Blaas: Hans von Hammerstein Wirklichkeit und trägt bereits in „Noland und Rotraut“ den unvergleich¬ lichen Schwung bestimmterer Konturen und den ganz unsäglichen Stimmungs¬ reiz genauer Farbwerte. In den Gedichten „Zwischen Traum und Tagen“ und im „Tagebuch der Natur“ erst recht ist er ihr fast aus¬ schließlich verschrieben. Sie erfüllt in Hammersteins Hauptwerk „Die Asen“, zum Mythos erhoben, eine ganze Götterwelt nach nordischem Vorbild; Erde als Werkstoff und Tummelplatz riesischer Mächte, tagscheuen Zwergvolks und alfischer Wesen steht einem Licht- und Luftraum von Asen und Wanen entgegen, woraus die elementare Grundform des Kampfes im germanischen Dasein abgeleitet wird. In den Büchern „Februar“ und „Die gelbe Mauer“ ist die Allgewaltige noch wieder anders; ihr stürmischer Atem, ihr wolkenverhangenes Dräuen, ihr sonnedurchflogenes Lächeln, ihr lockendes Werben und ahnendes Weben stehen hier geradezu in gefährlicher Übereinstimmung mit seelisch Durchlebtem. In den historischen Zeitbildern „Ritter, Tod und Teufel“ und „Mangold von Eberstein“, wie in den „Finnischen Reitern“ ist die lebendige Natur nicht nur farbiger Hintergrund und Stimmungswert, sondern geradezu mithandelndes Wesen, oft in die Gestalt eines Menschlichen übergehend. In elementarischen Bezeichnungen verrät sie sich auch sonst, sogar in Blumennamen. Wo sie ausgesperrt ist, wie im „Glassturz“, rächt sie sich durch den tollen Spuk künstlich gemachter Dinge, die auf einmal „Natur“ in sich verspüren wollen; wo sie aber konserviert werden soll, wie im verlassenen und seiner eigentlichen Seele beraubten „Schloß Rendezvous“, zerfällt sie zu Staub. Auch Leidenschaft ist Natur, gewisser als Liebe. Sie jagt, hetzt, brennt durch Hammersteins Bücher: Sturm, der nicht zu sänftigen ist, Flamme, die sich selbst verzehrt. Wo sie an echte Liebe gerät, verblaßt diese oft, verschwindet unver¬ sehens zu randnaher Gestalt wie Frowin und das Elslein im Doppel-Ritterbuch oder die Angesprochene im Schlüsselroman der „Gelben Mauer“; selten, daß ihr Eine so rein widersteht wie das Waldmädchen in „Wald“ oder die charakterfeste nordische „Walpurga“. Zuweilen sinkt sie sogar gefährlich ab zu Lotter¬ haftigkeit, ja, zu Verderbtheit; nicht immer entgeht Hammerstein der Verlockung einer erotischen Sumpfwelt. Manche solche Wende wird als Schlacke empfunden, die das Werk beeinträchtigen könnte, wäre es nicht mit solcher Kunst gestaltet! Es ist die Getriebenheit der sinnlichen Menschen-Natur, die in solchen Szenen ihren entsprechenden Ausdruck findet. Geschichte ist nicht nur Niederschlag eines geistigen und kulturellen, sondern auch persönlichen Lebens und Spiegelbild eines natürlichen Ablaufes. Am besten ist dies an den Übergängen zu erkennen, an den Erscheinungen der Zwischenzeiten, etwa, wo germanisches Heidentum vom einströmenden Christentum verdrängt wird, wo sich Schicksal der Grenze zwischen deutschem Westen und hunnischem Osten erfüllt, wo Rittertum im Aufblühen der Städte seinen Abstieg vollzieht, wo ein Dreißigjähriger Krieg in einem Westfälischen Frieden seine Daseinsberechtigung einbüßt. Solche historische Dämmerzeiten sind es auch, die 293
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