OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 3

Lipp: Die geistige Kultur der Sensenschmiede in Oberösterreich ordnet. Und fürwahr eine „Mitte“ waren diese Menschen. Der oftgebrauchte und daher etwas abgenützte Ausdruck „patriarchalisch“ kennzeichnet am besten das Ver¬ hältnis des Herrn im Hause. Manche Sitten, wie der obligate Handkuß der Ehhalten (Dienstboten) nach dem Jahrmahl waren zeitbedingt. Aber auf der anderen Seite war zweifellos etwas vorhanden, was man heute als Betriebs¬ genossenschaft bezeichnen würde. Die Hierarchie, die eingehalten wurde, war eine solche der Leistung und der Brauchbarkeit, und genau so wie vor der Zunft nur der Mann, seine Tüchtigkeit und sein Können, nicht sein Geldsack galt, so wurden auch die Knechte und Dienstboten gehalten. Nur so ist die eigenartige Erscheinung einer Arbeitergenerationenfolge zu erklären, die ihren Stolz ebenso in der ererbten Knechtschaft erblickte wie die Meister in ihrer Meisterschaft. Leider gibt es über das Leben und die Mentalität des Sensenschmiedknechtes, ja überhaupt des Arbeiters noch keine ähnliche Untersuchung, wie sie bereits etwa für den Bauern¬ knecht vorliegt. Die Sozialogie, aber auch die Volkspsychologie könnten hier nicht unwesentliche Aufschlüsse erfahren. So wie der Sensenschmiedmeister selbst jede Arbeit kannte, schaffte und daher auch anschaffen durfte, regelte er als ein echter Patriarch die Familien¬ verhältnisse. Der Begriff Familie und Sippe hatte bei den Sensenschmied¬ meistern einen besonderen Klang und eine schwerwiegende Bedeutung. Neben dem Begriff Familie steht aber gleich der andere: Ehrfurcht, Pietät. Ehrfurcht, das heißt in der Sensenschmiedsprache „Pflicht und Schuldigkeit", wurde den Verstorbenen, den Vorfahren erwiesen und Pflicht und Schuldigkeit erwiesen die Kinder ihren noch lebenden Eltern. Dieses an sich Selbstverständliche bekommt aber gerade bei den Sensenschmieden eine eigene Note. Mit Ergriffenheit erinnere ich mich eines alten Sensenschmiedes, der bei jeder Erwähnung seiner Vorfahren den Hut zog und diese Erwähnung geschah nie anders als „mein Urgroßvater selig" oder meine „Großmuhme selig“. Dieses „selig“ ist demnach keine bloße Floskel, sondern frommer Wunsch und echte Pietät. Der Herr Vater und die Frau Mutter hielten sich aber auch selber hoch, wenn sie in Gegenwart anderer als „mein schätzbarer Hausherr“ (oder „Hausfrau") voneinander sprachen. Die Verbundenheit mit den Ahnen, erklärlich durch die häufige Ahnengleich¬ heit von Mann und Frau, drückt sich auch aus in der Schätzung der Ahnen¬ bildnisse. Seit dem 17. Jahrhundert sind uns in beinahe lückenloser Folge die Abkömmlinge sensenschmiedischer Familien dem Bilde nach bekannt. In künst lerischer Hinsicht entsprechen die Bildnisse vollkommen den Objekten. Handwerk¬ licher Geist, Handwerkskunst im besten Sinne sind die oft namenlosen Parträts, denen eine große menschliche Überzeugungskraft eignet. Der Leibmaler der Sensenschmiede des 18. Jahrhunderts dürfte der Steyrer Bürger Morzer gewesen sein, der auch einige signierte Porträts hinterlassen hat. Daneben wirken ein Peter Wagner, der als Bildnismaler im Salzburgischen hervortritt, ferner ein Leitner, der wohl mit dem Tiroler Maler Leitner identisch sein dürfte. Um 1822 herum bekommt der bedeutende Schlesier Jackisch eine Reihe von Aufträgen von 247

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