Schrifttum valentinianische Zeit, eher noch bis in die ersten Jahrzehnte des 5. Jahrhunderts belegt war und dann wahrscheinlich planmäßig abgetragen wurde, um durch den heute noch bestehenden Pfeilerbau ersetzt zu werden, der damit als spätantikes Bauwerk eingereiht wird *). Das Kapitel über den Römerbau wird ergänzt durch die eingehende Arbeit von Franz Stroh über die Spolien der Martinskirche, die zehn frührömische, vermutlich dem Urnenfriedhof in der Wurm¬ straße entstammende Grabsteine und außer Quadern noch ein gemeißeltes Bauglied der Römerzeit umfassen, sowie ferner einen der sogenannten langobardischen Richtung angehörenden Flechtband¬ tein, mit dessen Auffindung der Autor, der das gleichartige, 1842 aus der Martinskirche in das Museum gelangte Gegenstück schon 1939 als Chorschrankenteil publizierte, bereits gerechnet hatte. Auf die archäologische und kunstgeschichtliche Untersuchung des Baues folgt die historische auf Grund der Passauer Urkunde von 799, die Erich Trinks vom Standpunkt der Urkundenwissen¬ schaft erstmalig einer kritischen Betrachtung unterzieht. Daß eine an sich wichtige Quelle auf das in vorromanische Zeit zurückreichende und heute noch stehende Gebäude Bezug nimmt, ist ja ein selten glücklicher Umstand, dem der Autor mit scharfsinniger Heranziehung und Abwägung aller historischen Momente Rechnung trägt, so besonders des Patroziniums, dem auch Zöllner (Frühmittelaltertagung) ausschlaggebende Bedeutung beimißt. Als wesentliches Ergebnis darf vor allem die wichtige Erkenntnis bezeichnet werden, daß die Stiftung der Martinskirche mit dem Avarenfeldzug Karls des Großen um 791 offenbar in engstem Zusammenhang steht und damit in den Rahmen der gewaltigen Ereignisse rückt, die dem Antlitz Osteuropas für mehr als ein Jahrtausend sein geschichtliches Gepräge gegeben haben. Welche Konsequenzen hat nun diese historische Gegebenheit für die Baugeschichte? Juraschek hebt die einzelnen Bauschichten modellhaft plastisch voneinander ab. Vom Erstbau besitzen wir vier gedrungene, allseits gleich behandelte, also ursprünglich freistehende Quaderpfeiler, die die Ecken eines Quadrates bilden und zu zweit je drei weite Halbkreisbogen tragen, deren äußere Auflager nicht mehr bestehen. Das Quadermaterial solcher Pfeiler und ihrer Deckplatten ist im jüngeren Mauerwerk wieder verwendet. Da wir somit zumindest vorläufig nicht in der Lage sind, die Raumgrenzen des Erstbaues und mit ihnen seine Gesamtstruktur zu erfassen, kann auch über seine Bestimmung — profan oder kirchlich — noch kein endgültiges Urteil gefällt werden. Egger rekonstruiert eine dreischiffige, 799 vergabte Kirche2). In der Datierung neigt Juraschek eher zur agilolfingischen3), läßt aber die Möglichkeit spätantiker Entstehung offen, die außer von Jenny auch von Schadler und Kieslinger angenommen wird. Für einen Bau des späten vierten oder frühen fünften Jahr¬ hunderts sprechen vor allem die Proportionen der Raumkompartimente und der Bauglieder, was auch Ginhart ausspricht *). Gelegentlich der Tagung für Frühmittelalterforschung hat Demus unter Nennung früher syrischer Beispiele betont, daß eine spätere Datierung aus dem syrischen Einfluß nicht erschlossen werden könne, wobei übrigens die Anerkennung des letzteren einen christlichen Kultbau voraus¬ setzt. Erwähnt seien in diesem Zusammenhange die bei der Tagung gegebenen Hinweise von Oettinger auf die Analogie zu einem Bau des späten 4. Jahrhunderts in St. Peter in Wien und von Glazema auf die offenen Bogenstellungen der Kirche in Overbeck in Holland, die als Missionskirche erklärt wird, bei welcher die Handlung des Gottesdienstes von den neben der Kirche stehenden Laien genau verfolgt werden könne (Islandsaga). Als zweite, auf den Pfeiler¬ Bogenbau folgende Bauschichte wurde die Nischenkirche festgestellt, ein durch Einbau von Längs¬ wänden mit Nischengruppen in die Arkaden des Erstbaues und durch Errichtung eines apsidialen Ostchores gewonnener, nun eindeutig kirchlicher Längsbau, der von Juraschek, und zwar, wie Ref. meint, mit Recht, mit der 799 genannten und wohl kurz vorher entstandenen Martinskirche *) Vergl. dazu noch Wilhelm Fenny, Neues zum römischen und frühmittelalterlichen Linz, Jahrbuch der Stadt Linz 1949, S. 288 ff. 2) Rudolf Egger, Ein Zeuge frühesten Mittelalters. Die Furche. Ig 5 Nr. 25 vom 18. Juni 1949. Franz Juraschek, Linz im 8. Jahrhundert. Jahrbuch der Stadt Linz 1949, S. 265 ff. *) Karl Ginhart, Die St. Martinskirche in Linz a. d. Donau. Mitteilungen der Gesellschaft für vergleichende Kunstforschung in Wien. 2. Ig Sept. 1949, Nr. 1, S. 38 ff. 93
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