OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 4

Lebensbilder Langjährige Beschäftigung mit der Erforschung des Bodens von Lauriacum, reger Gedankenaustausch mit führenden österreichischen Archäologen und Ver¬ tiefung in das einschlägige Schrifttum hatten Dr. Schicker zu einem guten Kenner der römischen Epoche im Ennser Gebiet gemacht. Dabei war er aber auch bestrebt, der frühmittelalterlichen Zeit nachzugehen und Licht über das mannigfaltige Kul¬ turleben im Rahmen der heutigen Stadt Enns zu verbreiten. Als er im Jahre 1912 die „Festschrift zur 700 jährigen Gedenkfeier der Stadtrechtsverleihung an Enns im Jahre 1212“ verfaßte, erkannte er, daß es für eine Gesamtdarstellung der geschichtlichen Vergangenheit des alten Grenzstädtchens noch an den notwen¬ digsten Vorarbeiten fehle. Zunächst müßten die weit verstreuten Archivbestände durchforscht werden, eine mühevolle und zeitraubende Aufgabe. Schicker nahm auch diese große Arbeit in Angriff. Wenn wir sein Lebens¬ werk überblicken und den umfangreichen schriftlichen Nachlaß durchblättern, müssen wir seine Arbeitskraft bewundern. Der Mann, der durch schwere Berufspflichten stark in Anspruch genommen war, trug Jahrzehnte hindurch die Bürde eines Museumsvorstandes mit den vielen Sorgen der Vereinsgeschäfte und der Raum¬ beschaffung für die Sammlungen, nahm an jeder Grabung tätigen Anteil und war den vielen Besuchern Lauriacums ein kundiger Führer. Die Ergebnisse seiner Forscherarbeit fanden in einigen gediegenen Veröffentlichungen ihren geistigen Niederschlag. Nun suchte er auch noch alle erreichbaren Geschichtsquellen aus¬ zuschöpfen. Viele Jahre hindurch wurden die Ennser Urkunden und Akten, die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch in das Linzer Musealarchiv, in die Wiener Nationalbibliothek und in das Haus-, Hof- und Staatsarchiv gerettet worden waren, sorgfältig exzerpiert, daneben noch die Restbestände des im Ennser Museum verwahrten Stadtarchives und die wertvollen Matrikenbücher des Stadtpfarramtes Enns durchgearbeitet. Die in Kurzschrift gemachten Auszüge füllen ein paar Bände. Durch diese archivalische Tätigkeit wurde er mit der mittelalterlichen und neu¬ zeitlichen Ennser Geschichte vertraut und konnte die gewonnenen Kenntnisse für eine Reihe von kleineren Aufsätzen über die Stadtgeschichte, über Handel und Gewerbe sowie über Baulichkeiten in Alt-Enns verwerten. Der Pflege der neueren Stadt¬ geschichte sollten auch die „Mitteilungen des Musealvereines Lauriacum in Enns dienen, die leider nur für die Jahre 1918—1920 erschienen sind. Durch jahrzehntelange Studien in der Geschichte des Ennser Bodens sehr bewandert, faßte Primar Schicker den Plan, in einer größeren Arbeit die Ver¬ knüpfung der beiden alten Kulturmittelpunkte Lauriacum und Enns darzustellen. Er wollte die Fortdauer der Kultur über die Römerherrschaft hinaus, die Baiern-, Franken- und Karolingerzeit herausarbeiten und schließlich die Bedeutung der Ennsburg und die Entstehung einer Marktsiedlung auf dem breiten Höhenrücken des Ennsberges klarlegen. Bevor das lange vorbereitete Werk „Die Kulturent¬ wicklung auf dem Boden von Lauriacum - Lorch - Enns bis zum Jahre 1212“ der Öffentlichkeit übergeben werden konnte, hat der Tod seiner unermüdlich tätigen Hand die Feder entwunden. 363

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