OÖ. Heimatblätter 1950, 4. Jahrgang, Heft 3

Oberösterreichische Heimatblätter Die „Teutschen Reymgedichte“ sind mit 5. März 1682 datiert; der Coder in Kleinfolio zählt 189 Blätter. Bei der Wiedergabe des Textes folge ich, da die Beibehaltung der ursprünglichen Schreibung den barocken Charakter der Dichtungen am besten zu erhalten scheint, genau der Schreibweise des Dichters, ich glaube, durch diese Buchstabentreue das Eindringen in die barocke Sprache zu erleichtern. Nur offensichtliche Fehler wurden stillschweigend ausgemerzt. Ebenso bleibe ich bei der Zeichensetzung Rettenpachers, ohne den barocken Schrägstrich ()) in einen Beistrich aufzulösen. Im Text der Handschrift selbst ist eine Zweiteilung der Gedichte ersichtlich. Rettenpacher wollte allem Anschein nach ein großes Werk deutscher Poesie anlegen. Davon zeugt die Einteilung in Bücher und Kapitel. Das erste Buch zählt sieben Kapitel, wobei die Zahl sieben nicht ohne Absicht gewählt ist, denn Zahlenmystik spielte im 17. Jahrhundert eine große Rolle. Durchwegs beschauliche und geistliche Gedichte, eigentlich mehr religiöse Abhandlungen in Neimen, füllen dieses erste Buch. Es besteht ein merkbarer Unterschied zum zweiten Teil der deutschen Gedichte; ist Rettenpacher hier noch teilweise unbeholfen und ringt um sprachlichen Ausdruck, so überraschen uns später die flüssigen Verse der mehr weltlich gehaltenen Schöpfungen. Die Überschriften zu den einzelnen Kapiteln sind wie folgt: 1. Kapitel: Gebett zu vnseren Herrn/ ihme vm Verzeihung der begangenen Fähler zu bitten (26 Strophen). 2. Kapitel: Das auf der Menschen Versprechen kein Vertrauen zu sezen (41 Strophen). 3. Kapitel: Von menschlicher vnbeständigkeit (28 Strophen). 4. Kapitel: Das wir nicht sollen halten an die sachen dieser welt (17 Strophen). 5. Kapitel: Das umm Gott zu gefallen alle sachen verlassen muß (15 Strophen). 6. Kapitel: Von den vrsachen/ die wir haben vns zu verachten (Prosa). 7. Kapitel: Von der süßigkeyt vnd sicherheyt der Absonderung (70 Strophen). Kapitel 6 ist ein Traktat in Prosa, ich vermute Anklänge an ein fremd sprachiges Original, es gehörte demnach in die Reihe der Übersetzungsliteratur, über die wir oben handelten. Es ist uns im Rahmen dieser Arbeit leider nicht viel Raum gegeben, bei diesen geistlichen deutschen Gedichten länger zu verweilen, wir hoffen jedoch in einer historisch - kritischen Ausgabe der deutschen Schriften Rettenpachers das Versäumte nachholen zu können. Im Codex ist nun ein Blatt freigelassen, daran schließen sich weitere deutsch¬ sprachliche Schöpfungen des Dichters, insgesamt 193 Gedichte. Eine Gliederung der deutschen Lieder nach bestimmten Gesichtspunkten ist nicht feststellbar; es wechseln religiöse mit weltlichen, Liebes- und Naturlieder mit tiefer Gedankenlyrik, seiner Vaterlandsbegeisterung gibt Rettenpacher in Fran¬ zosen- und Türkengedichten Raum; den Stachel seines Witzes zeigt er hie und da in einem spöttischen Epigramm. Er steht über allem törichten Welttreiben und ist dabei nicht weltfern geblieben. Eine bewußte Abhängigkeit von einem der Zeit genossen ist nicht nachzuweisen. 216

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