliche Mitteilung des Architekten R. Puchner, Baumeister in Bad Hall. 12) Siehe z. B. die diesbezüglich interessante Notiz für die 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts in A. Czernys, Der erste Bauernaufstand in Oberösterreich 1525 (Linz 1882) S. 79. 13) G. E. Frieß, Die Wappen der Abte von Garsten. Im Jahrbuch „Adler“ N. F. Bd 1 (Wien 1891) S. 3. 269

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