Oberösterreichische Heimatblätter „rw“ nochmals züm sechzigjährigen Jubiläum der Dichterin mit einer „Nach¬ denklichen Gratulation“. Er sagt: „Sie hat sich ja so entwickeln müssen, wie ihre Anlagen bedingten. Es ist durchaus zu bezweifeln, daß Lob oder Ehre sie jeweils beeinflußt haben, ein Beweis dafür, daß eine große Natur nach eigenen Gesetzen sich entwickelt“ 24). Das Schaffen Handel-Mazzettis spielt im sogenannten Literaturstreit Kralik¬ Muth eine nicht unwichtige Rolle. Muth hatte unter dem Decknamen Veremundus zwei Broschüren über die Stellung der katholischen Belletristik und die literarischen Aufgaben der deutschen Katholiken geschrieben (1898/99). diesem Sinne arbeitete in München von 1900 bis 1906 die „Literarische Warte“ und seit 1903 das von Muth begründete „Hochland“ 25) Auf dem Wiener Katholikentage wurde 1905 der Gralbund gegründet, der seit 1906 die Zeitschrift „Der Gral“ unter der Leitung von Franz Eichert heraus¬ gab. Die beiden Zeitschriften standen bald im Gegensatz zueinander, der noch verschärft wurde durch eine dritte schöngeistige Zeitschrift „Über den Wassern (seit 1908). Der Franziskanerpater Expeditus Schmidt hatte in der Zeitschrift „Volks¬ bildung“ (37. Band, 1906, S. 373 ff) über die Stellung der Katholiken im deutschen Literaturleben geschrieben. Mit der von ihm gegründeten Zeitschrift „Über den Wassern“ suchte er seinen Anschauungen Leben zu verleihen. Der Wiener Oskar Katann äußerte sich im 3. Bande ausführlich über den „Schlu߬ teil von Jesse und Maria und die Modernismus-Anklagen“ 26). Was Handel¬ Mazzetti bei diesen Wirren dachte und fühlte, schrieb sie 1910 an einen Freund mit den klaren Worten: „Mein Ziel, mein ganzes Streben ist, echt katholische Kunst in der schönsten Form zu bieten. Es tut mir unendlich leid, wenn man den Geist nicht wehen fühlt, weil die Formen nicht ganz dem Gewohnten ent¬ sprechen. Der Berliner Literaturkreis war auf Handel-Mazzetti schon seit dem Erscheinen des „Meinrad Helmperger“ aufmerksam geworden. Richard Moritz Meyer hatte ihren Erstlingsroman wärmstens begrüßt und der Dichterin in ihrem ersten Kampfe große Schützenhilfe geleistet. Erich Schmidt hatte unter dem Titel „Ave Maria“ den Roman „Jesse und Maria“ in der „Deutschen Rundschau“, 130. Band (1907), S. 314f sehr gut besprochen. Marie Ebner¬ Eschenbach war mit den Berliner Literaturkreisen sehr befreundet. Von Possart sollte am 5. Oktober 1908 Handel-Mazzettis „Deutsches Recht“ in Berlin vor¬ tragen. Trotz aller norddeutschen Widerstände war damit unserer Dichterin der Weg in die deutsche Reichshauptstadt geöffnet. 22) Vergl. auch Adolf Knoblauch, Sendung und Werk weiblicher Prosadichtung, Hoch¬ land, Jg. 27. 25) Vergl. Wiederbegegnung von Kirche und Kultur. Eine Gabe für Karl Muth. München, 1927. 26) Vergl. Asthetisch-Literarische Arbeiten. Innsbruck 1918. 232
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