Oberösterreichische Heimatblätter Herausgegeben vom Institut für Landeskunde am o.-ö. Landesmuseum in Linz durch Dr. Franz Pfeffer Juli-September 1950 Heft 3 Jahrgang 4 Inhalt Seite Kurt Willvonseder: Ur- und frühgeschichtliche Kunst im Bezirk Braunau 204 Walter Luger: Zur Gründungsgeschichte des Prämonstratenser-Stiftes Schlägl 212 Anton Sommer: P. Simon Rettenpachers „Teutsche Reymgedichte" Franz Berger: Enrica von Handel-Mazzetti. Ein Beitrag zu ihrer Biographie 224 Bausteine zur Heimatkunde Franz Stroh: Die Schmuckscheibe von Perg Othmar Wonisch: Ein Rundschreiben des Passauer Bischofs Wolfker zu Gunsten des Hospitals am Pyhrn .. Ernst Neweklowsky: Die Abhandlung nach einem Schiffmeister aus dem Jahre 17152 Gustav Brachmann: Salniterer und Pulvermacher. Eine vergessene Hantierung. Heinrich Ferihumer: Eine Beschreibung der Bewohner Oberösterreichs (1771)... Erhard Riedel: Zur Geschichte des Postwesens im Innviertel. 259 .... Gustav Brachmann: Die Zimmermannshacken im oberösterreichischen Landesmuseum. Gedanken zur Wandlung der Gestalt unseres Handwerksgerätes 266 Josef Peyrl: Die Großraminger Kirchenbausagen. Versuch einer Deutung... Schrifttum Buchbesprechungen. 275 Von der wissenschaftlichen Arbeit unseres Nachwuchses 278 * * * Eduard Straßmayr: Heimatkundliches Schrifttum über Oberösterreich 1949 281 Jährlich 4 Hefte Zuschriften für die Schriftleitung (Beiträge, Besprechungsstücke) an Dr. Franz Pfeffer, Linz a. D., Museumstraße 14 Zuschriften für die Verwaltung (Bezug) an die Buchdruckerei des Amtes der o.-ö. Landes¬ regierung, Linz a. D., Klosterstraße 7 Verleger und Eigentümer: Verlag des Amtes der o.-ö. Landesregierung, Linz a. D., Klosterstr. 7 Herausgeber und Schriftleiter: Dr. Franz Pfeffer, Linz a. D., Museumstraße 14 Druckstöcke: Klischeeanstalt Franz Krammer, Linz a. D., Klammstraße 3 Druck: Buchdruckerei des Amtes der o.-ö. Landesregierung, Linz a. D., Klosterstraße 7
Oberösterreichische Jemawladee Jahrgang 4 = Heft Z Juli=Geptember 1950 Ur- und frühgeschichtliche Kunst im Bezirk Braunau Von Kurt Willvonseder (Salzburg) Die geistige Grundhaltung einer Bevölkerung spiegeln, wenn man sich an die materiellen Ausdrucksmittel hält, am reinsten Baukunst und Kunsthandwerk wider. Reste urgeschichtlicher Häuser, Kultbauten oder anderer Bauwerke haben sich in unseren Breiten nur unter ganz besonders glücklichen Umständen erhalten. Aus dem Bezirk Braunau, der zu den fundreichsten in ganz Oberösterreich zählt, sind an ortsfesten urgeschichtlichen Denkmälern nur die Grabhügel der Spät¬ bronzezeit und der Hallstattzeit zu verzeichnen. Eigentliche Baureste kennt man hier erst aus den ersten Jahrhunderten n. Chr., der Zeit der Römerherrschaft. Als ergiebige Quellen erweisen sich jedoch die vielfältigen Erzeugnisse kunstgewerblichen Schaffens: Gerät und Schmuck als Träger künstlerischen Ausdrucks. Es ist wohl nur Stückwerk, mit dem wir arbeiten müssen, denn der Aussagewert der durch Zu¬ fall oder planmäßig geborgenen Funde ist recht unterschiedlich. Auch ist der eine Abschnitt der geschichtlichen Zeit besser, ein anderer wieder dürftiger belegt. So liegen im Bezirk Braunau aus der Hallstattzeit, einer Epoche ohne eigentliche künstlerische Höhepunkte, weitaus mehr Funde vor als aus der Bronzezeit, die eine ausgesprochene Blütezeit urgeschichtlicher Kunst war. Viele der dem Außenstehen den nicht selten gering oder sogar nichtssagend erscheinenden Bodenfunde sind be¬ redte Zeugnisse schöpferischer Kräfte, denen sie ihre Entstehung verdanken. Sie richtig zu bewerten und darüber hinaus den Menschen, der als Glied einer bis in die Gegenwart reichenden Kette hinter diesen Dingen steht, sein Fühlen und Denken zu erkennen, seine Gesittung und geistige Entwicklung zu ergründen, ist Aufgabe der Forschung. Es werden hier nur Fundstücke eingehender gewürdigt, die von höherer kunst- oder stilgeschichtlicher Bedeutung sind. Altere Steinzeit Funde aus der älteren Steinzeit fehlen bisher aus dem Bezirk Braunau, doch könnten solche erwartet werden, da bereits an zwei Stellen, in Mining und im Grießgraben bei Unterrothenbuch (Gem. Braunau, früher Ranshofen), Mahlzähne des Mammuts, das der Mensch der Altsteinzeit gejagt hat, zutage gekommen sind. 193
Oberösterreichische Heimatblätter Jüngere Steinzeit Ziemlich gut ist die Jungsteinzeit durch eine größere Anzahl von Steinbeilen vertreten, von denen die Knaufäxte von Aching (Gem. St. Peter) und Braunau nähere Beachtung verdienen. Möglicherweise stammt die Lochaxt von Unterrothen¬ buch (Gem. Braunau, früher Ranshofen) aus einem Grab. Ob im Holzöstersee tatsächlich Pfahlbauten bestanden haben, wie man auf Grund einiger Steingeräte und älteren Nachrichten zufolge vermutet, bedarf einer Nachprüfung. Bronzezeit Aus der älteren Bronzezeit rühren die Hortfunde mit Ösenhalsringen (Barrenringen) von Leiten bei Weng, Lochen, Buch bei Munderfing (Fund I) und Pischelsdorf sowie ein einzelner, vermutlich ebenfalls einem größeren Fund ent¬ stammender Ring aus der Mattig bei Aselkam her. Schon dem Ende der Früh¬ bronzezeit gehört ein Randleistenbeil mit halbkreisförmiger Schneide und leichter Absatzbildung von Braunau an. Der mittleren Bronzezeit können eine Schwertklinge und vielleicht auch noch ein schönes Griffzungenschwert von Braunau, eine Langdolchklinge von Schwand und einige Beile (Absatz- und mittelständige Lappenbeile) zugerechnet werden. Eine Reihe stilgeschichtlich bedeutungsvoller Funde haben die Hügelgräber der „jüngeren Bronzezeit von Nöfing (Gem. St. Peter) und vom Ratishof (Gem. Über ackern) ergeben. In Nöfing wurden ein Vollgriffschwert und das Bruchstück eines solchen gefunden, deren Griffsäule durch senkrechte Reihen paragraphenartig in¬ einandergreifender kleiner S-Spiralen verziert ist (Abb. 1). Auch die konzentrische Verzierung der Oberseite der mit einem Mittelknopf versehenen Knaufplatte wird durch derartige S-Spiralen bestimmt. Bei den Gefäßen von Nöfing, unter denen bauchige mit Kegelhals vorwiegen, sind Schulter und Bauch durch senkrechte Riefen gegliedert. Bei einem ist zudem der Hals durch waagrecht umlaufende Zickzackbänder verziert. Auch metopenartige Gliederung, wobei Buckel mit senkrecht gerieften Feldern wechseln, ist anzutreffen. Die Tonware aus den Gräbern beim Ratishof fällt durch die reiche Anwendung von Stempelkerbschnitt auf. Diese Technik unterscheidet sich vom echten Kerbschnitt dadurch, daß die Muster nicht durch Ausheben des Grundes, sondern durch Stempelabdrücke erzeugt werden. In beiden Fällen wird aber dieselbe Wirkung erzielt. Als Stempel verwendete man Geräte mit dreieckigen, rautenförmigen oder quadratischen Enden, die man in den weichen Ton eindrückte. Eine ehemals zwei henkelige Schale vom Ratishof bietet ein treffliches Beispiel dieser in der Spät¬ bronzezeit in Süddeutschland verbreiteten, vielleicht auf Textilmuster zurückgehen¬ den Kerbschnittverzierung (Abb. 5). Wie ein Gürtel umfaßt die Verzierung, die unten hängende, von kleinen abstehenden Strichlein gesäumte Dreiecke abschließen, die Schulter. Durch schmale dreieckige Abdrücke werden innerhalb des Musters waagrechte Zickzackbänder ausgespart (Umkehrung von Grund und Muster). Diese Verzierungsweise wie auch die Riefung beinhaltet eine Abkehr von der in der 194
