OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 4

Wutzel: Oberösterreichs Denkmalpflege in der Krise der Zeit Dem heutigen Geschlecht ist dieses Mitleben in der Kunst und deren Ein¬ schätzung als unbedingte Lebensnotwendigkeit verloren gegangen. Große Bevölke¬ rungsteile stehen deshalb auch der Denkmalpflege mit kultureller Stumpfheit oder plattem Materialismus gegenüber. Kitsch tritt gegen die Kunst auf, Verfall, Abverkauf und mutwillige Zerstörung hemmen vielfach den Erhaltungswillen. Wenn im Lande unzählige Bildstöcke und Kapellen verwahrlosen, so ist das meist kein geldliches, sondern ein geistiges Problem. Das Verständnis für diese Heimatwerte ist eben abhanden gekommen. Der Bauer, dessen Vorfahren die Kapelle errichten ließen, die das Land weithin schmückt, ihr ein formvolles Schindeldach gaben und ihren barocken Ölberg bei einem Bildschnitzer bestellten, lehnt heute jede Verantwortung für dieses Erbe ab. Eine Erneuerung muß ihm bezahlt werden. Damit ist nur ein Beispiel unter vielen genannt. Empfindlicher muß aber den Heimatfreund die Geschmacksverwilderung treffen. Vom gotischen Flügel¬ altar gingen unsere Vorfahren zum barocken Knorpelwerk über. Das 19. Jahr¬ hundert sank zum neugotischen Schreineraltar herab, das 20. Jahrhundert ist bei der Gipsstatue angelangt, die bewundert wird, während ein Tafelbild aus der Zeit um 1500 daneben unerkannt verkommen kann. Am deutlichsten wurde aber das geistige Absinken unserer Zeit in dem rücksichtslosen Abverkauf von Kunstwerten in den ersten Jahren nach dem ersten Weltkrieg offenbar. Nur ein Fall sei hier erwähnt, da sein Gelingen besonders schändlich gewesen wäre, seine Verhinderung aber als Ehrenblatt in der heimischen Denkmalpflege gewertet werden muß. Im Jahre 1922 wurde für die einzigartig schöne und innige Frauensteiner Schutzmantelmadonna eine Kaufsumme von 1.5 Millionen Kronen geboten. Fünf von Hundert des Geldbetrages sollte der Vermittler erhalten. Nur ein glücklicher Zufall und rücksichtsloses Einschreiten bewahrten das wertvollste Marienheiligtum des Landes Oberösterreich vor dem Abgang in den Kunsthandel. Für alle augenfällig wird die Auseinandersetzung zwischen Alterswert und Gegenwartswert in der heiklen Frage der Erhaltung der Ortsbilder. Bei dem Wohn- und Nutzhaus muß die Denkmalpflege selbstverständlich zu Vergleichen bereit sein. Im Zuge unvermeidlicher Neugestaltungen jede alte Fassade zu zerstören und durch reine Zweckfronten zu ersetzen, ist aber umso weniger not¬ wendig, als die heutige Baukunst noch nicht den Nachweis brauchbarer Geschmacks¬ lösungen erbracht hat. Wohin beim Bauen die alleinige Rücksichtnahme au technische und zivilisatorische Gesichtspunkte führt, zeigen die trostlosen Vorstadt¬ ränder unserer Großstädte. Ihr Bild sollte doch zur Einkehr und Umkehr bewegen. Man wohnt nicht nur in Städten, man lebt auch in ihnen und soll in ihren Mauern heimisch werden. Hier liegt also eine Kampffront für die Denkmalpflege. Sie kann für Ober österreich neben Niederlagen manche Rettungstat buchen: Die geplante Abtragung des Hartwagnerhauses in Linz (Hauptplatz Nr. 10) wurde verhindert. Der Stadt¬ 309

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