L ebensbilder Primarius Dr. Josef Schicker Zum Gedenken In der langen Reihe oberösterreichischer Heimatforscher finden sich aus dem Priester- und Lehrerstand, auch aus der Beamtenschaft, klangvolle Namen. Nur ganz selten begegnet uns ein Arzt. Unter den wenigen Gestalten, die neben ihrem anstrengenden Beruf, Helfer der leidenden Menschheit zu sein, auch noch die Zeit und geistige Spannkraft aufbrachten, am Bau einer Landeskunde befruchtend mit¬ zuwirken, tritt Josef Schicker als fest umrissene Persönlichkeit hervor. Als Irren¬ arzt mußte er so oft in die Tiefen menschlichen Leides schauen; da bot ihm die Beschäftigung mit der Geschichte, das stille Sichversenken in das große historische Geschehen auf Ennser Boden, erwünschte Entspannung. Was das alte Lorch und mittelalterliche Enns für die Altertumswissenschaft und österreichische Geschichts¬ forschung bedeuteten, suchte er in erfolgreichen Grabungen zu ergründen und in gehaltvollen Abhandlungen darzulegen. Schickers Wiege stand nicht in Enns. Er wurde am 13. Jänner 1879 als drittes unter sechs Kindern in Summerau bei Freistadt geboren, wo sein Vater Stationsvorstand war. Da dieser frühzeitig starb, kam der sechsjährige Junge mit seiner Mutter zu den Großeltern nach Enns. Im Hause des Großvaters Leopold von Zenetti, der als Stadtpfarrorganist den einstigen Schulgehilfen von Kronstorf, Anton Bruckner, im Generalbaß unterwiesen hatte, empfing der auf¬ geweckte Knabe bleibende Eindrücke. Der alte Herr wußte seinem Enkel von der Römerstadt Lauriacum zu erzählen und auf Wanderungen durch die malerischen Gäßchen und angesichts des mächtigen Stadtturms in ihm den historischen Sinn zu wecken. Wurde Schicker vom Leben zwar hart angefaßt, als er mit elf Jahren auch die Mutter und bald darauf die hochbetagten Großeltern verlor, so ward dem Verwaisten doch als bleibendes Erbe vom Schöpfer mit mannigfaltigen Geistesan¬ lagen ein kostbarer Schatz gegeben, den er reichlich nützte. In seinen Lebens¬ erinnerungen lesen wir von den täglichen Bahnreisen, die er seit 1891 als „erster fahrender Schüler aus Enns"“ zum Besuche des Linzer Staatsgymnasiums zurück¬ legte. Allen kleinen Entbehrungen und Wetterunbilden zum Trotz entfaltet sich der jugendliche Geist und 1893 darf der Ennserbub als Zweitbester der Klasse das Werk Edlbacher, Landeskunde von Oberösterreich, zum Lohn aus der Hand des Direktors empfangen. Fortan ist der Student der Geschichte verschrieben und im Maturajahr hält er zur vollen Zufriedenheit des Geschichtsprofessors den vorge¬ schriebenen freien Vortrag über Lauriacum. Ohne Zweifel war es auf die geistige Richtung des Jünglings von bestimmendem Einfluß, daß er während der Gym¬ nasialzeit an Dr. Ludwig Edlbacher und Dr. Laurenz Pröll tüchtige Geschichts¬ lehrer hatte, welche Liebe und Verständnis für das historische Fach zu wecken wußten. 360
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