Willvonseder: Ur- und frühgeschichtliche Kunst im Bezirk Braunau älteren und mittleren Bronzezeit üblichen, die in einem inneren Verhältnis zum Aufbau des Gefäßkörpers stand und als plastischen Schmuck nur Leisten oder noch sparsam angewandte Buckel kannte. Kerbschnitt und Riefung streben eine durch den Wechsel von Hell und Dunkel, den die Auflösung der Fläche mit sich bringt, hervorgerufene optisch-malerische Wirkung an. Es tritt eine Entwertung des Grundes ein, S der selbst stellenweise oder völlig zum Ornament wird. Diese Auflösung der Form ist ein Wesenszug der spät¬ bronzezeitlichen und frühhallstattzeitlichen Tonware in oe96 weiten Gebieten Europas. Altere Eisenzeit (Hallstattzeit) Die ausgehende reine Bronzezeit und die frühe Hallstattzeit faßt man neuerdings unter dem Begrif „Urnenfelderzeit“ zusammen. Die in der mittleren und späten Bronzezeit übliche Körperbestattung in Hügel¬ gråbern wird durch die Leichenverbrennung verdrängt. Die Urnengräber sind meist in größeren Friedhöfen ver¬ eint. Dieser Wechsel im Bestattungswesen geht auf Einwanderung der Illyrier zurück, deren Herrschaft Alpenvorland erst zu Beginn der Jüngeren Eisenzeit im 5. Jahrhundert v. Chr. durch die Kelten ein Ende be reitet wurde. Dem jüngeren Abschnitt der älteren Urnen¬ felderzeit (Hallstattstufe A) gehören die Bronzeschwerter mit Vollgriff von Feldkirchen (Abb. 2) und aus dem Inn bei Mining (Abb. 3) an. Die schwach gebauchte Griff¬ säule wird durch waagrechte Wülste in drei Zonen mit Spiralverzierung gegliedert. Bei dem Schwert von Feld¬ kirchen ist die Oberseite der Knaufplatte durch Rand¬ bogen, die Kreisaugen einschließen, bei der Waffe von Mining durch ein nicht eben wohlgelungenes Wellenband und Kreisaugen in den „Wellentälern“ nahe dem Rand ..Bog Be Mgososelososok e o69oNosooojoog 6669 oMosoosoosos verziert. Die Unterseite der Knaufplatten beider Schwerter beleben einfache, in konzentrischen Kreisbändern ange ordnete Strichlein, bzw. Häkchen. Die Spiralverzierung Abb. 1. Vollgriffschwer aus der jüngeren Bronze¬ an der Griffsäule — eine ungebrochene Linie, die sich zeit von Nöfing. zur Spirale einrollt, dadurch einen Kern bildet, dieser ½ nat. Gr. (Landesmuseum aber verläßt, um mit der nächsten Windung das Spie Linz) zu wiederholen — ist eine aktiv bewegte Form, die in der Bronzezeit aufkommt, sich in die frühe Hallstattzeit fortsetzt, dann aber versiegt. Die Knaufplatten verraten zwei verschiedene Grundsätze bronzezeitlicher Kunst eine Kreisfläche zu verzieren. Die Kreisaugen an der Knaufplatte des Schwertes von Feldkirchen sind durch die enger werdenden Bogen an den Rand gebunden und 13* 195
Oberösterreichische Heimatblätter erfüllen als Zellen innerhalb des vielheitlichen Musters, VV 22 in das der Mittelknopf nicht einbezogen ist, eine Funk¬ tion. Bei dem Schwert von Mining dagegen wird der Knopf, durch eine Umrahmung hervorgehoben, zum Kern des in sich geschlossenen, durch das vom Rand losgelöste Wellenband bestimmten Ornamentes. Die Kreisaugen sind hier nicht wesenhafte Bestandteile des Musters, son¬ dern nur Füllfiguren. Diese Vollgriffschwerter wie auch die beiden jungbronzezeitlichen von Nöfing geben mit ihrer Verzierung Aufschluß über den Hochstand der Kunst an der Wende von der Bronze- zur Hallstattzeit in Mitteleuropa, deren lebendige, stets organische, einer durch innere Zucht gebändigten Kraft entsprungene und dadurch spannungsreiche Formen nicht nur einen Ver¬ gleich mit den Ausdrucksmitteln der klassischen ornamen¬ talen Kunst aushalten, sondern diesen sogar in manchen Zügen zumindest ebenbürtig sind. Der jüngeren Urnenfelderzeit (Hallstattstufe B) hören ein Brandgräberfeld in Überackern und ein kleiner Hortfund von Staudach (Gem. Hochburg-Ach) an, der neben anderen Bronzen einen mit kleinen Vogelfiguren besetzten Deichselschmuck enthält (Abb. 11). Die Vögel chen, die offenbar Enten darstellen, weisen einen flachen Körper, der nach hinten spitz zuläuft, einen leicht geschwun¬ genen Hals und einen rundlichen Kopf mit breitflachem Schnabel auf. Trotz weitgehender Stilisierung entbehren sie nicht einer gewissen Naturnähe. Derartige Bronze¬ vögelchen treten in Mitteleuropa erstmalig in der Urnen¬ felderzeit auf. Weitere Verbreitung und Verwendung hat der „Hallstattvogel“, der nach neuerer Auffassung östlicher Herkunft ist, in verschiedenen Ausführungen — als Voll plastik wie auch im Relief an Treibarbeiten (Gürtel¬ blechen, Gefäßen u. a.) — aber erst in der jüngeren Hall¬ stattzeit gefunden. Der Deichselschmuck von Staudach ist ein gutes Beispiel, wie sich die figurale Kunst der Hall¬ stattzeit mit dem Tier auseinandersetzte, das nicht mit dem geschmückten Gegenstand verschmilzt oder aus diesem heraus empfunden wird, sondern ornamentales Beiwerk bleibt. Vollgriffschwert Abb. An weiteren bemerkenswerten Funden der jüngeren der älteren Urnenfelder¬ zeit aus Feldkirchen. Urnenfelderzeit aus dem Bezirk Braunau sind ein Mö¬ 3 nat. Gr. (Heimathaus rigerschwert vom Hochpointfeld westlich Uttendorf, ein Braunau a. J.) 196
Willvonseder: Ur- und frühgeschichtliche Kunst im Bezirk Braunau Schalenknaufschwert von St. Pantaleon und Bronzen aus Gräbern in Überackern zu verzeichnen. Urnenfelderzeitlich sind auch der zweite Hortfund von Buch bei Munderfing (Fund II), die Mehrzahl der oberständigen Lappenbeile, vielleicht auch noch einige mittelständige, sowie mehrere Tüllenbeile und Tüllenmeißel. M Der im Bezirk Braunau am besten vertretene Ab schnitt der urgeschichtlichen Zeit ist die jüngere Hallstatt¬ zeit. Dieser gehört eine beträchtliche Reihe von Gräber¬ feldern an, die meist eine größere Anzahl fundreicher Grabhügel umfassen. Die bedeutendsten sind die Hügel gräberfelder von Uttendorf, Lengau, Lochen, Auerbach, vom Siedelberg (Gem. Pfaffstätt), Gansfuß bei Gilgen¬ berg, Achinger Zipf (Gem. Neukirchen a. d. Enknach), Ochsenweg und Roiderholz bei Ranshofen. Einige dieser Grabhügel, vor allem ein Hügel in der Lohnau bei Uttendorf, wiesen reiche und kostbare Ausstattung auf. Verzierte Tonware enthalten alle Gräber, die meisten auch Waffen aller Art und Pferdegeschirr aus Bronze und Eisen, Wagen, Bronzegefäße und andere kunstge¬ werbliche Erzeugnisse. Die Grabhügelfelder im Bezirk . Braunau haben eine derartige Menge mannigfacher - Funde geliefert, daß es nicht schwer fällt, ein anschau¬ liches und umfassendes Bild von Art und Technik des Kunsthandwerks der jüngeren Hallstattzeit zu gewinnen. Eine außergewöhnliche Probe handwerklichen Kön¬ nens ist der Goldreif, der im Jahre 1884 zusammen mit zwei Bronzekesseln mit kreuzförmigen Henkelbeschlägen, einem in seine Bestandteile zerlegten Wagen und anderen Dingen in einem Grabhügel in der Lohnau bei Utten¬ dorf gefunden wurde (Abb. 8 u. 9). Die ältere Deutung als Halsreif trifft nicht zu. Man hat es vielmehr mit einem Kopfreif zu tun, der anscheinend im Haar oder um eine Mütze getragen wurde. Der Reif hat einen Durch¬ messer von 19.5 : 21 cm, eine Breite von rund 4 cm und wiegt 255.5 g. Der Feingehalt beträgt 810 Teile Gold auf 190 Teile Silber. Das eine Ende ist mit einem Buckelknopf versehen, der in die Ningöse eingehakt wird, in die das andere Ende ausläuft. Sieben Längsrippen Abb. 3. Vollgriffschwert bilden das Gerüst der Verzierung. Den breiten Mittel¬ der älteren Urnenfelder¬ zeit aus dem Inn bei streifen zieren auf der Spitze stehende Pyramidenbuckel, Mining. 