OÖ. Heimatblätter 1950, 4. Jahrgang, Heft 1

Unfried: Franz Neuhofer In dieser Zeit vermittelte ihm die Bekanntschaft mit Anton Bruckner ein großes Erlebnis, das noch einen nachhaltigeren Einfluß auf ihn nehmen sollte, als die übermächtige Wirkung einer „Tannhäuser“-Vorstellung, die er als Dreizehnjähriger in der Wiener Hofoper gehört hatte. Lassen wir ihn mit seinen eigenen Aufzeichnungen berichten: „Den großen Meister der Orgel Anton Bruckner durfte ich kennenlernen, als er im Jahre 1885 anläßlich der Jahrhundertfeier des Linzer Bistums in der Landeshauptstadt weilte. Wir Zöglinge der Lehrerbildungsanstalt mußten dort, wo heute der gewaltige Dom¬ turm in die Lüfte ragt, Spalier stehen, um den Festzug passieren zu lassen. Unter allen Festteilnehmern fiel mir merkwürdigerweise ein schlicht gekleideter Mann deswegen auf, weil er im Festzug unmittelbar hinter dem Bischof ging „Das ist der Bruckner!' hieß es allgemein. Wohl wußte ich von meinem Vater schon einiges über den Professor Bruckner in Wien, der früher ein Schulgehilfe in Windhaag bei Freistadt gewesen sein soll. Bei der Abendfeierlichkeit wurde im neuen Dom von der Liedertafel „Frohsinn' unter der Leitung Floderers das große Tedeum von Bruckner aufgeführt, in welchem meine Tante Marie Kersch¬ baum die Sopran-Partie sang, wie mir mein damals anwesender Onkel Karl Neuhofer, der als Organist sehr geschätzte Oberlehrer in Schörfling am Attersee, mitteilte. Er war zum Feste gekommen, weil er mit Meister Bruckner von der Präparandie her befreundet war. Der Eindruck, den das großartige Tedeum und vielleicht noch mehr das vom Meister selbst gespielte Postludium auf mich machte war für mich unbeschreiblich erhaben und entscheidend für mein ganzes Leben. Allerdings hatte dann die persönliche Bekanntschaft, die ich durch meinen Onkel mit Bruckner machen durfte, die Gottähnlichkeit meines Ideals wieder vermindert, als ich sah und hörte, daß Professor Bruckner sich genau so gab, wie mein Onkel selig, nämlich wie ein echter Landschulmeister. „Ich war ein Lehrer und bin ein Lehrer und werde ein Lehrer bleiben', sagte einstens Bruckner und beschämt bis auf den heutigen Tag jene aufgeblasenen Tröpfe, die sich des Ehrentitels eines „Lehrers' schämen und nur Musikpädagogen und Professoren geschimpft werden wollen. — Auch in anderen Belangen ist mir Bruckner stets Vorbild geblieben Über alle schweren Tage meines Lebens, Enttäuschungen, Kränkungen usw. hat mich immer die Ecce-homo-Gestalt von unserem Musiker-Märtyrer hinwegge¬ holfen mit dem Troste, daß unser Bruckner viel Schwereres zu leiden hatte. Von solchem Vorbild wurde das Streben des musikalisch so auffallend be¬ gabten Lehramtskandidaten, als Organist zu wirken, mächtig angeregt. Er betätigte sich als Aushilfsorganist in verschiedenen Linzer Kirchen, sodaß er an Sonn¬ und Feiertagen „oft überhaupt nicht mehr aus den Kirchen herauskam“. Auch bei profanen musikalischen Aufführungen war der Student fleißig mit dabei, so beim ersten Heimatabend im „Grünen Baum", wo Franz Sales Reiter, Anton Matosch, Dr. Hans Zötl, Dr. Hans Commenda, Direktor Friedrich Arnleitner u. a. zum ersten Mal in Linz Stelzhamer zu Ehren brachten und zur Gründung des Stelzhamerbundes Anlaß gaben. Neuhofer spielte dabei Cello in einem den 45

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