OÖ. Heimatblätter 1950, 4. Jahrgang, Heft 3

Sommer: P. Simon Rettenpachers „Teutsche Reymgedichte“ Im Folgenden soll versucht werden, die Gedichte nach Hauptthemen zu ordnen und jeweils Proben zu geben. Bemerkenswert ist, daß in den deutschen Liedern ein profaner Zug stärker bemerkbar ist, als in den lateinischen Oden. So ist auch die Zahl der Liebesgedichte bedeutend. Einem munteren Späßchen ist Rettenpacher nicht abgeneigt, als Ordensmann hat er aber auch leicht über seine liebesselige Umwelt zu lachen. So neckt, warnt und droht er vor den Fallstricken der Liebe (34, 46, 48, 81, 102, 109, 110, 124, 153, 160, 169 u. v. a.). Seine Auffassung von der Liebe gibt er so kund (1/XI) 13): Reichtum/ pracht ich achte nicht Wollust hat mich nie verpflicht habe mich zu liebe beflissen: das wird wehren ewig hin Ist der Tugend schönster gwin Vnd verlezet nicht das gwissen. In einem Epigramm gibt er uns den guten Rat, in der Liebe verschwiegen zu sein (6): Schreye nicht vil von der Lieb sonsten findest bald ein Dieb. Innig wird sein Ton in der Verherrlichung der himmlischen Liebe (32). Großen Raum nehmen Gedichte ein, die den Tugendbegriff in allen Ab¬ wandlungen hervorheben (4, 130, 187 u. a.). Hier ist eine der Wurzeln, durch die Rettenpacher tief mit der Antike und humanistischem Gedankengut verklammer ist. Tassilo Lehner hat die Stellung Rettenpachers zum Griechischen 14) hervor gehoben und wir gehen nicht fehl, wenn wir auf gründliche Kenntnisse der grie¬ chischen und römischen Klassiker, vor allem Homers schließen. Denn besonders aus Homer lernte Rettenpacher den Begriff der Areté kennen. Dort ist Areté Tüchtigkeit, Kraft, virtus. „Tugend“ ist weiterhin Mittelpunkt der Erörterungen vom hohen Mittelalter bis ins Barockzeitalter und es ist nicht zufällig, daß die Siebenzahl des ersten Buches der deutschen Reimgedichte auf die „Virtutes Car dinales et Theologicae“ (Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Maßhalten, Glauben, Hoffnung, Liebe) hindeutet. An einer Stelle sagt Rettenpacher (4): Schönheyt/ Reichtum/ hohs geschlecht bhalten nicht allzeyt ihr recht: Tugend allein fest beharrt Vnd den besten schaz verwarret. Wenn der Mensch daher von der „Tugend“ weiß, — man hielt sie nämlich für lernbar — so kann er nach ihr handeln und sein Leben nach ihr ausrichten. Ja, er kann sie wiederum auf andere Menschen übertragen; dieses pädagogische Moment scheint auch in vielen Schriften Rettenpachers auf. 13) Bei den im Folgenden angeführten Texten ist die arabische Zahl die Nummer des Gedichtes in der Reihenfolge der Handschrift, die römische Ziffer zeigt den Vers an. 14) P. Simon Rettenpachers Stellung zu dem Griechischen (Linz 1894). 217

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