3/5 nat. Gr. (Hei¬ die oben und unten je ein Perlbuckel abschließen; die Zwickel mathaus Braunau a. J.) 197
Oberösterreichische Heimatblätter füllen kleine Ringlein. Beiderseits des Mittelstreifens, von diesem durch zwei dünne Längsrippen getrennt, sind Ringlein zu einem schmalen Streifen geordnet. Dann folgen eine breite, wulstige Rippe zwischen dünnen Leisten, eine Art Perl¬ stab und schließlich ein Band mit quergestrichelten Dreiecken. Dieselben schmalen und hohen Dreiecke erscheinen auch an der Randeinfassung der Öse, die außerdem durch größere und kleinere Kreislein verziert ist. Der Knopf ist in der Mitte mit einem Kreisauge versehen, um das acht Kreislein geschart sind. Das Rätsel, wie man die Verzierung an derartigen großen Goldreifen hergestellt hat, ist noch nicht restlos gelöst. Die ungemein sorgfältige und regelmäßige Ausführung setzt Techniken voraus, deren Kenntnis verloren gegangen ist. Der glatte Goldblech streifen, der bei dem Uttendorfer Reif eine Länge von 60 cm und eine Breite von 6.6 em hatte, wurde zu einem zylindrischen Reif zusammengebogen und über einer Hohlkehle aus Holz halbwulstförmig geschlagen. Dann erst wurden die Längsrippen und die weiteren Muster mit Punzen getrieben. Die meisten Gold¬ reife dieser Art — teils Hals-, teils Kopfreife —wurden in Württemberg gefunden. Im Rahmen eines hübschen Lebensbildes aus der Späthallstattzeit hat sich O. Paret dafür ausgesprochen, daß alle, auch der Uttendorfer, einer Werkstätte entstammen. Einflüsse aus dem thrako-kimmerischen Kreis, als dessen Träger man ein Reitervolk ansieht, das am Ende der Urnenfelderzeit aus dem Osten bis an den Ostalpenrand gedrungen war, verraten einige bronzene Riemenknöpfe des Pferde¬ geschirres aus einem Hügelgrab am Gansfuß bei Gilgenberg: dreischenkelige und V-förmige Knöpfe mit Rahmen auf vier Stegen auf der Rückseite (Riemen kreuzungen) sowie eine größere Anzahl kleiner kreuz- und hantelförmiger Knöpfe mit halbrunder Bügelöse, die als Riemenbesatz dienten (Abb. 6, 7, und 10). Wesentliche Züge späthallstattzeitlichen Geräteschmuckes kommen in der Ver¬ zierung der beiden in Scheiden steckenden Prunkdolche aus Grabhügeln in Auer¬ bach (Abb. 13) und am Siedelberg (Abb. 14) zur Geltung. In dem Griff des Dolches vom Siedelberg könnte man die weitgehend schematisierte Wiedergabe einer menschlichen Figur mit über den Kopf erhobenen Armen sehen. Bei dem anderen Dolch ist das Ende der Griffstange mit einem waagrechten, durchbrochenen und oben mit Knöpfchen besetzten Querbalken versehen. Beiden Stücken gemein¬ sam sind die verzierte Parierstange und das reich gegliederte Ende der Scheide, das in einem Knopf ausläuft, dessen Mittelzone bei dem Siedelberger Dolch aus einem organischen Stoff bestand. Eine Hauptform der Tonware aus den junghallstattzeitlichen Hügelgräbern sind große rundbauchige Gefäße mit schmalem Fuß, kurzem Kegelhals oder niederer Stehleiste (Kragen). Die weitausladende Schulter ist als der hervor¬ stechendste Gefäßteil Träger einer oft reichen, auf prunkvolle Wirkung abzielenden Verzierung. Weitere Formen sind Tassen, Schalen, Fußschalen, Stufenteller mit abgetrepptem Unterteil und Innenverzierung. Bei den Kegelhals- und Kragen¬ gefäßen besteht die Verzierung aus Hängebogen, Girlanden, Dreiecken, Rauten 198
Willvonseder: Ur- und frühgeschichtliche Kunst im Bezirk Bruunau und anderen geometrischen Gebilden, die teilweise ursprünglisch symbolische Bedeutung gehabt haben mögen. An einem Gefäß sind oft mehrere Techniken vereint: zur überwiegenden Ritzverzierung treten echter Kerbschnitt, Stempelmuster und schließlich Bemalung mit Graphit, schwarzer und roter Farbe. Gute Beispiele für die Möglichkeiten, die sich aus der Verbindung verschiedener Ziertechniken ergeben, bieten ein Kegelhalsgefäß vom Gansfuß bei Gilgenberg (Abb. 15) und ein Kragengefäß aus dem Roiderholz bei Ranshofen (Abb. 12). Bei dem Kegel¬ halsgefäß sind der Mündungsrand und der durch 17 Dreiecke, die sich aus ein¬ gestempelten Kreisaugen zusammensetzen, verzierte Hals graphitiert. Schulter und Bauch schmücken Graphitbänder, die Zwickel füllen schräg schraffierte Dreiecke Noch reicher ist die Verzierung des Kragengefäßes durch wechselnde glatte, Kerb schnitt- und Stempelbänder. Die durch das Zickzackmuster gebildeten Dreieckflächen werden durch Kerbschnitt aufgelockert. Die Innenverzierung der Stufenteller besteht, wie bei dem Teller vom Gansfuß bei Gilgenberg (Abb. 16), in der Regel aus teilweise üppigen Girlandenmustern. Häufig sind auch ineinandergeschachtelte Rauten, wie sie eine Fußschale von der Stockerwiese in Rothenbuch bei Ranshofen zeigt (Abb. 17). Die wenigen aus der großen Fülle herausgegriffenen junghallstattzeitlichen Funde aus dem Bezirk Braunau lassen deutlich den auffallenden Wesenszug der Kunst dieser Zeit erkennen, durch weitgehende Heranziehung malerischer Mittel einen prunkvollen Gesamteindruck hervorzurufen. Die Verzierung der Tonware verrät wohl eine bestimmte Ordnung, die aber nur wenig von der Körperform der Gefäße abhängig ist. Die Gliederung in einzelne Felder ist nichts anderes als eine lose Folge einiger in allen möglichen Spielarten und Zusammensetzungen wiederkehrender Muster. In den Erzeugnissen des Kunsthandwerks kommen jene Vorgänge und Kräfte zum Ausdruck, die in der jüngeren Hallstattzeit das Gefüge der Bevölkerung gegenüber der Bronzezeit entscheidend verändert haben. Die immer mehr um sich greifende Aufspaltung in Berufe und Stände führte zu einer sozialen Schichtung, die sich in der unterschiedlichen Ausstattung der Gräber, prunkvolle neben ärmlichen, stärker denn je zu erkennen gibt. Der wirtschaftliche Aufschwung, den in Oberösterreich hauptsächlich der Salzbergbau in Hallstatt mit sich brachte, bewirkte weitgehende Handels- und Kulturbeziehungen. Das auf diese Weise aufgenommene geistige Gut zu verarbeiten, fehlte aber die schöpferischer Tat nötige innere Kraft. Wenn man die reich verzierte Tonware oder Metallarbeiten, wie die Dolche von Auerbach und vom Siedelberg betrachtet, zeigt sich das Bemühen, mit allen möglichen Mitteln, selbst unter Vernachlässigung der Brauchbarkeit des verzierten Gegenstandes, Pracht und malerische Wirkung zu erzielen, ein Streben, das sich schließlich durch die Häufung unorganischer Zutaten in belanglosen und gesuchten Nebenformen verlor. Selbst bei technisch und künstlerisch höherwertigen Arbeiten, wie beim Goldreif von Uttendorf, läßt sich in Einzelheiten dieser Mangel an höheren Kunstformen beobachten. Die Ver¬ zierung des Ösenringes ist eine geistlose Wiederholung der geschmackvollen Zonen¬ 199
