OÖ. Heimatblätter 1950, 4. Jahrgang, Heft 3

Bausteine zur Heimatkunde aus Freude am Wunderbaren, aus Mißverständnis usw. immer mehr umgestaltet und entstellt, also zur Sage wurde. So entstanden die vielen Bausagen, die sich vielfach an alte Kirchengebäude knüpfen. Die Großraminger Kirche hat deren gleich zwei. Die erste Sage hat meines Wissens erstmalig M. Kaltenbrunner veröffent¬ licht. Er erzählt, „daß man anfangs die Kirche an der Stelle bauen wollte, wo jetzt das schöne Kreuz beim Oppl steht, aber Engel trugen bei Nacht die Steine auf den Berg.“ Gemeint ist die Anhöhe, auf der jetzt die Kirche steht. 2) Die zweite Sage ist deshalb besonders bemerkenswert, weil sie uns in Form und Inhalt so überliefert ist, wie sie im Volke vor mehr als 270 Jahren lebte. Sie ist nämlich in einem Zehentregister des 17. Jahrhunderts vom damaligen Pfarrer P. Franz Schlager aufgezeichnet worden und lautet: „Anno 1675, 3. No¬ vembris erzählte mir Petrus Stadler, Maurer am Puchberg, ex relatione avi sui (d. i. nach Bericht seines Großvaters), daß anfänglich der Brunnen beim Ober¬ bergerbauern sei der Heilige Brunn genannt worden, ratio ab alio adducta (d. i. nach anderem Bericht), weil einstens alle anderen Brunnen abgestanden und dieser allein geflossen und daß alldort die Kirche hätte sollen erbauet werden, weilen aber ein dahin geopfertes S. Jakobi-Bild sich selbst von dannen bei nächt licher Weil zum Öfteren herumgestellt, wo die Kirche jetzo steht, sei sie da her¬ gebaut worden anno 1513, wobei obvermeldetes Petri Endl (Großvater) ge¬ arbeitet hatte. So der überlieferte Text. Noch in 5 Aufzeichnungen von Garstner Mönchen ist uns diese Kirchenbausage aus dem 18. Jahrhundert schriftlich überliefert. Diese Darstellungen unterscheiden sich nicht wesentlich von der des P. Franz Schlager und sind offensichtlich von ihr abhängig. *) 2) M. Kaltenbrunner, Geographisch-historische Skizze von Großraming (Steyr 1920) S. 13. *) Dieses „Zehentregister De anno 1642“ befindet sich im Großraminger Pfarrarchiv. Der Text ist hier in jetztiger Rechtschreibung und mit entsprechenden Satzzeichen wiedergegeben. *) Die entsprechenden 5 Handschriften sind: a) Decennium Abbatis Anselmi, Blatt 123; Papierhandschrift von P. Leopold Till (1688 1757); aufbewahrt im Stiftsarchiv in St. Florian. Siehe dazu F. X. Pritz, Geschichte der ehemaligen Benediktiner-Klöster Garsten und Gleink (Steyr 1894) S. 87. b) Biographia oder Kurze Lebensbeschreibungen. Papierhandschrift von P. Ernest Koch aus dem Jahre 1803; befindet sich im Stiftsarchiv in Seitenstetten. Hier wurde eine im Landes¬ archiv (Garstner Archiv) in Linz befindliche Abschrift benützt. (S. 127). c) Notulae Historicae de Parochiis Monasterio Garstensi incorporatis. Papierhandschrif in lateinischer Sprache von P. Ernest Koch im Stiftsarchiv in Seitenstetten. Der Titel stammt von einem Seitenstettener Archivar. d) Garstner Referent oder Garstner Archiv-Auszug. Ist eine Abschrift aus obiger Notulae (Anmerkung 4, c) aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts und umfaßt 3 Blätter. Der Titel stammt vom Dechant Prinzinger (1853 — 1870 Pfarrer in Großraming): e) Im Landesarchiv in Linz: Stiftsarchiv Garsten, Bd 77; Nr. 2; fol. 2. 3st eine Abschrift aus dem erwähnten Großraminger Zehentregister. 267

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