OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 4

Bausteine zur Heimatkunde Der Beinschlitten im Volkskundehaus der Stadt Ried i. J. Unter den Beständen des Innviertler Volkskundehauses in Ried i. J. befindet sich auch ein Wintersportgerät, das wegen seiner Seltenheit und Altertümlichkeit unsere Beachtung verdient. Es stammt aus dem Familienbesitz des Gründers des Museums, des Pfarrers Johann Veichtlbauer, der es seinen Erzählungen nach in seiner Jugend (um 1880) in seiner Heimat Holz öster im oberen Innviertel (nächst Obm) eifrig benutzt hat. Er, wie viele seiner Jugendfreunde, bediente sich des Schlittens zur Überquerung der spiegelglatten Eisfläche des gefrorenen Sees. Das in die Gruppe der Rodelschlitten gehörige Fahrzeug besteht aus einem 27 X 28 em großen Sitzbrett, an dessen Längsseiten zum Zwecke bequemeren Sitzens je eine flache kreissegmentförmige Ausnehmung angebracht ist. Das Brett ruht auf vier Holzsäulen (Ständern), jede mit einem mittleren Umfang von 11 cm, auf den Kufen auf, die statt der heute üblichen Holzkonstruktionen mit Eisenbeschlägen aus kräftigen Pferdeknochen bestehen. Von diesen Knochen leitet sich der volkstümliche Name „Boanlschlitten“ für dieses Gefährt ab. Die Länge der Schlittenknochen beträgt 27, der Durchmessen der Gelenksköpfe durchschnittlich 10 cm. Die Ständer sind ohne sichtbare Ver¬ keilung, nur durch genaue Maßarbeit, im Holzteil des Sitzbrettes wie in den Knochen versenkt. Die beiden vorderen Ständer verbindet an der Stelle, wo sie auf die Kufenknochen auftreffen, eine 43 cm lange Querstange, die rechts 6, links 10 cm über den Schlitten hinausragt und ein Aufruhen der Füße des Fahrers ermöglicht. Die hinteren Ständer verbindet, 14 cm über den Kufen, eine kürzere Querstange von 20 cm. Als einzigen Schmuck trägt der Schlitten an der Vorder seite des Sitzbrettes mehrere flache, muschelartige Schnittkerben. Zum Schlitten gehören zwei Stöcke, die sogenannten „Steften“, die sich am oberen Ende in der bekannten Form der Reisbesenstiele verjüngen, am unteren sind sie mit kräftigen Eisenstiften („Steften") bewehrt. Nach der Handhabung dieser „Steften bei der Vorwärtsbewegung wird die ganze Sportübung des Boanlschlittenfahrers um Holzöster als „Stefteln“ bezeichnet. Schlitten dieser Art, durchwegs als Fahrzeuge auf der glatten Eisfläche gefrorener Seen verwendet, finden sich im europäischen Raum bereits verhältnis¬ mäßig selten. Bis um die Jahrhundertwende (vereinzelt bis in unsere Tage) werden sie meines Wissens als noch im Gebrauch stehend den Veröffentlichungen nach nur aus folgenden Gebieten verzeichnet: Pommern (Schivelbein), oberöster reichisch-salzburgisch-bayrisches Seengebiet (Holzöster, Obertrum-Mattsee, Starn¬ bergersee, Tegernsee), Mähren (Olmütz), Bosnien (Bjelina). Die Bauart dieser Schlitten unterscheidet sich oft beträchtlich. Es kommt vor, daß innerhalb derselben Landschaft verschiedene Formen nebeneinander in Ver¬ wendung stehen. So berichtet Dr. Wallmann in dem von K. Adrian (Von Salz burger Sitt' und Brauch, 1924, S. 327) zitierten Brief vom 26. 2. 1882 an 338

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