Oberösterreichische Heimatblätter muster des Reifes. Die Übersteigerung äußerer Aufmachung führte zur Er¬ schöpfung und zum Verfall, der im Zeitgeschehen darin offenbar wurde, daß die Illyrier den Kelten erlagen. Jüngere Eisenzeit (Latènezeit) Der auffallendste Latènefund aus dem Bezirk Braunau ist die 1895 zu¬ sammen mit zwei flachen, kreisrunden Bronzebecken in Sunzing (Gemeinde Mining) gehobene Schnabelkanne aus Bronze (Abb. 18, 19 und 21). Unter dieser Bezeichnung versteht man eine aus der griechischen Oinochoe hervorgegangene Kannenform der Frühlatènezeit, die durch einen im rechten Winkel auf das ellipsenförmige Mündungsrund stoßenden Schnabel gekennzeichnet ist. Mündung und Schnabel stehen in einem Winkel von durchschnittlich 30 Graden zur Waag rechten. Bei der Sunzinger Kanne laufen die am Mündungsrand aufgenieteten, mit dem Henkel zusammengegossenen Arme in Panther aus, deren Köpfe zu einander gewandt sind. Der Griffbügel endet unten in eine vierflügelige Harpyie mit durchaus unweiblicher Brust, Menschenarmen, Schwanz und an den Leib gezogenen Vogelbeinen (Abb. 21). Bemerkenswert ist der ausdrucksvolle Kopf, an dem nur die Ohren mit der Wiedergabe scheibenförmiger Ohrringe etruskischer Form etwas zu groß geraten sind. Bei dem Henkel einer Schnabelkanne aus Braunau (Abb. 20) endet die Randeinfassung in Löwenfiguren. Unten wird der Bügel durch drei Paare liegender S-Spiralen in wechselnder Richtung abge¬ schlossen. Das unterste Paar wächst mit Unterdrückung der inneren Einrollung zu einer Spitze zusammen und in eine Palmette hinein, deren Mittelblatt etwas vorschießt. Die Schnabelkannen sind hauptsächlich Erzeugnisse etruskischen, von griechisch-archaischen Motiven weitgehend beeinflußten Kunsthandwerks vom Be¬ ginn des 5. Jahrhunderts v. Chr. Der Sunzinger Kanne, die über die Tauern aus Venetien eingeführt worden sein mag, kommt wegen der sorgfältigen Aus führung der Harpyie am Henkelabschluß besondere Bedeutung zu. Ausgesprochen keltische Arbeiten sind Armringe von Osternberg (Abb. und Frauenstein am Inn (Abb. 24) sowie eine Gürtelkette aus Bronze von Östernberg (Abb. 23). An die beiden vollgegossenen, strickförmig gegliederten Armringe von Frauenstein sind außen im Dreieck gestellte Bronzeperlen angesetzt, die den Stücken die Form eines zwölfzackigen Sternes verleihen. Ein ähnlicher, achtzackiger Ring wurde in Feldkirchen gefunden. Die Gürtelkette von Östernberg ist mit einem Schlußhaken versehen, der zu einem fast zur Unkenntlichkeit stilisierten Vogelkopf gestaltet ist. Augen und Schnabelspalte sind durch tiefe Schlitze wieder¬ gegeben. Von den übrigen Latènefunden aus dem Bezirk Braunau sind Fibeln und andere Bronzen sowie ein Topf aus Graphitton mit Bodenzeichen in Form der Lebensrune von Frauenstein die wichtigsten. Bei den Armringen von Frauenstein und Feldkirchen kommt die Vorliebe der keltischen Kunst für Wucherungen, Perlen, Knötchen, Knöpfe und andere plastische Mittel in abwechslungsreicher, lebendiger Anordnung zum Ausdruck. Diesem Formwillen sind auch die aus einzelnen hochgewölbten Schalen zusammengesetzten 200
Willvonseder: Ur- und frühgeschichtliche Kunst im Bezirk Braunau Nußarmringe entsprungen, wie solche aus Braunau, Östernberg und Frauenstein bekannt sind (Abb. 25). Der Haken an der Gürtelkette von Östernberg ist ein gutes Beispiel, wie die im wesentlichen von Pflanzenmotiven bestimmte orna¬ mentale keltische Kunst die von griechisch-italischen und anderen Vorbildern über¬ nommenen Tiergestalten in durchaus selbständiger, kraft- und phantasievoller Weise umzubilden verstand. Diese Neuschöpfungen zeichnen sich dadurch aus, daß der Tierkörper mit dem Träger organisch verschmilzt, also nicht bloße Zutat ist, sondern aus diesem heraus empfunden wird. Römische Kaiserzeit Durch die Römer, die am Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. das Alpen¬ vorland in Besitz nahmen, fand die griechisch-römische Mittelmeerkultur im Ost¬ alpengebiet und im Donauraum Eingang. Von den nicht wenigen im Bezirk Braunau entdeckten römischen Ansiedlungen und Grab¬ stätten seien hier nur die wichtigsten angeführt. Reste von Bauwerken, die aus Ziegel- oder Bruchsteinmauer¬ werk unter Verwendung von Mörtel errichtet sind, kamen in Aufhausen, Braunau, am Schloßberg in Blankenbach bei Ranshofen, in Gilgenberg, Lochen, Wildshut, Bogen¬ hofen (Gem. St. Peter), St. Laurenz und Überackern, Gräber im Urfangerholz bei Neukirchen a. d. Enknach, Abb. 4. Scheibenfibel aus in Rothenbuch bei Ranshofen und am Steinbichl bei der Völkerwanderungszeit Bogenhofen zutage. Der Gutshof von Überackern wies aus Teichstätt. Nat. Gr. eine Heizanlage auf. Die Zahl der römischen Funde von (Heimathaus Braunau) höherem künstlerischen Wert ist gering. Beim Abbruch 23 wurden mehrere der alten St. Georgskapelle in Mattighofen im Jahre Steindenkmäler aufgedeckt, die aber bis auf ein jetzt in einem Seitengang des Schlosses Mattighofen aufgestelltes Bruchstück eines Grabsteines aus Untersberger Marmor verloren gegangen sind (Österr. Kunsttopographie, Bd. 30, 1947, S. 238 und Abb. 454). Erhalten ist der linke, an den beiden Außenseiten mit Figuren geschmückte Eckstein des Grabdenkmales. In einem der beiden, durch eine architektonische Einfassung begrenzten Felder, die oben ein dreieckiger Giebel abschließt, ist ein trauender Genius mit gesenkter Fackel wiedergegeben, im anderen eine mit einem kurzen Gewand bekleidete Gestalt, die anscheinend einen Schreiber mit einer Schriftrolle am linken Arm darstellt. In der Filialkirche in Schalchen ist das Bruchstück eines römischen Grabaltares aus Marmor, das zu einem Weih¬ wasserbecken umgearbeitet wurde, verkehrt eingemauert. Zu beiden Seiten der Inschrift sind Reste menschlicher Figuren zu sehen. Gute und kennzeichnende Proben provinzialrömischen Kunsthandwerks sind eine versilberte Armbrustfibel aus Bronze aus den kaiserzeitlichen Gräbern im Urfangerholz bei Neukirchen an der Enknach und eine bronzene Radfibel mit blauer Glasflußeinlage von Überackern (Abb. 27). Verzierte Gefäße aus roter Siegelerde (terra sigillata) aus süd¬ gallischen, rheinischen und anderen Werkstätten wurden an mehreren Orten gefunden.
