Burgstaller: Die Traunkirchener Felsinschriften keine Ahnung hatten und durch mich zum erstenmal von ihnen erfuhren, erklärte der damals siebzehnjährige Sohn des Bergarbeiters A. V., von seinem Vater gehört zu haben, daß einige in den sogenannten „Räuberhäusern" wohnhafte Familien früher bei Todesfällen in ihrer „Freundschaft“ hier ein „Zeichen“ an¬ gebracht hätten, doch sei dies schon lange abgekommen, nur ab und zu trüge man noch „etwas“ für die Armen Seelen hinauf. Das entspricht ungefähr dem, was wir mit der letzten Datierung (1913) und dem von uns beobachteten Seelenopfer selbst feststellen konnten. Ebenso blieb das sorgfältige Nachforschen nach allen Initialen, die mit Jahreszahlen versehen waren, und dem Namen der Barbara Pernerin in den nahezu vollständig erhaltenen katholischen Totenbüchern der Pfarre Traunkirchen ergebnislos. Keiner der Namen fand sich verzeichnet. Dadurch konnte auch nichts über die Stammhäuser der in der Felswand Eingetragenen festgestellt werden. Auch über die „Räuberhäuser“ ließ sich nichts weiter in Erfahrung bringen, als daß vor langer Zeit einzelne am Abhang des Kalvarienberges gelegene Baulichkeiten so bezeichnet worden seien. Versuchen wir nun zur Erklärung des Brauchtums an den Inschriftfelsen zu gelangen, so ergibt sich kaum eine andere Möglichkeit als die auch für die Kärntner „Hundskirche“ in Betracht gezogene, nämlich die Zeichen als Ein¬ tragungen der in der Zeit der Verfolgung während der Gegenreformation zu geheimen Organisationen zusammengeschlossenen Protestanten zu deuten. (Über das Leben der Protestanten während der Gegenreformation im Salzkammergut und Steyrtal vergleiche G. Loesche, Geschichte des Protestantismus im vormaligen und im neuen Österreich, Wien 1930, S. 200 ff; über Versammlungen von Protestanten bei Hundskirchen a. a. O. S. 261; über die Drohung, Leichen von Protestanten im Sumpf zu versenken oder im Wald zu verscharren a. a. O. S. 166, bezw. 199 f.) Hier wie in Kärnten entfalteten die Fesuiten während der Gegen¬ reformation eine nachhaltige Tätigkeit zur Zurückdrängung des Protestantismus (vergleiche G. Loesche, a. a. O. S. 202). Wir verstehen, daß wir die Eintragungen der einzelnen Namen daher nicht in den von den Jesuiten geführten Kirchen¬ büchern zu finden vermögen, verstehen aber auch die (wenn sie nicht einfach einem allgemeinen Zeitgebrauch entsprangen) aus Furcht vor Entdeckung erklärbaren Abkürzungen der Namen zu Initialen und das Fehlen des Monogramms Mariä bei gleichzeitiger Betonung des Christogramms. Daß sich unter den vielen Ein¬ tragungen auch so kunstvolle Steinreliefarbeiten befinden, wie wir sie beschrieben, bezeugt, daß es den einzelnen dafürstand, für ihre Verewigung an dieser Fels¬ wand Mühen und Kosten aufzuwenden. Die Tatsache, daß sich unmittelbar neben diesen handwerklich hervorragenden Eintragungen auch ganz bescheidene Ritzungen finden, läßt darauf schließen, daß sich sämtliche sozialen Schichten an dem Brauch¬ tum beteiligten und daß es jeder Trauerfamilie, die dem Kreis der Eingeweihten angehörte, freistand, wie und wo sie innerhalb dieser Felswände ihre Gedächtnis¬ eintragungen machen oder machen lassen wollten. Daß einige der sorgfältig herge¬ stellten Kartuschen ohne Inschriften blieben, mag damit zusammenhängen, daß 133
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