OÖ. Heimatblätter 1950, 4. Jahrgang, Heft 2

Maurer: Zur Wertung der oberösterreichischen Grenzen Zur Wertung der oberösterreichischen Grenzen unter besonderer Berücksichtigung des Grenzverkehrs Von Herbert Maurer (Linz) Allgemeines Die politischen Grenzen eines Landes sind historisch wie geographisch äußerst beziehungsreiche Erscheinungen und es hat besonders in politisch bewegten Zeiten nie an Versuchen gefehlt, Wertungen politischer Grenzen aufzustellen, ohne daß ein Einverständnis unter den Forschern hätte erzielt werden können. Ein großes Hindernis hiefür war die oft allzu einseitig wertende Betrachtungsweise, die, den verschiedensten Zwecken dienend, nur zur Verwirrung, nicht aber zur wissenschaft¬ lichen Klarheit führen konnte. Namhafte geographische Forscher wie etwa Robert Sieger, Otto Maull und Johannes Sölch haben in sehr verschiedener Weise zu dieser Frage Stellung genommen und besonders die Arbeit des letztgenannten Gelehrten 1) konnte die Mängel aufzeigen, die den bis dahin geprägten Begriffs¬ bestimmungen anhafteten und neue Wege weisen. Sölchs kritische Betrachtung vermag es vor allem, manche überspitzte Hoffnungen von Geographen auf ein vernünftiges Maß zu beschränken, die da meinen, auf rein geographischer Grund lage einen allgemein gültigen Maßstab für die Beurteilung politischer Grenzen finden zu können. Es ist übrigens bezeichnend, daß es die Grenzziehungen der Pariser Vororteverträge nach dem ersten Weltkrieg waren, die die Geographen anregten, über die Berechtigung von Grenzziehungen nachzudenken, daß aber die Veränderungen, die das politische Antlitz Mitteleuropas in den letzten zwölf Jahren betroffen haben, keinen so vielfältigen Widerhall in der geographischen Forschung mehr gefunden haben. ist, ist Die Frage, ob eine politische Grenze „berechtigt“ oder „unberechtigt in erster Linie eine Angelegenheit des Völkerrechts, beziehungsweise, wenn es sich wie etwa bei Österreich um Ländergrenzen eines Bundesstaates handelt, des Verfassungsrechts. Die tatsächlichen Machtverhältnisse auf der einen, das Natur¬ recht auf der anderen Seite sind hier maßgebend. Das letztere aber erheischt eine Lösung, die dem vielgenannten und vielmißbrauchten „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ Rechnung trägt. Man könnte etwa so sagen: Eine „gute" politische Grenze ist diejenige, die dem Willen der beiderseitigen Grenzbevölkerung am meisten entspricht. Diese Menschen haben ja die Lasten einer Grenze in erster Linie zu tragen, bei ihren Erwägungen aber werden nicht so sehr rein geo¬ *) J. Sölch: Die Auffassung der „natürlichen Grenze“ in der „wissenschaftlichen Geographie“, Innsbruck 1924. 135

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