OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 3

3chrifttum Ein literarisches Denkmal für Johannes Kepler Aus Deutschland kommt ein längst erwartetes, sich an die gesamte Kulturwelt wendendes Buch *), das, abgesehen von seinem hohen Allgemeinwert, gerade für Oberösterreich und dessen Hauptstadt eine ganz besondere Bedeutung hat. Ist doch das Leben und Schaffen des Mannes, dessen großer Name den Titel des Buches bildet, aufs innigste mit Linz verbunden. Der aus Friedrichshafen stammende Münchener Gelehrte Max Caspar, der sich als Mitherausgeber, Kommentator und —soweit es sich um lateinische Schriften handelt — auch als Übersetzer der Werke Keplers in die Welt dieses erhabenen Geistes mit wahrer Liebe vertieft hat, war wie sonst kein anderer berufen, das Leben des genialen Astronomen darzustellen und dessen bahnbrechende wissenschaftliche Leistung zu würdigen. Mehr als drei Jahrhunderte seit Keplers Tod mußten vergehen, bevor mit dieser ersten erschöpfenden und dabei zum Wort¬ kunstwerk gestalteten Biographie dem Entdecker der Planetengesetze das Denkmal errichtet wurde, das seiner Größe würdig ist. Die von Ch. Frisch im letzten Bande seiner Gesamtausgabe der Werke Keplers gebotene Vita 2) wendet sich, in lateinischer Sprache abgefaßt, nur an einen eng begrenzten Leserkreis. Eine mit Begeisterung begonnene, dreiteilig geplante Lebensgeschichte Keplers von E. Reitlinger, C. W. Neumann und C. Gruner ist leider über den ersten Teil, der 1868 erschienen war, nicht hinaus¬ gediehen 3). Kleinere, nicht durchwegs verläßliche Arbeiten in Buchform, wie die von L. Frohnmeyer 1902 und von P. Roßnagel sowie von J. Plaßmann 1930 (zum 300. Todestage Keplers) veröffentlichten Lebensbilder waren zu ihrer Zeit gewiß willkommen; heute sind diese mehr oder minder volkstümlichen Schriften durch Caspars großes Kepler-Buch völlig in den Schatten gestellt. Die ganze Fülle eines außergewöhnlichen, von den Stürmen einer unruh¬ vollen, zerrissenen Zeit immer wieder bedrohten und dennoch seiner Sendung treu gebliebenen Lebens, der ganze Reichtum eines weltbedeutenden, in die Zukunft weisenden Schaffens werden in Caspars Buch offenbar, das zugleich ein voll¬ endetes, auf umfassenden zeitgeschichtlichen Kenntnissen beruhendes Bild der Jahr¬ zehnte vermittelt, in die Keplers Erdenwandel fällt. In der Einleitung seines Werkes stellt der Verfasser die geistige Situation gegen Ende des 16. Jahrhunderts *) Max Caspar: Johannes Kepler. W. Kohlhammer Verlag Stuttgart 1948. 479 Seiten. 2) Kepleri Vita servato annorum ordine. In: Joannis Kepleri Astronomi Opera Omnia. Edidit Dr. Ch. Frisch. Volumen VIII. Pars. II. (Francofurti a. M. MDCCCLXXI.) S. 668— 1028. 3) C. Gruner (Ulm) hat den einzigen, nur Keplers Jugendzeit und erste Mannesjahre behandelnden Band dieses Gemeinschaftswerkes, dessen Herausgeber und Verleger er selbst war, „Der Stadt Linz (Keplers 16 jährigem Aufenthalts Ort)“ mit eigenhändiger Unterschrift ge¬ widmet; das Widmungsstück ist in der Bibliothek des o.-ö. Landesmuseums aufbewahrt. (Die Zahl „16“ im Widmungstert beruht auf einem Irrtum, es müßte richtig „14“ heißen.) 269

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