Oberösterreichische Heimatblätter Völkerwanderungszeit Der früheste, zwar nicht völlig gesicherte germanische Fund aus dem Bezirk Braunau ist ein an der Basis durch drei waagrecht umlaufende Rippen verzierter Knopfsporn aus Bronze, der die längste Zeit für ein keltisches Erzeugnis der Spätlatènezeit gegolten hatte (Abb. 26). Dieser dem 2. Jahrhundert n. Chr. angehörende Sporn wurde angeblich im Bezirk Braunau gefunden. Mit dem Zusammenbruch der befestigten Donaugrenze am Ausgange des 4. Jahrhunderts setzte der Verfall der römischen Kultur im Alpenvorland ein. Die von Resten der ehemaligen illyrischen und keltischen Bevölkerung durchsetzten Romanen wurden allmählich durch germanische Siedler verdrängt. Im Bezirt Braunau ist die Völkerwanderungszeit vorläufig nur durch wenige Bodenfunde des 7. Jahrhunderts vertreten. Mit dem 8. Jahrhundert kann man durch die Funde aus Reihengräbern, Ortsnamen und schriftlichen Quellen den Beginn der bairischen Besiedlung erfassen. Gräber des 7. Jahrhunderts, die innerhalb der römischen Gebäudereste in Überackern aufgedeckt wurden, ergaben einige bedeutende kunstgewerbliche Er zeugnisse. Eine rechteckige Bronzeplatte, die als Beschlag eines Riemenendes diente, ist durch rechtwinkelig sich kreuzende Linien in kleine quadratische Felder mit eingepunzten Vertiefungen geteilt (Abb. 22). Hohes handwerkliches Könner verraten zwei silberne Ohrgehänge. Diese bestehen aus einer länglichen Hohl¬ kugel, die durch aufgelegte Halbkugeln und Filigrandrähte kunstvoll verziert sind (Abb. 28). Zwei schöne silberne Scheibenfibeln mit Zellenverglasung und sorg fältig ausgeführter Mittelrosette wurden in Gräbern in Teichstätt (Gem. Friedburg¬ Lengau) gefunden (Abb. 4). Eine ausgezeichnete Probe völkerwanderungszeitlicher Tierornamentik bietet die Verzierung der beiden bronzenen Gürtelbeschläge aus einer Bestattung des 7. Jahrhunderts von Mattighofen, die aus stark stilisierten, phantastisch zusammengefügten Vogelköpfen und Tierleibern besteht (Abb. 29 und 30). Beachtenswerte Funde haben die Reihengräber des 8. Jahrhunderts von Feldkirchen ergeben. Das schönste Stück ist eine eingliedrige Schnalle aus Bronze mit vergoldeter Beschlägplatte (Abb. 31). Die Basis des mit einer besonders großen Öse in den Steg eingehängten Dorns hat verschliffene Schild¬ dornform. Die Beschlägplatte zeigt eine derb ausgeführte menschliche Maske mit Spitzbart, die seitlich von rohen Verbalhornungen germanischer Tierornamentik des Stiles II eingefaßt wird. Béi einer silbertauschierten Beschlägplatte aus Eisen von Feldkirchen setzt sich die flächenbedeckende Verzierung aus Kreisen Halbkreisen und Schleifen zusammen (Abb. 32). Mit der Völkerwanderungszeit beginnt die germanische Welt in das politische Geschehen in Europa und damit in die geschichtliche Entwicklung des Mittelalters und der Neuzeit entscheidend einzugreifen. Durch die Ereignisse dieser bewegten, schicksalhaften Zeit kamen die Germanen in ungleich höherem Maße als vordem mit den verschiedensten Kulturen und Kunstkreisen in Berührung. Das bereit¬ willig aufgenommene fremde Formengut wird aber in einer durchaus eigenwilligen 202.
Oberösterreichische Heimatblätter Weise aufgelöst und mit einer geradezu unerschöpflichen Gestaltungskraft ver¬ arbeitet. Im Vordergrund steht die Entwicklung der Flächenverzierung durch freibewegtes Linienwerk. Von diesen Wesenszügen germanischer Kunst des frühen Mittelalters geben die zerfallende Tierornamentik der Schnallen und Gürtel¬ beschläge von Feldkirchen und Mattighofen wie auch die Zellenverglasung der Scheibenfibeln von Teichstätt und die Tauschierung der Beschlägplatte von Feldkirchen eine einigermaßen gute Vorstellung. Schrifttum (Nur die wichtigsten Veröffentlichungen) P. Karnitsch, Ein Reihengräberfeld und römische Funde in Überackern, Der römische Limes in Österreich Heft 17 (1933) Sp. 145 —162. A. Mahr, Bronzezeitgräber beim Ratishof am Weilhartforst, Braunauer Heimatkunde Heft 12 (Braunau 1919) S. 21 —28. A. Mahr, Die La-Tène-Periode in Oberösterreich, Mitteilungen der Prähistorischen Kommission der Akademie der Wissenschaften Band 2 Nr. 3 (Wien 1915) S. 307—364. O. Menghin, Hugo von Preen (1854—1941), Wiener Prähistorische Zeitschrift 28 (1941) S. 158—170 (mit vollständigem Verzeichnis der Veröffentlichungen des um die vor- und frühgeschichtliche Forschung im Bezirk Braunau hochverdienten Forschers). Ssterreichische Kunsttopographie, Band 30: Die Kunstdenkmäler des politischen Bezirkes Braunau. Bearbeitet von Franz Martin. Mit einem Beitrag von Artur Waltl. Wien 1947. O. Paret, Golder der Meisterschmied (Ludwigsburg 1939). H. v. Preen, Bronzefund bei Nöfing, Oberösterreich, Prähistorische Blätter (München) 6 (1894) S. 5f; Taf. 2. H. v. Preen, Grabfunde der Bronzezeit bei Nöfing, Oberösterreich, Herbst 1895 und 1896, ebendort 9 (1897) S. 33—38; Taf. 4 und 5. H. v. Preen, Keramik der Hügelgräber aus der Hallstattzeit am Gansfuß, Mitteilungen der Zentralkommission N. F. 23 (1897) S. 220 —222, mit 2 Tafeln. H. v. Preen, Uttendorfer Goldfund. Ein Erinnerungsblatt für das Mattigtal, Deutsches Wochenblatt für das obere Innviertel 1898 Nr. 40—42 H. v. Preen, Bronzefund von Osternberg. Prähistorische Blätter (München) 12 (1900) S. 36 —38; Taf. 6, 7 —10. H. v. Preen, Zwei La-Tène-Funde aus der Umgebung von Mining am Inn, Oberösterreich, ebendort 18 (1906) S. 17 —20; Taf. 5. O. Seewald, Der Bronzefund von Staudach, Oberösterreich, Mitteilungen der Anthropo¬ logischen Gesellschaft in Wien 67 (1937) S. 288 — 293. J. Straberger, Prähistorisches aus Oberösterreich, Mitteilungen der Zentralkommission N. F. 28 (1902) S. 88 —91; Taf. 12. E. Theuer, Urgeschichte Oberösterreichs (Linz a. d. Donau 1925). K. Willvonseder, Oberösterreich in der Urzeit (Wien 1933). 203
