OÖ. Heimatblätter 1950, 4. Jahrgang, Heft 1

Oberösterreichische Heimatblätter Beim Erscheinen der ersten Baufibel von Karl Erdmannsdorfer im Jahre 1942 für die Oberpfalz brachte E. Böckler eine würdigende Besprechung der Arbeiten an der Reichsbaufibel von Eggerstedt für den Sektor des städtischen Bauens, der Landbaufibel von Kulke für das ländliche Bauen und der verschiedenen Landschaftsbaufibeln. Und bereits vorher hatte Werner Lindner festgestellt: „Der verhängnisvolle Wandel von Baukultur zu seinem Gegenteil hat sich, schon lange vorbereitet, in der zweiten Hälfte des vorigen und im ersten Teil dieses Jahrhunderts vollzogen. Willkür und Unsachlichkeit waren auf dem Gebiet des Bauens eingezogen .... So steht die Aufgabe vor uns, zum einen „gereifte Prägungen“ für die Neubauten zu erarbeiten, zum anderen, veraltete und verdorbene Altbauten ... zu entschandeln". Die Erreichung dieses Zieles sollte durch die Herausgabe von Baufibeln beschleunigt werden. Die Bearbeiter dieser Baufibeln übersahen jedoch, daß die vermeintlich erst von ihnen erkannte Bauunkultur sowohl in Deutschland als auch in Österreich schon lange vor 1940 über¬ wunden und der Eklektizismus schon zu Beginn des ersten Weltkrieges tot war. Wenn damals wirklich an einer Schule das Lehrbuch mit dem Urbild der „Villa“ (Abb. 4, S. 26 in Heckls Fibel) noch im Gebrauch war, sind diese Schule und die dort wirkenden Lehrer sehr bedauerliche Einzelerscheinungen. Daß aber auch später, ja selbst heute noch, ab und zu eklektizistisch gebaut wird, ist auf Unbildung vereinzelter Planer und Bauherren zurückzuführen. Der Beruf des Architekten ist ja nicht geschützt und Architekten wie auch Handwerker mußten in den letzten Dezennien zweimal, statt friedlich ihrem Verufe nachzugehen und aufzubauen, jahrelang mit der Waffe in der Hand einen Vernichtungskrieg führen. Grundsätzlich ist festzustellen, daß die abgebrochene Stilentwicklung wieder ihre Fortsetzung finden wird. Die einen erhoffen sie durch „bodenständige“ Bauweise, die sie durch Fibeln fördern oder noch besser, um auch „Kulturpolitik durch die Baupolizei" und Bauämter betreiben zu können, durch amtliche „Bauberatung“ erzwingen wollen, die anderen sehen aber in dem baukünstlerischen Schaffen auf funktionaler, konstruktiver und künstlerischer Grundlage unserer Zeit die Anfänge eines Stils oder gar schon „den Stil unserer Zeit“. Als Vertreter der ersten Gruppe sagte W. Grebe 1940: „Für die Wiedergesundung und Neuausrichtung des dörflichen Bauschaffens ... heißt heute die Losung: Zurück zum zweckvollen, bodenständigen, landschaftsgebundenen Bauen“. Ungerecht darf man auch gegnerischen Ansichten nicht entgegentreten. Daher bedaure ich die Wiedergabe der Abb. 2 in der Baufibel, darstellend den Wirrwar. Die geschickte Photo¬ montage schlechtester und besserer Lösungen ergibt wirklich ein Durcheinander, doch könnten sehr leicht auch Beispiele der Gegenseite zu einem solchen photomontiert werden. So überzeugt man nicht! Das Beispiel „Wirrwar“ muß uns aber doch veranlassen, festzustellen, daß wir zu Stil nur dann wieder gelangen werden, wenn unser Schaffen im Rahmen einer gemeinsamen großen Idee erfolgt, so wie z. B. die Menschen in dem aufs Jenseits ausgerichteten Zeitalter der Gotik von der Idee, Gott zu dienen, wirklich durchdrungen waren. „Uniform“, wie sie auf S. 23, Abb. 3 der Fibel im Bilde dargestellt ist, wird vornehmlich durch Baudiktatur erreicht, der unter anderem auch unsere arme Stadt Linz zum Opfer fiel. Gerade die Anhänger der „bodenständigen“ Bauweise mit Fibeln in der Hand verschandelten die Stadt und den schönsten Platz unserer Heimat so, daß er nur sehr schwer einmal zu ent¬ schandeln sein wird. Zur altehrwürdigen Stadt baute formalistische Unfähigkeit an dem nach der Beseitigung des Ludlarmes der Donau nicht mehr günstigen Platz eine Brücke, die durchaus nicht bodenständig, aber so gestaltet wurde, daß nunmehr eine Stadt zu dieser Brücke gebaut werden müßte. Viele Häuser der Stadt Linz wurden „bodenständig“ verunstaltet und so z. B. auf das Ehrentletzbergerhaus am Hauptplatz gefühllos ein sinnloser, klotziger Aufbau gesetzt, nur um gleiche Gesimshöhen zu erhalten. Die Massen- und Fensterproportionen der Neubauten an der Brücke stehen zum Platz in keiner Beziehung und sprengen ihn. Wie hat da doch Schulte anders, wenn auch noch nicht ganz im Sinne unserer Zeit, die meisten seiner Bauten dem Boden der Stadt angepaßt! Bei dieser Gelegenheit sei auch darauf hingewiesen, daß Oberösterreich an künstlerisch gestalteten Baueinzelheiten, besonders von Beschlägen hochwertigste Lösungen besitzt (Fibel, S. 253). Ihre Aufnahme und Erhaltung ist eine würdige Aufgabe des Denkmalamtes. 90

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