OÖ. Heimatblätter 1950, 4. Jahrgang, Heft 2

Oberösterreichische Heimatblätter Mattighofen oder Munderfing nach dem nahen Weinberg verschleppt und später von dort in das Museum verbracht wurde 22 Sehr unsicher ist die Zuweisung der drei Emporenkapitäle zu St. Georgen im Attergau für die romanische Zeit. Diese Säulenköpfe besitzen seltsam archaisierende Eckschnecken, die, so wie der übrige Kapitälkörper, von scharf aus¬ gezackten, stacheligen Blättern umhüllt werden und zwischen sich in der Kapitäl¬ mitte unter der Deckplatte einem Vier-, bezw. Zehnblatt auf besonderem Schildchen Raum geben. Auf einem Kapitäl rollt sich das vor der Eckschnecke liegende Blatt unter der Volute in entgegengesetztem Sinne zu dieser hin und die Säulenkopf¬ fläche zwischen den gerollten Eckblättern füllen übereinandergeschobene Schuppen oder eine Vase, aus welcher ein unbeholfener Baum mit mehreren Dreiblatten¬ digungen sprießt. All dies wäre für die Spätzeit der Nomanik durchaus denkbar; wieso aber greift diese primitive Zierweise auch auf die sich über den Kapitälen überschneidenden Archivolten der Orgelbühne aus der Zeit der späten Gotik über? Da jedoch auch in anderen Kirchen Stephan Wultingers, etwa in Schörfling, Vöck¬ lamarkt, Weißenkirchen oder Zell a. P., derart archaisierende Baubildnerei Ver¬ wendung fand, wäre es denkbar, daß dieser Meister eine in etwas altertümlicher Weise arbeitende Werkstatt herangezogen haben könnte, die vielleicht auch ältere Kapitäle als Vorlagen benützt haben würde 23). Baulich vielleicht von höherer Bedeutung, geschichtlich überdies einer der ehr¬ würdigsten Zeugen weit zurückreichender Kulturverknüpfung, war die 1785 ge sperrte, 1792 auf Abbruch versteigerte Kirche Unserer lieben Frauen auf dem Anger außer Enns24), deren ununterbrochene Nachfolge einer römischen Kirche schon Schmieder (1871) 25) und Lohninger (1917) 26) vermutet haben. Sie war, wie die Ausgrabungen 1936 erweisen konnten, tatsächlich der mittelalterliche Erweiterungsbau der frühchristlichen Basilika des Legionslagers Lauriacum und wird im Kleinen Stiftsbrief von St. Nikola in Passau (1067), dann wieder 1111 und 1220 als eine mit Pfarrechten — vermutlich für die Eigenleute der Pfalz Loraha begabte Kirche aufgeführt 27). Der romanische Bau, dessen Mauern, wie die Grabung ergab, genau gleichlaufend zu den Grund¬ linien der frühchristlichen Kirche verliefen, wird um 1100 anzusetzen sein und hatte eine ungefähre Frontbreite von 13 m. Die Länge muß 21 m übertroffen haben, denn der Ostabschluß konnte wegen Grundschwierigkeiten nicht aufgedeckt werden 22) Martin a. a. O. S. 100. 23) W. Buchowiecki, Stephan Wultinger und die gotischen Kirchenbauten im oberösterrei¬ chischen Attergau. Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 11 (1937) S. 46. 24) J. Schicker, Die Kirche Maria auf dem Anger außerhalb Enns, Jahrbuch des o. ö. Musealvereines Bd 87 (Linz 1937) S. 447 ff. 25) P. Schmieder, Lorch und Enns (XI. —XVI. Jahrhundert). Ein Beitrag zur obderennsi¬ schen Kulturgeschichte, 30. Bericht über das Museum Francisco-Carolinum (Linz 1871) S. 35—42. 26) J. Lohninger, Die Stadtpfarrkirche zu Lorch-Enns. Christliche Kunstblätter Ig 58 (Linz 1917), 59 (Linz 1918). 27) „ad luminaria ecclesie tradidi eis capellam sancte Marie in ciuitate Lauriacensi cum omne iure parochiali". 106

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