Oberösterreichische Heimatblätter Zur Gründungsgeschichte des Prämonstratenser-Stiftes Schlägl Von Walter Luger (Lambach) Am Oberlauf der großen Mühl, in jener Senke, die den Böhmerwald vom südlichen Teil des oberen Mühlviertels trennt, liegt das Prämonstratenser-Stift Schlägl. Die Tätigkeit dieses Stiftes war für die Kolonisation des nördlichen Mühlviertels von außerordentlicher Bedeutung. Von Chalhoch von Falkenstein wurde das Stift am 9. Juli 1218 gegründet 1). Doch bereits einige Jahre vorher stand in dieser Gegend ein Zisterzienser-Stift, das gleichfalls von Chalhoch von Falkenstein gegründet worden war. Wann war nun dieses erste Kloster gegründet worden? Leider sind über diese erste Gründung keine Urkunden vorhanden, so daß man auf spätere Zeugnisse angewiesen ist. Aufschluß gibt uns eine Urkunde des Bischofs Manegold von Passau aus dem Jahre 1209, in der er die Rechte und Freiheiten des Zisterzienser¬ Klosters Schlägl dem damaligen Abte Theoderich bestätigt2). Daß aber dieses Jahr nicht als Gründungsjahr anzusehen ist, wie es einige kleinere Kloster¬ geschichten annehmen3), ergibt sich aus der zweiten Gründungsurkunde vom 9. Juli 1218 *), in der Chalhoch, der Stifter von Schlägl, erwähnt, daß er das erste Kloster mit Zustimmung des Bischofs Wolfker von Passau (1191 —1204) 5) dem Zisterzienser-Kloster (ordini Griseorum) Langheim übergeben hat. Es mußte vor 1204 gegründet worden sein, da in diesem Jahr Wolfker den Patriarchenstuhl von Aquilea bestieg *). Eine genauere Angabe der ersten Gründung ist infolge Mangels an sicheren Daten nicht möglich. Dieses erste Kloster war noch ziemlich unbedeutend (coenobium exile) 7) Auch war der Ort rauh und unwirtlich und Abt und Mönche litten oft Hunger und Kälte. Es war ein trostloser Ort (locum desolatum), wie ihn der Abt von Langheim in der Verzichtsurkunde vom 20. Juni 1218 bezeichnet 8). Der Abt und ein Mönch starben infolge der Entbehrungen, denen die Mönche ausgesetzt waren. Sie blieben daher nicht länger und verließen nach einem Aufenthalt von siebeneinhalb Jahren das neugegründete Kloster, wobei sie Bücher, Kelche und *) Originalurkunde nicht mehr vorhanden. Abschrift im Stiftsarchiv Schlägl. Urkundenbuch des Landes ob der Enns Bd 2, S. 597 (im folgenden bezeichnet OöUB.). 2) OöUB. Bd 2, S. 526. 3) Originale im Stiftsarchiv Schlägl. *) Abschrift im Stiftsarchiv Schlägl. OöUB. Bd 2 S. 597. 5) A. Erhard, Geschichte der Stadt Passau, Passau (Bd 1 1862, Bd 2 1864), Bd 2 S. 83. *) Erhard, a. a. O. Bd 1 S. 75. 7) Abschrift im Stiftsarchiv Schlägl, OöUB. Bd 2 S. 597. Vgl. dazu L. Pröll, Geschichte des Prämonstratenserstiftes Schlägl im oberen Mühlviertel (Linz 1877), S. 20 ff. 8) Abschrift im Stiftsarchiv Schlägl. OöllB. Bd 2 S. 595. 204
Luger: Zur Gründungsgeschichte des Prämonstratenser-Stiftes Schlägl das Meßgewand mitnahmen und in das Mutterkloster Langheim zurückkehrten. Sie waren auch durch keine Bitten Chalhochs zu bewegen, wieder zurückzukehren. Wo ist nun dieses erste Kloster gestanden? Da die Gründungsurkunde nicht erhalten ist, müssen wir andere Beweise suchen, um zu einem befriedigendem Ergebnis zu kommen. Laurenz Pröll vertritt die Ansicht, daß sich dieses Kloster dort befand, wo heute die Maria Anger-Kirche steht *). Diese Kirche, die urkundlich erst im Jahre 1414 aufscheint, wäre nach der Ansicht Prölls als ein frommes Denkmal zur Erinnerung an das ursprüngliche Kloster errichtet worden, sonst könne man nicht erklären, daß neben dem Kloster eine Kirche entstanden wäre. Dem ist nun ent¬ gegen zu halten, daß die Anordnung einer zweiten Kirche neben der Klosterkirche durchaus kein vereinzelter Fall ist. Wir finden diesen Zustand sehr häufig, denn die Klosterkirchen wurden erst viel später auch Pfarrkirchen. Außerdem heißt es in der zweiten Gründungsurkunde ausdrücklich, daß das zweite Kloster „in alio loco“ gegründet wurde. Wie könnte dies aber erklärt werden, wenn das neue Kloster nur einige Meter vom alten entfernt entstanden wäre, wo sich bestimmt keine besseren Lebensbedingungen ergeben hätten. Sie müßten vielmehr dieselben wie am ersten Gründungsort gewesen sein. Die Neugründung hätte daher keinen Sinn gehabt. Meiner Ansicht nach befand sich das erste Kloster, das bestimmt nur ein einfacher Holzbau war, in Ödenkirchen 10). Dem Einwand Prölls, daß es dann auf Haichenbacher Besitzungen gelegen gewesen wäre, ist entgegen zu halten, daß sich der weitaus größte Teil der Besitzungen der Falkensteiner und Haichenbacher am rechten Ufer der großen Mühl befand und sie auch um Ödenkirchen Besitzungen hatten und daß beide Geschlechter eine gemeinsame Abstammung haben, wie später noch dargelegt werden soll. In einer Urkunde vom 30. Juni 1303 11), in der Nuger von Haichenbach mit seiner Hausfrau und seinem Sohne Chadolt mehrere Güter im Mühlviertel an Bischof Wernhart von Passau ver¬ kaufte, finden wir für Ödenkirchen die Bezeichnung „chirichen“. Es muß also dort damals eine Kirche gestanden sein, die vielleicht auf das erste Kloster zurück¬ zuführen ist, da sich am Mühlufer von Rohrbach aufwärts mit Ausnahme von Schlägl eine Kirche erst viel später nachweisen läßt 12). In keiner Urkunde habe ich irgendeine Bemerkung über einen späteren Bau einer Kirche in Ödenkirchen gefunden. Auch in einer Tauschurkunde vom 12. Mai 1312 13) des Bischofs Wernhart von Passau mit dem Kloster Schlägl finden wir die Bezeichnung „Chirchen“ für Ödenkirchen. Erst in der Bestätigungsurkunde des Gütertausches *) Pröll, a. a. O. S. 23 Anm. 2. 10) Hdenkirchen liegt in der Pfarre Ulrichsberg südlich der großen Mühl. 1) OöUB. Bd 4 S. 443. 12) G. Vielhaber, Skizzen der älteren Geschichte des oberen Mühlviertels, Beiträge zur Landes- und Volkskunde des Mühlviertels, Bd 16 S. 48. 13) Original auf Pergament mit zwei hängenden Siegeln aus gelbem Wachs im Stifts¬ archiv Schlägl. Ebenso OöUlB. Bd 5 S. 73. 205
