OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 4

Oberösterreichische Heimatblae Heft 4 Oktober-Dezember 1949 Jahrgang 3 Hans von Hammerstein Ein Dichter der Natur Von Erna Blaas (Salzburg) Wenn der Dichter Hammerstein in seiner Selbstdarstellung „Aus dem Bilderbuche meines Lebens“ der Geschichte seiner Herkunft einen ungewöhnlich breiten Raum zuweist, so geschieht dies nicht im Zuge der Eröffnung eines adeligen Familienarchivs und ist mehr als nur die stolze Schau auf eine Ahnengalerie erlauchter Namen. „Woher ich kam und wie ich wurde“, heißt der unterstellte Titel und verrät schon, was gemeint ist: Ein Aufspüren des geheimen Lebens¬ gesetzes, das seinen Stamm regiert, ein Nachziehen von Linien, die sich in der eigenen Gestaltlichkeit wiederholen, eine Verfolgung der dichterischen Ader bis in ihren Unterlauf hinein, wo sie aus feinsten Fäden zusammengeströmt und mählich stark geworden ist. Hammerstein ist ja der rechtmäßige Erbe eines literarischen Vermächtnisses, das in seinem Blute ruht: einer der bis zur Jahrtausendschwelle zurückreichenden Vorfahren väterlicherseits nimmt selbsttätig und fördernd teil am romantischen Sammeleifer der Brüder Grimm; aus dem Urgroßelterngeschlecht mütterlicher¬ seits heben sich die gräflichen Brüder Stolberg, Christian und Friedrich Leopold, deren Namen die Tage des Göttinger Hainbundes und —in Ver¬ bindung mit Goethe — auch die klassische Geniezeit heraufbeschwören, durch dichterisches Schöpfertum hervor. Ein Stück Literaturgeschichte wird mit solchen Ahnen lebendig! „An Begabung und Stoffen gibt es Erbschaft“, sagt Hammer¬ stein im Hinblick auf dies Überkommene. Wäre das Wort vom „geborenen“ Dichter nicht schon längst geprägt und oft genug gesagt, so hätte man es im Hinblick auf Hammerstein finden müssen. Schon als Kind hatte er die traumtiefe Ahnung, das hellwache Verständnis, die schöpferische Bildkraft des Dichters zu eigen und empfand Strophen eines echten Volksliedes oder einer alten Ballade als Klang und Gestalt aus seiner innersten Welt. Als zum dichterischen Erleben in der Zeit des Reifens dann das dichterische Bilden kam, war es nur die nächste Stufe einer folgerichtigen Entwicklung; „mein gesamtes Werk, das geschriebene wie das entworfene", kann 289

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2