OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 4

Lebensbilder Nach der Reifeprüfung (1899) wählte Schicker nicht etwa die philosophische Fakultät, sondern das ihn schon lange fesselnde Studium der Medizin. Doch immer wieder zog ihn die Geschichte seiner Ennser Heimat in ihren Bann. Im Museumsverein, der seit dem Jahre 1892 eine rege Sammeltätigkeit entfaltete und die aus dem Schoße des Legionslagers und der Bürgerstadt Lauriacum gehobenen Bodenschätze im alten Rathaus zur Schau stellte, erschloß sich ihm ein weites Arbeitsfeld. Fleißig wurden die Hochschulferien zu Ordnungsarbeiten benützt, die Römerfunde karteimäßig erfaßt und Fundorte genau verzeichnet. Frühzeitig beschäftigt er sich auch mit der Archivforschung. Von dem einst reichhaltigen Ennser Stadtarchiv waren um die Mitte des 19. Jahrhunderts die meisten Bestände leichtsinnigerweise in alle Winde zerstreut worden. Als im Jahre 1904 ein Wiener Altbuchhändler Ennser Urkunden und Aktenstücke zum Verkaufe ausbot, wurde Schicker von der Museumsleitung mit deren Erwerbung betraut. Dank einem angeborenen Ordnungssinn sichtete er nun diese Archivalien und die der Stadtgemeinde von früher her noch verbliebenen Urkunden, Ratsprotokolle und Stadtbücher. Diese Tätigkeit und spätere Archivarbeiten machten ihn mit der mittelalterlichen und neueren Geschichte der Stadt Enns näher bekannt und er¬ schlossen ihm den Quellenstoff für wissenschaftliche Aufsätze. Ungeachtet seiner Lieblingsneigung für Altertumskunde und Ennser Geschichte widmete sich Schicker mit ganzem Eifer seinem Lebensberuf. Bereits im Jahre 1905 konnte er die Wiener Alma mater mit dem Doktordiplom der gesamten Heilkunde verlassen. Nach kurzer Verwendung als Militärarzt in der psychia¬ trischen Abteilung eines Garnisonsspitals wählte er die Laufbahn eines Irren¬ arztes und wirkte seit 1907 in Ybbs a. d. D. Wenige Jahre später ließ er sich in die fortschrittlich nach neuesten Grundsätzen eingerichtete Anstalt Mauer-Öhling bei Amstetten versetzen, wo er fast seine gesamte Dienstzeit verbrachte. Diese Berufsstätte war nur 40 km von Enns entfernt und so konnte er jeden freien Tag seiner Heimåtstadt und deren wechselvoller Vergangenheit widmen. Für das Ennser Museum bedeutete es eine glückliche Fügung, daß es eine so tüchtige uneigennützige Kraft für Jahrzehnte erhielt. Wenn hier das aus altem Römerboden gehobene Kulturgut sorgsam gehütet und der Wissenschaft erschlossen wurde, ist dies Schickers besonderes Verdienst. Reiche Begabung, enge Verbindung mit der Gelehrtenwelt und warme Heimatliebe befähigten ihn, den Autodidakten, zu erfolgreicher Arbeit auf dem Gebiete der Landeskunde. Von Jugend auf mit dem klassischen Ennser Boden verwachsen, drang er in die Geheimnisse der Boden¬ forschung ein, nahm an der Aufschließung des Legionslagers Lauriacum teil, die Oberst Max von Groller als Leiter der Limes-Grabungen seit 1904 durchführte, und er¬ warb sich ein gründliches Wissen auf dem Gebiete der Römerforschung und Münzkunde. Im Jahre 1907 ist als Erstlingsfrucht aus seiner Feder ein „Führer durch das Museum der Stadt Enns“ erschienen. Mit Sorgfalt beschreibt der junge Heimatforscher die mannigfaltigen Fundgegenstände und gibt als Anhang einen kurzen geschichtlichen Rückblick auf Lauriacum, Lorch und Enns. Auf einem Rund¬ 361

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