Oberösterreichische Heimatblätter vom Jahre 1312 unter dem Bischof Albrecht von Passau vom 6. April 1322 14) stoßen wir zum ersten Mal auf die Bezeichnung „odenchirchen“ für Ödenkirchen. Also haben wir es mit einer öden, vielleicht verlassenen Kirche zu tun. Auch in einer Urkunde vom 28. Februar 1344 15), in der Bischof Gottfried von Passau den oben erwähnten Tauschvertrag wieder bestätigt, treffen wir die Bezeichnung „Odenkirchen“. Diese Lage würde auch mit dem Wortlaut „in alio loco“ und mit der Behauptung, daß das erste Kloster an einem ungünstigeren Ort gestanden hat, übereinstimmen. Ferner hat sich bis heute in Ödenkirchen für ein nicht unbedeuten¬ des Gebiet, das jetzt unter mehreren Besitzern aufgeteilt ist, der Flurname „Frauenschlag“ erhalten. Außerdem ist die Lage der zweiten Klostergründung mühlabwärts tatsächlich günstiger und zwar nicht nur in klimatischer, sondern auch in verkehrsgeographischer Hinsicht, da sich bei Schlägl die Mühllinie mit der Ver¬ bindung aus Böhmen trifft. Ich halte daher die Annahme, daß das erste Kloster des Falkensteiners in Ödenkirchen stand, für die wahrscheinlichste. Wer war nun der Gründer von Schlägl? In der Bestätigungsurkunde des Bischofs Manegold von Passau vom Jahre 1209 wird als Gründer „Chahlohus in valchensteine“ bezeichnet. War er der Besitzer der Burg Falkenstein im Rannatal? War er ein Freier oder Ministerialer? In der zweiten Gründungsurkunde von Schlägl vom 9. Juli 1218 bezeichnet er sich als einen Ministerialen der Kirche von Passau 16). Das Schloß Falkenstein im Rannatal hat die Familie des Stifters nie besessen, dieses war vielmehr immer in den Händen vollfreier Geschlechter 17). So ist es auch erklärlich, daß wir z. B. in einer Urkunde aus dem Jahre 1185 unter den Zeugen einen „Chadelhous iuder de Valchenstein“ antreffen 18). Richter war aber im 12. Jahrhundert der von dem Inhaber der Grafschaftsrechte mit der Rechtsprechung Beauftragte. Es müssen da¬ her die Besitzer von Falkenstein Grafschaftsrechte gehabt haben. Die Tatsache, daß die Bischöfe von Passau, als deren Ministerialer sich der Stifter des Klosters Schlägl bezeichnet, die Herrschaft Falkenstein nie innegehabt haben, deutet darauf hin, daß Chalhoch Falkenstein nie besessen hat Als Stammschloß des Gründers von Schlägl ist vielmehr Rannariedl an der Mündung der Ranna in die Donau zu bezeichnen, das damals auch den einzigen 14) Original auf Pergament mit einem hängenden Siegel aus gelbem Wachs im Stifts¬ archiv Schlägl. 15) Original auf Pergament mit einem hängenden gelben Wachssiegel im Stiftsarchiv Schlägl. OöUB. Bd6 S. 470. 1*) Zweite Gründungsurkunde. Abschrift im Stiftsarchiv Schlägl. OöUB. Bd 2 S. 597. 17) J. Strnadt, Das Land im Norden der Donau, Archiv für österr. Geschichte Bd 94 1. Hälfte (Wien 1905) S. 186. 18) OöUB. Bd 1 S. 581. Die Übergabe einer Hube an das Kloster St. Nikola wird be zeugt. Daß Falkenstein an der Ranna gemeint ist, wird durch die zwei folgenden Zeugen be¬ wiesen: Albrecht von Fischbach (Pfarre Rohrbach) und Gisilolt von Hoyenberge (Hugenberg Pfarre Natternbach). 12) Strnadt, Das Land im Norden der Donau, S. 204. 206
Luger: Zur Gründungsgeschichte des Prämonstratenser-Stiftes Schlägl Schloßbesitz dieses Geschlechtes darstellte 20). Das früheste Vorkommen der un¬ freien Falkensteiner fällt nicht vor 1163. Um 1188 tritt uns ein Wernherus de Valchensteine entgegen, der ein Burgsasse auf Falkenstein gewesen ist und von hier auch den Namen erhalten hat. Von ihrem ersten Erscheinen an treten uns die unfreien Falkensteiner nur allgemein als Ministeriale entgegen. Erst seit 1218 bekennt sich der Gründer des Klosters Schlägl ausdrücklich als Ministerialer des Hochstiftes Passau 21). Nach dem allerdings erst aus dem 15. Jahrhundert stam¬ menden Grabstein starb Chalhoch, der Gründer von Schlägl am 30. September 1238, seine Gemahlin Elisabeth am 30. Juli 1225 22) Eine andere Frage, die hier auch behandelt werden muß, und die für die spätere Geschichte Bedeutung hat, ist die Abstammung der Falkensteiner und Haichenbacher. Schon Strnadt hält beide für verschiedene Linien eines Stammes2s Bei beiden Stämmen kommen hauptsächlich die Namen Chunrad, Chalhoch und Heinrich vor. Beide treten in den Urkunden fast immer als Zeugen nebeneinander auf. Ihre Besitzungen dehnen sich, untereinander vermengt, bis an die böhmische Grenze aus. Auch das Siegel Nugers von Haichenbach, das ich an einigen Ur¬ kunden im Stiftsarchiv Schlägl vorfand, zeigt einen Teil des Wappens der Falken¬ steiner, nämlich drei aufrecht stehende Spitzen eines Berges. Daß die Haichen¬ bacher in den ersten Zeiten Schlägls beinahe noch mehr wie die Falkensteiner dort¬ hin stifteten, mag gleichfalls auf eine gemeinsame Abstammung hindeuten, ebenso die Tatsache, daß „Ruger der Hayhenpach“ am 2. Februar 1303, als er nach Österreich fahren wollte, Chalhoch von Falkenstein und dessen Sohn Heinrich zu Vögten über Güter zu Horau und Wantschaben aufstellte 24). Dies alles würde es dann auch erklärlich machen, daß das erste Kloster auf Haichenbacher Gebiet ge¬ gründet worden war. Die zweite Klostergründung übergab Chalhoch von Falkenstein den Prämon¬ stratensern. Der Prämonstratenserorden ist seiner Gründung nach ein Reformorden der Augustiner-Chorherren und wurde vom hl. Norbert gegründet (geboren um 1080 als zweiter Sohn des Grafen Heribert von Gennep bei Xanten). Das Ideal des neuen Ordens war die Verbindung von Mönch und Priester 25). Wichtig war die Bedeutung der Mutterklöster, da sie im allgemeinen großen Einfluß auf die 20) Strnadt, Das Land im Norden der Donau, S. 186. 21) Strnadt, Das Land im Norden der Donau, S. 187 Stammtafel der Falkensteiner. 22) Der Grabstein war früher an der Rückseite des Kreuzaltares. Heute ist er am Beginn der Stufen auf der Südseite angebracht. Der Text lautet: Anno domini MCCXXXVIII ultima Septembris obiit Calhogus de Valkenstein miles primus fundator huius monasterii. Anno domini MCCXXV XXX Julii obiit Elisabeth uxor Calhogi fundatrix huius monasterii. 23) J. Strnadt, Peuerbach, Ein rechtshistorischer Versuch, 27. Bericht des Museum Francisco Carolinum (Linz 1868) S. 357 Anm. 3. 24) Original im Stiftsarchiv Schlägl. Das Siegel ist abgefallen, liegt jedoch dabei. OöUB. Bd 4 S. 407. 25) Fr. Winter, Die Prämonstratenser des 12. Jahrhunderts und ihre Bedeutung für das nordöstliche Deutschland (Berlin 1911) S. 102. 207
