OÖ. Heimatblätter 1950, 4. Jahrgang, Heft 3

Berger: Enrica von Handel-Mazzetti Die Aufführung von Karl Schönherrs Drama „Glaube und Heimat (Dezember 1910) führte zu einem neuen Literaturstreit. Unverkennbar war die Einwirkung der „Armen Margaret“ auf die Abfassung von Schönherrs Drama. Josef Hofmiller (Freising-München) stellte in den „Süddeutschen Monatsheften (1911) bei Schönherr eine „über das Literarische hinausgehende Verwandtschaft fest. Diese Tatsache, die heute wohl niemand mehr in Abrede stellen kann, rief eine Flut von leidenschaftlichen Artikeln für und wider „Handel-Mazzetti und Schönherr“ hervor. Das abschließende Urteil bot wohl M. Anklin in ihren Gedanken zum neuesten Literaturstreit: „Enrica von Handel-Mazzetti und Karl Schönherr' (Berlin, K. W. Mecklenburg, 1911). Handel-Mazzetti selbst äußerte sich zur Frage des Plagiates in zwei wertvollen Briefen, zunächst in einem an P. Expeditus Schmidt, der sie um eine Äußerung über die Ähnlichkeit der beiden Werke für seinen Berliner Vortrag gebeten hatte. Dieser Vortrag erschien dann in der Zeitschrift „Über den Wassern“ 1911, Heft 10, ferner in einem Briefe vom 24. April 1911 an Julius Rodenberg, wieder abgedruckt bei Anklin, S. 78 f. Es waren ruhige und sachliche Äußerungen, denen eine grobklotzige Aussendung Schönherrs in der Zeitung „Die Zeit“ (Wien, 15. April 1911) gegenübersteht. Man vergleiche dazu die entschuldigenden Worte, die Handel-Mazzetti in dem Briefe vom 14. März 1911 aus Steyr an den Hofschauspieler Schreiner in Wien schrieb: „Nein, eine Tendenzwirkung konnte ich (bei Schönherr) nicht finden Etwas anderes allerdings fand ich, worauf ich schon von vielen Seiten aufmerk¬ sam gemacht worden bin, besonders nach der Mannheimer und jetzt nach den Schweizer Aufführungen, daß nämlich Schönherr eine Anzahl von Stellen aus meiner Margaret wörtlich oder fast wörtlich reproduziert hat. Dem Künstler ist da kein Vorwurf zu machen; auch Lessing hat freimütig zugegeben, seine Miß Sara auf Richardsons Clarissa aufgebaut zu haben. Das Genialste, das, was den unsterblichen Wert seiner Tragödie ausmacht, hat Schönherr nicht von mir, die Liebe zur Scholle in allen ihren Abstufungen, wie sie sich in dem knorrigen Alpenbauern äußert“ 27). Zu den aufrichtigen Verehrern der Dichtkunst Handel-Mazzettis gehört der Staatsbibliothekar und nunmehrige Universitätsprofessor in Innsbruck, Dr. Anton Dörrer, und zwar seit dem Erscheinen von „Jesse und Maria", in dessen Kenntnis er durch seinen Gymnasiallehrer P. Nikolaus Scheid in Feldkirch ein¬ geführt wurde. Seit 1913 besprach er die neuerschienenen Werke der Dichterin: in der „Reichspost“ 1913, Nr. 278, „Brüderlein und Schwesterlein“; im 9. Bande des „Gral“, 1914/15, „Stephana Schwertner“; in der „Allgemeinen Rundschau", 17. Band, 1920, den „Deutschen Helden“, und im 20. Band 1923, „Ritas Ver¬ mächtnis"; im „Tiroler Anzeiger“, 1925, „Die deutsche Passion“; in der „Augsburger Postzeitung, 1927, „Das Blutzeugnis“; im „Basler Volksblatt“, 1930, „Frau Maria“ und im gleichen Blatte 1939 den Roman „Graf Reichard“. 22) Brief im Besitze des Bibliotheksdirektors Dr. Kurt Vancsa, Linz. 233

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