OÖ. Heimatblätter 1950, 4. Jahrgang, Heft 1

Schrifttum Österreichs alte Landkultur und ihre Grundlagen Ausgehend von einer Untersuchung über die wirtschaftliche und literarische Wirksamkeit eines niederösterreichischen Kleinadeligen hat der Wiener Historiker Otto Brunner*) in einer von der herkömmlichen geschichtswissenschaftlichen Betrachtungsweise abweichenden Art das in der bisherigen Literatur kaum angeschnittene Problem der für die kulturelle Entwicklung des Abend¬ landes maßgebenden Oberschichte in seiner vollen Tiefe und Breite aufgerollt. Brunner entwickelt zunächst in einer weitausgreifenden Untersuchung der literarischen Schöpfungen, die aus dem Lebenskreis der adeligen Oberschichte seit der klassischen Antike her vorgegangen sind, ihre wirtschaftlichen und geistigen Grundlagen. Vom Standpunkt der Landes kunde aus interessiert uns jedoch in dem Werke Brunners mehr der dem persönlichen Leben und Wirken Hohbergs gewidmete Teil, weil hier die Besonderheiten unserer österreichischen Adels¬ kultur sehr schön herausgearbeitet sind und erstmalig Fragen berührt werden, die in das Wesen der Landschaft, ihres wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und geistigen Gefüges tief eingreifen. Die wirtschaftliche Grundlage der adeligen Oberschichte bildete die Grundherrschaft, die aber mit unserem heutigen Großgrundbesitz nicht verwechselt werden darf, handelt es sich doch hier meist nicht um die Bewirtschaftung einer bestimmt abgegrenzten Bodenfläche, sondern um einen räumlich oft außerordentlich zerstreuten, viele Menschen umfassenden Rechts- und Wirtschafts verband, dem weitgehend auch öffentlich-rechtliche, staatliche Aufgaben übertragen waren. Der Besitz der Adeligen war sowohl hinsichtlich seines Aufbaues als seiner Größe außer¬ ordentlich verschieden; während die breite Masse des Kleinadels mit ihren Eigenwirtschaften (Meierhöfen) kaum einen größeren Bauern überragte und dazu nur noch die Abgaben und Leistungen einiger weniger Untertanen genießen konnte, erstreckten sich die Herrschaften des hohen Adels oft auf gewaltige, aus mehreren Herrschaften zusammengefügte Gebiete mit 1000 und noch mehr Untertanen. Der Besitzwechsel ist oft auffallend rasch und kündet uns von dem Auf- und Abstieg der Geschlechter. Der Aufstieg hängt vielfach mit den Beziehungen der einzelnen Familien zu den Fürsten höfen und der ihnen von dort aus zugeteilten Verwaltung von Finanzämtern, die stets eine günstige Gelegenheit zur Bereicherung gaben, zusammen. Mit einem neuen Fürstenhaus kamen auch dessen Anhänger zur Macht, wie zum Beispiel im Lande ob der Enns die Wallseer durch die Habsburger. Seit dem Ausbau landesfürstlicher Behörden unter Maximilian I. und seinen Nachfolgern bildet auch die Laufbahn als gelehrter juristischer Beamter eine neue Aufstiegs¬ möglichkeit. Grundsätzlich festzuhalten ist aber, daß es vor dem 18. Jahrhundert keinen bloßen Briefadel gab, sondern jeder neu Geadelte tatsächlich in die alte Schicht hineinwuchs, indem er darnach trachtete, eine adelige Grundherrschaft zu erwerben und diese Erwerbung die Voraus setzung zur Aufnahme in die Landstandschaft bildete. Hohbergs Leben und Wirksamkeit fiel in einé Zeit, in der die grundsätzliche Stellung des Adels gegenüber dem Landesfürsten bereits bedeutsame Wandlungen mitgemacht hatte; die Adelsanarchie des späten Mittelalters hatte dazu geführt, daß die Landesfürsten die Friedens¬ wahrung an sich ziehen konnten, womit ihnen der Weg zum Absolutismus eröffnet wurde. Auch die gewaltige soziale Gärung der Bauernkriege ließ ein gewisses Zusammengehen des Adels mit dem Landesfürsten als unabweislich erscheinen. Die entscheidende Auseinandersetzung zwischen diesen beiden Mächtegruppen brachte jedoch die Zeit der Glaubensspaltung, in der zwischen dem der alten Kirche treu bleibenden österreichischen Herrscherhaus und dem größtenteils dem evangelischen Bekenntnis anhängenden Adel eine be trächtliche Spannung eintrat. Der im 16. Jahrhundert entwickelten und von Bodin formulierten *) Otto Brunner, Adeliges Landleben und europäischer Geist, Leben und Werk Wolf Helmhards von Hohberg 1612 —1688, Salzburg, Otto Müller, 1949, 376 Seiten, 8 Bildtafeln.

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