Oberösterreichische Heimatblätter Tochterklöster ausübten, indem ihnen das Recht und die Pflicht der Visitation zu¬ stand. 26) Für die Kultivierung des Landes waren die Prämonstratenser gute Vorbilder, da sie fast alle ihre Besitzungen selbst bebauten und nutzten, während die reich dotierten älteren Orden ihre Besitzungen zum Teil gegen Zins abgaben oder zu Lehen gaben. Bei den Prämonstratensern finden wir das erst zu einer späteren Zeit 2 Während Pröll2s), Sittersperger 29) und andere die Behauptung aufstellten daß die ersten Prämonstratenser von Österhofen in Baiern gekommen sind und daß der erste Abt Orthold geheißen habe, hat Hager eingehend und sehr stichhältig nachgewiesen, daß die ersten Prämonstratenser aus Mühlhausen in Böhmen nach Schlägl gekommen sind 30). Hager hat auch als erster auf den Ablaßbrief des Papstes Alexander IV. vom 13. Februar 1257 hingewiesen 31). Darin wird allen Christgläubigen (universis Christi fidelibus) in den Städten und Diözesen Passau, Prag und Regensburg ein Ablaß von 100 Tagen gewährt, wenn sie den Abt von Mühlhausen (abbas monasterii de Mileuz) beim Neubau des Klosters Schlägl unterstützten. Somit übernahm der Abt von Mühlhausen Verpflichtungen, die ihn ziemlich sicher als Vaterabt erscheinen lassen. In der Bestätigungsurkunde des Papstes Honorius III. vom 21. April 1221 ist uns der erste Propst von Schlägl mit G. überlieferts2). Somit mangelt der Ortholdlegende, die zuerst durch Wences¬ laus Zypser (Propst von Schlägl von 1589 — 1625) schriftlich festgelegt wurde, jede Grundlage. Wichtig erscheint mir auch der Hinweis in Chalhochs Stifterbrief, daß er sich zur zweiten Klostergründung auf den Rat weiser Männer entschlossen hätte. Es scheint naheliegend, daß sich unter diesen Männern auch Witigo von Pric-Blanken¬ berg befunden hat, der den Falkensteiner auf das seinen Gütern nahe gelegene Mühlhausen aufmerksam gemacht hat, wie schon Vielhaber vermutet hat 33). Es wäre auch dadurch verständlich, da die zweite Klostergründung auf Witigonenbesitz stattfand 34). Der Einfluß der Witigonen auf die Entwicklung von Schlägl war sehr bedeutend und gerade dieses Geschlecht half durch reiche Schenkungen den Klosterbesitz vergrößern, so daß z. B. der König Wladislav von Böhmen in einer 20) A. Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands Bd 4 (Leipzig 1913) G. 375. 27) Winter, a. a. O. S. 104. 28) Pröll, a. a. O. S. 23. 2) J. N. Sittersberger, Geschichte des Klosters Österhofen- Damenstift (Passau 1875) S. 19, 32. 30) E. Hager, Woher kamen die ersten Prämonstratenser nach Schlägl? (Linz 1918). 31) Original mit Bleibulle, die an roten und gelben Seidenfäden am Einschlag hängt, im Stiftsarchiv Schlägl. 32) Honorius Episcopus seruus seruorum dei dilectis filiis G. Rectori et fratribus Aus einem Vidimus des Bischofs Sancte Marie in Slage Premonstratensis ordinis .... Wernhard von Passau mit Datum vom 25. Februar 1300. Abschrift im Stiftsarchiv Schlägl. OöUB. Bd 2 S. 629. 33) Vielhaber, a. a. O. S. 49. 34) Strnadt, Das Land im Norden der Donáu, S. 181. 208
Luger: Zur Gründungsgeschichte des Prämonstratenser-Stiftes Schlägl Urkunde von 1479 die Witigonen als „eiusdem Monasterii fundatores“ be¬ zeichnet Die Falkensteiner behielten aber das Anrecht auf die Vogtei ihrer Gründung, eine Tatsache, die damals allgemein anerkannt war. Doch geht aus Urkunden dieser Zeit das Mißvergnügen der Klöster darüber hervor, und daß man bemüht war, die Erblichkeit der Vogtei einzuschränken oder zumindest die erbliche Vogtei soweit wie möglich unschädlich zu machen 36). Dieses Bestreben sehen wir auch im Kloster Schlägl, wo in einer Urkunde vom Jahre 1236 berichtet wird, daß Chalhohus de Valkenstein vom Rechte der Vogtei zurückgetreten wäre 37). Daß aber die Falken¬ steiner noch immer gewisse Forderungen von Schlägl auch gewaltsam eintrieben geht aus drei Urkunden aus dem Jahre 1269 38) hervor. Darin schenkte Chalhoch von Falkenstein dem Kloster, das er durch ungerechtfertigte Steuereintreibunger und verschiedene Lasten geschädigt hatte, seine Höfe im Dorfe Straß in der Pfarre St. Peter und auch seinen Zehent zu Schindlau, der ihm nach Erbrecht zustand. Dies sollte in dauernden Besitz des Klosters kommen und durch keinen Nach kommen zurückgezogen werden. Die letzte Urkunde, die wir von den Falkensteinerr bezüglich des Klosters Schlägl überliefert haben, ist vom 24. Juni 1356 datierts? Die Brüder Chalhoch, Ulrich und Haug tauschten auf Wunsch des Propstes und des Konventes von Schlägl ihr Vogteirecht auf einem Gut zu Hörhag gegen das jenige von einem Gut zu Hartmansdorf, das einen Wert von 12 Schillingen hatte 1362 verließen die Falkensteiner das Mühelland und verschwanden damit voll¬ ständig aus der Geschichte von Schlägl 10) Nachdem die Quellen über die Gründung und die Anfänge des Prämonstra¬ tenser-Stiftes Schlägl behandelt worden sind, gilt es nun baugeschichtliche Ele¬ mente zu untersuchen, ob von diesen ältesten Zeiten noch Reste vorhanden sind. Vom Klosterbau aus dem Jahre 1218 ist uns nichts mehr erhalten, da en dem Neubau unter Propst Heinrich I. weichen mußte. Bei diesem Neubau haben wir es mit einem festen und großangelegten Bau zu tun, da im Ablaßbrief vom 13. Februar 1257 ausdrücklich steht: „de novo edificare ceperit opere sumptuoso“. Vermutlich stammt die sogenannte Krypta aus dieser Zeit 41). Sie ist ein Raum von 7.4 m X 7.6 m mit einer Gesamthöhe von 3.8 m. In diesem Naum sind uns noch einige sehr schöne romanische Skulpturen erhalten, in der Nordost¬ und Südostecke zwei romanische Fratzen, an der Südostecke — beim heutigen Ein¬ 35) Sacri et Canonici Ordinis Praemonstratensis Annales in Duas Partes Divisi. Pars Prima, Tom. II. Nancei 1736, col. 37. 36) A. Waas, Vogtei und Bede in der deutschen Kaiserzeit, 1. Teil, Arbeiten zur deukschen Rechts- und Verfassungsgeschichte H. 1 (Berlin 1919) S. 33 ff. 37) Vidimusabschrift von 1300 im Stiftsarchiv Schlägl. OöUB. Bd 3 S. 44. 38) Alle drei Originale im Stiftsarchiv Schlägl sowie OöUB. Bd 3 S. 360, 361, 362. 30) Original mit zwei hängenden gelben Wachssiegeln (eines abgefallen) im Stiftsarchir Schlägl. OöUB. Bd 7 S. 459. 20) Strnadt, Das Land im Norden der Donau, S. 185 f. *1) G. Dehio, Oberdonau (Wien-Berlin 1941) S. 186. 209
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